Mit dem Bulli durch's Land der Bären und Wölfe

Beinahe verhaftet

Heute also verlasse ich Prince Rupert. Am Ortsausgang steht ein junger Mann mit Hund und Rucksack. „Wohin möchtest du?“ „nach Terrace“. Ich schaffe Platz und beide steigen vorn ein. Der Mann ist schlank, hat ein fein geschnittenes Gesicht, fröhliche Augen und einen Dreitagebart. Auf dem Kopf trägt er eine Kappe, wie sie oft bei den Landwirten getragen wird. Der Hund ist ein Mischling namens Goofy, so groß, dass er sich ganz schön zusammenrollen muss, wenn er bei seinem Herrchen sitzen will. Er will.

Er sei Landwirt, hielt Geflügel und nachdem er sich im Sommer von seiner Freundin getrennt hatte, die immer nur neue Arbeit für ihn hatte, tagein tagaus, da hätte er sich auf und davon gemacht um ein paar Monate einfach durch das Land zu tippeln. Er erzählt mir die Geschichte, wie eines Tages die Raben sein ganzes Essen gestohlen haben und ein alter Mann ihn daraufhin mit einer großen Tüte Lebensmittel aus dem Garten und aus der Laden geholfen hat. „Mann ich sage dir, das war gut gemeint, aber ich musste alle tragen!“. Eineinhalb Stunden erzählt er ohne Pause. Nur hier und da frage ich, wenn ich etwas nicht verstanden hatte und natürlich interessiert mich, wie er ohne Arbeit durch das Leben kommt. „Oh, no problem“. „Das Geld liegt in BC auf der Straße, du musst es nur einsammeln“, so lautete seine Antwort und dann erzählt er mir von seinem Hund. Mit ihm führe er in der Ortschaften Tricks vor. Er spring auf seine Schulter, stellt sich tot, gibt ihm Küsschen auf die Wange und noch vieles mehr. Manchmal machen sie damit mehr als einhundert Dollar die Woche.

Kurz vor Terrace eröffnet er mir, dass er hofft, seine Freundin hätte die Farm gut verkauft. Er liebe sie noch immer. Sie sei eine tolle Frau, aber sie habe eben immer nur Arbeit im Kopf. „Das ist doch nicht richtig“. Er wird sich eine Cabin bauen und sein Geld damit verdienen, für die alten Leute Feuerholz zu machen, es zu spalten und zu verkaufen. Das Geld liegt auf der Straße und im Wald.

In Terrace, gibt er mir als Bezahlung noch eine Vorstellung. Ich lache mich über die Kapriolen seines Hunde kaputt. Er singt oder besser jault mit ihm ein Lied und läuft dabei zweibeing herum. Er springt Danny auf die Schulter und lässt sich wie einKind auf den Schultern seiner Eltern herumtragen und küsst Danny dabei auf die Wangen immer links und rechts. Zum Abschied hockt sich Goofy vor mich, sitz auf seinem Hintern, bei de Pfoten streckt er in die Luft und beginnt mich mit kreisrund geformter Schnauze anzujaulen und dann winkt er. Ich winke zurück, steige in meinen FidiBus, lasse Danny noch eine Dose Bier zurück und mache mich davon.

Mein Ziel ist das einhundertfünfzig Kilometer entfernt Gingolx oder auch Kincolith.am Portlandfjord, nur wenige Kilometer südlich der Grenze zu Alaska. Der Weg dorthin auf dem Highway einhundertdreizehn führt durch große Lavafelder eines Vulkans, der 1700 mit seinem Lavasstrom mehrere Dörfer der dort leben den Nisga’a First Nations unter sich begrub.

