Nachdem ich zwei Tage am Lake Manitoba nutze um im Naturpar auf Vogelbeobachtung zu gehen breche ich nun wieder auf. Richtung Norden fahre ich durch einige Indian Reserves. Verfallende Häuser, zumeist sind es mobile Homes, die schon lange nicht mehr mobile sind umgeben von schrottreifen Autos und Schneemobilen. Mein Versuch ein wenig durch das Hinterland zu fahren stellt sich als unmöglich heraus. Der Regen hat viele Straßen unbefahrbar gemacht. Bei Fairford beobachte ich einen Pelikan, der in elegantem Segelflug ohne einen Flügelschlag durch die Luft gleitet und hinter einer Brücke landet. Also verlasse ich die Straße und versuche in der Nähe der Stelle zu parken, an der der Vogel gelandet sein musste. Meine Überraschung wer nicht schlecht, als ich nicht nur einen Pelikan sondern cirka fünfzig von ihnen nahe und unter der Brücke fand, die dort fischten. Eigentlich tauchten sie nur ihre Kopfe ins Wasser und schaufelte mengen kleiner silbern glänzender Fischchen in ihren Kehlsack, vom dem aus sie in den Magen wanderten. Bei den Mengen, die sie verschlangen vermute ich, dass sie für mindestens ein paar Stunden flugunfähig auf dem Wasser daherdümpeln. Als ich ihnen zusehe, wie sie entgegen aller aerodynamischen Gesetze nach wenigen Anlaufschritten aus dem Wasser aufsteigen und prall gefüllt davon fliegen, muss ich unwillkürlich an den Beluga, dieses unförmige Flugzeug von Airbus, denken, mit dem Flugzeugrümpfe oder Raketenstufen transportiert werden. Doch etwas anderes erregt meine Aufmerksamkeit. Aus dem Wasser springen riesige Fische und tauchen mit einem „Platsch“ wieder ins Wasser. Ein Mann steht am Ufer und wirft seine Angel aus. Ich frage ihn, was das für Fische seien. „Karp“ antwortet er knapp und widmet sich wieder seiner Angel. Wieder und wieder wirft er sie aus. Schon mehrfach schien es, als hätte ein Fisch gebissen, doch dann war es ein ums andere Mal wieder nichts. Die Karpfen wollten sich einfach nicht an der Schur festhalten.

Die übrige Fahr gestaltet sich eintönig, Wälder, Seeen, Seeen, Wälder. So geht es stundenlang. Langsam habe ich genug davon gesehen. Meine App empfiehlt mir einen Stellplatz am Lake Winnipegosis. Abgelegen von dem Highway sei es dort ruhig und sehr romantisch. Der Platz ist tatsächlich sehr schön gelegen, doch gegen Abend erscheinen überfallartig Unmengen von Pferdefliegen. Ich kann die Autotüren gar nicht so schnell schließen, als dass nicht doch mindesten zehn dieser lästigen Tiere Besitz von meinem FidiBus ergreifen sofort stürzen sie sich auf die Fenster und wollen wieder raus. Ein Wunsch, den ich ihnen gern erfülle. Doch kaum lasse ich sie zum einen Fenster raus, wollen sie zum anderen schon wieder rein. Blödes Viechzeug!

Die Sonne geht im See unter und lässt Himmel und Wasser in allen Schattierungen die man sich von gelb über Rot bis zum Violett vorstellen kann. Mit meiner Drohne gelingen mir tolle Aufnahmen dieses ungeheuren Farbenspiels. Lange sitze ich noch draußen und beobachte Seeschwalben beim Fischen. Mit einer unbeschreiblichen Wendigkeit bringen sie sich in Position um dann blitzschnell im Sturzflug ins Wasser zu stoßen und mit ihrer Beute in die Lüfte verschwinden. Ich könnte ihnen noch Stunden dabei zuschauen. Doch es wird kalt und ich ziehe es vor ins Bett zu gehen.