Luftaufnahme des großen Lavastromes

Auf dem Weg liegen ebenfalls heiße Quellen, auf die ich mich wirklich freue. Ein Bad täte mir mal wieder gut. Kurz vor Gingolx steht der Bau des Niga’a Museums. Es ist ein sehr moderner Bau, wie er in jeder großstadt hätte stehen können. Keinesfalls hätte ich so etwas hier

Die Hohlraum in der Lava ist der Abdruck eines umflossenen und verbrannten Baumes

erwartet. Das Museum ist geschlossen. Auch die heißen Quellen sind mit einem Tor verschlossen und es sieht so aus, als würde dieses Tor in diesem Sommer auch nicht mehr geöffnet. Am Ende des Tals, Am Fjord gelegen fahre ich von den Hügeln hinunter in Dorf. Hier, wie auch in den vorherigen Dörfern leben fast ausschließlich First Nations, die einst von ihren Feinden als Skalpjäger sehr gefürchtet waren.

Der Campground befindet s

olithBlick auf Ginglox (Kincolith)

ich außerhalb des Dorfes, neben einem Parkplatz zwischen alten Zedern an einem kleinen Fluß, der hier in den Fjord mündet. Später kommen noch zwei Männer aus Montreal, die im Fluss Lachse fischen waren und hier die Nacht verbringen wollen. Da ich das letzte Feuerholz in dem Holzschuppen für mich bereitgelegt habe, aber mein Essen bereits fertig war, biete ich ihnen mein Feuerholz an um ihren Lachs zu grillen. Doch stellt sich heraus, dass sie noch genügend Holz im Auto hatten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, mir ein Stück ihres Lachfilet anzubieten. Auf dem Rückweg beschließe ich, es noch einmal im Museum zu versuchen, es sollte geöffnet sein.

Eine junge Nisga’a First Nation begrüßte mich und bot mir eine Führung an. Das Angebot nahm ich gern an.

Das Niga’a Museum

Sie erzählte von den Bräuchen ihres Volkes und den verschiedenen Riten, den Schamanen und den „supernatural spirits“. Anfangs las sie Zeile für Zeile von einer Karteikarte ab. Erklärte mir bei Fragen zu bestimmten Bedeutungen der Masken, dass es ich um Artefakte eines anderen Stammes handele und sie darüber nicht erzählen dürfe. Die Nisga’a kennen leben nach den Regen iherer Spirituellen Leittiere Wolf, Frosch, Rabe und Grizzly daneben auch Schwertwal, Adler und Biber. Sie sei Wolf und somit sei es ihr nicht erlaubt die Geschichte der anderen Clans zu erzählen. Ich merke, wie sie von ihren Karten löst. Ihre Stimme füllt sich ,mit Leben und sie zieht mich hinein in ein Welt der Mythen. Sie berichtet von ihrer Familie, die Rolle der Frauen und dass jedem Stamm, jedem Clan neben einem männlichen Häuptling auch ein weiblicher Häuptling vorsteht . Die Gesellschaft ist matrilinear geordnet. Es ist nicht erlaubt innerhalb desselben Clans zu heiraten, doch gehören die Kinder jeweils dem Clan der Mutter an. Immer lebhafter wird ihre Geschichcte und dann erklärt sie mir, dass auch sie auserwählt wurde, eine Sigidimhanak, ein weiblicher Häuptling zu sein. Dreimal wurde sie im Wasser des Flusses geweiht. Ihr Großvater musste für zwei Wochen allein in den Wald, und durfte solange nicht sprechen. Nach dem dritten Mal legte man ihr einen flachen Stein unter die Zunge, der sie daran erinnern sollte, welche Last sie zukünftig als Häuptling zu tragen habe. Weder am Tag noch in der Nacht durfte der Stein herausgenommen werden. Als ihr Großvater zurückkehrte, brachte er eine hölzerne Nadel mit, durchstach ihr das Ohrläppchen und überreichte ihr ein paar silberner Ohrringe. Jedes Jahr werden die Ohrringe schwerer, jedes Jahr wird die Last ihrer Verantwortung größer.

Als ich sie nach den Ort frage an dem ihr Volk das berühmte Fischfett herstellte und wo man den hierfür benötigte Fisch Oolith fing, bietet sie mir an, mir in ihrer Mittagspause diesen Ort zu zeigen. Eine fatale Entscheidung, wie sich zeigen sollte.

Fishery Cove, Ort der Oolith-Verarbeitung

Wir gehen als in ihrer Pause zu meinem FidiBus, sie steigt ein und wir fahren hinaus zu einem Platz, wo wir FidiBus abstellen. Der Weg durch den Wald ist stark vom Unterholz überwuchert.

Ich frage sie, danach welche Geschichte erzählt wird davon, wie die Menschen auf die Welt kamen und sie erzählt von ihrem Gott, dass die Welt einst ohne Licht war und nur durch einen schwachen Schein, dem Mondlicht gleich, das Dunkel durchbrach. Es gab noch kein Land und Gott entschied sich einige seiner Helfer in Tiergestalt auf die Welt zu schicken um die Welt bewohnbar zu machen. Die göttlichen Tiergestalten wurden schwanger und gebaren Menschenkinder und als letztes brachte der Gott über allen Göttern das Licht. Es gibt weitere Erzählungen, wie sie bei anderen Clans erzähl t werden, doch darüber könne sie nicht sprechen. Doch dann denkt sie nach und entschließt sich nicht die Geschichte der anderen Clans zu erzählen sondern nur zu erzählen wo sich deren Geschichten von ihrer unterscheidet Wir kommen auf eine Lichtung und vor uns tauchen halb verfallene Hütten auf. In der größten Hütte stehen zwei hözerne Tröge, etwa zwei mal drei Meter lang und cirka achtzig Zentimeter hoch. Hier wird der Oolik langsam gekocht und dabei stetig gerührt, bis das Fett an die Oberfläche kommt. Das kann Tage dauern. Am Schluss lässt ma den Brei abkühlen und schabt das Fett ab. Drei Mal wird der Prozess wiederholt, wobei sich das Fett immer dunkler verfärbt. Das fertige Fett dient als Nahrungsmittel zu Fisch, man verwendet es zum Backen und Kochen aber auch als Medizin. Mit einem Sack neuen Wissen steigen wir in den FidiBus und fahren zurück ins Museum. Vor dem Museum steht ein Polizeifahrzeug und ich frotzele „die warten schon auf mich“. Und so war es! Die Leiteren befiehlt meiner Begleiterin unverzüglich in ihr Büro zu kommen, während der Polizist sehr bestimmt meine Papiere verlangt. Aus dem Büro der Custodin höre lautes Gebrüll und verstehe die Worte „Vergewaltigung“, „Entführung“ und „ You are out“ Verlasse auf der Stelle das Büro und das Museum. Ach herrje, was wird daraus werden. Ich sehe mich bereits in Handschellen in irgendeinem Lokalgefängnis bei dünner Suppe und pappigem Brot. Die Custodin kommt aus dem Büro auf mich zugestürmt, hinter ihr bitterlich weinend meine Gästeführerin. Ich werde angebrüllt, wie ich dazu käme, eine Angestellte, noch dazu eine junge hübsche Indigene aufzufordern mit ihr in den Busch zu gehen um angeblich ein Fischdorf zu besichtigen. Irgendwie gelingt es mir, dass das Gebrüll zu durchdringen und bitte sie in ruhigem Ton weder mit mir noch mit ihrer Angestellten in diesem Ton zu reden. Die Junge Frau schafft es daraufhin ihr zu erklären, dass sie es war die den Vorschlag machte und dass es doch in ihrer Freizeit geschah.