Am nächsten Morgen breche ich früh auf. Ich möchte bis The Pas fahren. Das ist keine große Strecke, könnte jedoch umso mühsamer werden, da ich mich plötzlich nicht wohlfühle. Beim Aufstehen merkte ich bereits, wie mir schwindelig wurde und ich mich festhalten musste um nicht umzufallen. Auch mein Magen spielt verrückt. Oha, wenn ich mir da mal nicht irgendetwas eingefangen habe. Vielleicht habe ich das Obst nicht vertragen. In The Pas angekommen ist mir die dortige Erzmine erst einmal Wurscht. Ich brauchce dringend einen McDonalds oder Tim Hortens. Nicht um etwas zu mir zu nehmen, eher das Gegenteil ist angesagt. Am Ortsausgang gibt es ihn endlich das gesuchte Feinschmecker-Lokal. Ich blockiere gefühlt für Stunden den „Washroom“ und traue mir ffür die nächsten dreieinhalb Stunden nicht aus dem Laden. Zwei Kola sollen mein Leid lindern. Wenigstens ist das WiFi gut genug um meine Bilder in die Galerie hochzuladen. So ist die Zeit wenigstens nicht vertan. Dann traue ich mich doch wieder heraus und entschließe mich, den Ort zu erkunden. Ein wirklich trostloser Ort. Geschlossenen Geschäfte, die Hauptstraße ist verlassen in den Nebenstraßen ist nur dort Leben, wo es einen Supermarkt gibt oder eine Junkfood Bude. Die Menschen, meist indigener Herkunft, sind unheimlich Fett, besonders bei den Kindern fällt mir das auf. Was mir auch noch auffällt sind die vielen Zahn- und Tierkliniken. Allerdings ist dies nicht nur hier so, sondern in fast jeder Stadt. Doch nun möchte ich den Grund wissen. Ich kehre zurück zu meinem McDonalds Gourmet Restaurant, es muss schon wieder sein, meine Därme geratenen wieder Streit. Als ich diesen geschlichtet hatte, frage ich einen Mann, von dem ich vermute, dass er mir eine Erklärung liefern kann. „Jaaaaa“ sagt er „alles was man bezahlen muss gibt es reichlich. Zahnärzte Physiotherapeuthen, Tierärzte. Einen Arzt jedoch sucht man vergeblich. Dafür muss man dann schon vierzig Kilometer nach Flin Flon fahren. Ärzte arbeiten nicht gern hier draußen. Hier gibt es nichts zu verdienen. Es gibt keine Privatpatienten und die Einnahmen aus der Sozialkasse sind denen nicht genug.“ Alle verdienen ihr Brot hier in irgendeiner Art und Weise mit der Kupfermine. Viel gibt’s da nicht zu verdienen. Die Lohne sind niedrig. Korona habe die Lage noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon war. Ein Indiz ist die lange Schlange vor dem Sozialbüro.

Ich fahre heute nicht mehr viel weiter, befrage meine App nach einem geeigneten Platz und werde in dem Ort Cranberry Portage fündig. Auf einem vermeintlichen Campingplatz suche ich mir eine Stelle direkt am Goose Lake. Mein Magen hat wieder Frieden mit mir gschlossen und so schlafe ich heute gut und schnell ein.

Ich wache auf, weil die Sonne in mein Fenster scheint und es schon früh am Morgen warm wird. Während beim Frühstück sitze kommt eine junge Frau zu mir rüber und nach dem üblichen woher, wohin erklärt sie mir, dass sie das Townoffice sei und ich im öffentlichen Park campe. Der Gemeindecampingplatz befände sich hundert Meter, in Sichtweite. Aber es sei ja schließlich nicht verboten auf öffentlichen Plätzen für eine Nacht zu stehen und das sei schon in Ordnung. Wenn ich möchte, schließt sie die Dusche für mich auf. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Nach einem eineinhalbstündigen Gang durch einen Mücken- und Zeckenwald kommt mir die Dusche wie gerufen. Die nächste Station ist Flin Flon. War The Pas schon trostlos, so war dies die Steigerung. Ein völlig marodes Hotel bot keinem Gast mehr Herberge, ein weiteres war nicht viel Vertrauen erweckender. Im Erdgeschoss des Hotels befindet sich der Marihuna Shop. Einige bekiffte Gestalten unterschiedlichen Geschlechts , Altersund Herkunft hocken davor. Und unterhalten sich mit weit ausholenden Gesten. Der Ort ist grau. Erinnerung an graue Häuser der DDR tauchen vor meinem inneren Auge auf. Es scheint mir so unwirklich, wie in einem Science Fiction Film über den Untergang der Zivilisation. Es ist nicht nur grau hier sondern grauenhaft. Die Kupfermine erstreckt sich über eine weite Fläche. Wie alle Minen ist auch sie unzugänglich. So versuche ich mir in dem Museum einen Eindruck zu verschaffen. Das Museum erweist sich als ein Flopp. Es ist eine ungeordnetes Sammelsurium allermöglichen Dinge aus dem Haushalt, der Eisenbahn und einer eigenen Abteilung über die Geschichte der Mine. Wenigstens etwas, womit ich einen groben Eindruck bekommen. Das Erz wird hier sowohl im Tagebau als auch unter Tage abgebaut und in der Hütte vorort verarbeitet. Das Erz bringt vielen Menschen der Region Geld, aber es bringt keinen Wohlstand.

Mit der Stadt verlasse ich auch Manitoba. Flin Flon liegt mitten auf der Grenze. Auf der anderen Seite ist Sasketchewan.