Der Polizist mischt sich nun ein. Ich habe nichts zu befürchte, ich habe nichts falsch gemacht und dann klärt er mich auf: Diese Gegend und die Highways #113 und #16 tragen den Beinamen „Highway of tears“. Mehr als vierzig überwiegend indigene junge Frauen verschwanden auf dem Highway #16 und in angrenzenden Regionen. Einige wurden ermordet, ander gelten noch heute als vermisst. Ich erinnere mich an die Plakate, die ich entlang des Highways immer wieder sah und auf denen junge Frauen als vermisst gemeldet wurden, zwei davon stammten aus diesem Jahr und dann erinnere ich mich an die Geschichte des jungen Mannes, der in Watson Lake in mein Auto stieg und die er von seinem vermissten Bruder erzählte. Beinahe alle Fälle blieben unaufgeklärt.

Deshalb habe die Direktorin und Kustodin des Museums den Fall als Entführung an die RCMP gemeldet. Da ich die junge Frau ja offensichtlich gesund und wohlbehalten zurückgebracht habe, sei der Fall für ihn abgeschlossen.

Ich fuhr das weinende Bündel Mensch anschließend die kurze Strecke nachhause. Unter bitterem Schluchzen erklärte sie mir, sie habe keine Wut auf Mrs. Schober aber die Scham und die Enttäuschung wäre so schmerzhaft. Wut sei ein sekundäres Gefühl, dass nie über das wahre Gefühl herrschen dürfe, Scham komme aus der Seele

Ich habe mir die Email-Adresse der Direktorin geben lassen und schrieb ihr gleich am nächsten Morgen von einem Campground bei Hazelton eine Mail in der ich mich für den Vorfall entschuldigte. Ich Verständnis für ihre Reaktion und ihren Auftritt als Sorge um das Leben der Frau interpretiert. Gleichzeitig bat sie um die Wiederbeschäftigung der Gästeführung und appellierte daran, dass die Sorge um ihre Angestellten auch die Sorge um ihre sozialen Verhältnisse umfassen sollt. Die sehr freundliche Antwort kam prompt. Für ihren Ton entschuldigte sie sich. Sie habe die Angelegenheit an die Personalabteilung weitergereicht und deren Entscheidung bleibt abzuwarten.

In mir bleibt ein düsteres Bild von einer indigen Frau, stolze Vorsteherin eine Clans, die von der großen weißen Frau in Grund und Boden gebrüllt wurde.

Ja, das war nun das Update für das ich mich zwei Tage auf einem wunderschönen Gemeinde-Campground der Widzin First Nation zurückgezogen habe.

Morgen werde ich gemächlich weiterziehen und ich wünsche mir, dass auf dieser Reise nie wieder ein Mensch direkt oder indirekt durch mich zu Schaden kommt.

1 Kommentar

  1. Bärbel Peters

    Lieber Matthias,
    hier spricht endlich mal Deine Nichte Bärbel. Ich hatte anfangs probiert über mein Telefon Deine Sachen zu lesen, und da war immer ein Teil abgeschnitten, sodass ich dachte, dass es nicht richtig funktioniert, um dann zu erkennen, dass es mit dem Tablet aber geht. So werde ich nun wohl mehr von Deiner Reise mitbekommen. Wie schön. Und dann lese ich natürlich die aktuellste Geschichte zuerst und denke mir, was für ein Glück es ist, dass die Geschichte für Dich so ausgegangen ist und hoffe, dass die indigene Frau hoffentlich weiter arbeiten darf. Sehr berührend. Mami hat mir zwischendrin immer ein update gegeben.
    Wir sind gerade in Emden bei den Schwiegereltern und geniessen den Spätsommer. Hier ist es nicht so trocken geworden , wie in den anderen Teilen Deutschlands, was ganz schön ist. Uns geht es ausgesprochen gut. Wir haben mit unserem Ford Nugget und 2 Zelten 14 Tage in Südfrankreich verbracht, was sehr schön war.
    Ich werde mich nun mal über Deine anderen Erlebnisse hermachen, zumindest bis es Mittagessen gibt. Netti zieht mal wieder alle Register.

    Erleb weiterschön, ich werde mich ab nun wohl öfter mal zu Deinen Erlebnissen äußern.
    Sei geherzt von Deiner Bärbel

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