Mit dem Bulli durch's Land der Bären und Wölfe

Monat: Juli 2022

Groundcontroll, we have a problem

Beim Frühstück sind Marielle und Helmut und ich sind uns einig, dass ich für den Dempster Highway ein Ersatzrad benötige. Meines ließ ich zuhause, da die auf dem Auto montierten Reifen größer sind, als das was ich zuhause als Ersatzreifen hatte. Er passte nicht in die Halterung.

Auf dem Dump, also der Mülldeponie sollte ein passendes Modell samt Felge zu finden sein, doch es scheiterte an der Felge. Die Schreibenlöcher waren um ein paar Millimeter versetzt. Doch ein Freund von Helmut hat einen passenden Reifen und den leiht er mir kurzerhand aus. ich sollte ihn später in Whitehorse bei seinen Freunden wieder abgeben.

Der Dempster Highway erweist sich als eine einzige Katastrophe. Rauher, ausgefahrener Schotter, tiefe Schlaglöcher und Waschbrettpiste. Es ist spät und nach hundertachzig Kilometern suche ich mir einen Schlafplatz.

In der Nacht beginnt es zu regnen und bis zum Morgen wird der Regen immer heftiger. Aus der Staub- wird eine Schlammpiste, auf der die Räder nur schwer die Spur halten können. Auf einem Rastplatz stehen vor dem Toilettenhäuschen drei Motorräder und aus dem Häuschen wehten Gespächsfetzen zu mir herüber. Da wollten sich drei Biker vor dem Regen und der Kälte schützen. Ich rief hinüber, sie könnten sich gern bei mir im Bus aufwärmen und wenigstens einer der Biker nimmt mein Angebot dankend an. Der arme Kerl war halb erfroren. Ich schmiss meine Heizung an, er konnte seine Klamotten ein wenig trocknen und einen heißen Kaffee trinken.

Dreißig Kilometer vor Eagle Plains, der halben Strecke nach Inuvik, höre ich rechts ein ungutes Klopfen, das von nun an immer heftiger wird. Erst vermute ich einen Stein zwischen Felge und Radkappe, dann aber wird klar, es ist am Rad. Radlager? Gelenkwelle? Das Schlagen ist jetzt so laut und metallischc, dass ich froh bin in Eagle Plains angekommen zu sein. Hier gibts ja eine Werkstatt. Die jedoch erwies sich als wenig hilfreich. „Only tires“. Mechanik sei nicht ihr Ding. Aber ich darf ihre Wagenheber nutzen, baue das Vorderrad ab und erkenne – nichts. Radlager okay und Gelenkwelle auch. Also weiter. Das Geräsch schie weg. Doch dann, nach zehn Kilometern war es wieder da, diesmal heftiger als zuvor. Mir bleibt nur eine Option: Ich muss irgendwie versuchen, die vierhundertdreißig Kilometer zurück nach Dawson City zu kommen. Es ist drei Uhr nachmittags. Bei fünfzig Stundenkilometern kann ich das bis Mitternacht schaffen. Das Schlagen tut mir nun selbst weh. Ich halte an, bocke den Fidibus hoch, baue das Rad ab und nun erkenne ich das Problem in seiner ganzen Tragweite. Der Bremssattel ist total locker und schlägt auf den Rand der Bremsscheibe und auf die Scheibennabe, die bereits deutliche Schleifspuren zeigen. Das sieht böse aus. Ich setze meine Fahrt fort und vermeide jegliches Bremsen, das muss von nun an der Motor machen und erst im ersten Gang nutzeich die Handbremse. Zum Glück gibt es so gut wie keinen Anlass zum Bremsen. Ich scheine der einzige zu sein, der um diese Zeit noch auf der Piste ist. Um ein Uhr fahre ich verspannt, erschöpft und hundemüde durch das Tor des Flughafens von Dawson, das mir Helmut bereits gezeigt hatte und das immer offen ist, da der Antrieb für den Schließmechanismus defekt ist. Vor Helmuts Flugzeughangar stelle ich den geplagten FidiBus ab und schlafe augenblicklich ein.

Um neun Uhr rufe ich Helmut an und als er sich das Problem anschaute, war ihm schnell klar, dass er das hinbekommt. Die Führungsbolden der Bremse waren beide so locker, dass die Führung völlig ausgeschlagen war. Aus einem Stück passendem Rohr

schnitt Helmut zwei Muffen, presste diese über die Führungsbolzen und das ganze zurück in die Führung. Das Spiel war deutlich geringer und der Sattel konnte nun nicht mehr auf die Scheibe schlagen. Dennoch, ein neuer Sattel wäre das Beste. Ein neuer Bremssattel für meinen FidiBus waren ins ganz Kanada nicht aufzutreiben und auch die Beläge sind nur in den USA zu bekommen. wir bestellen zwei Sätze und lassen sie nach Whitehorse fliegen. Meinem Freund Helmut und seinem Geschick, was mechanische Dinge anbelangt, egal ob Auto Flugzeug oder was immer mechanisch defekt ist, habe ich es zu verdanken, dass ich die Reise vorerst wie geplant fortsetzen kann.

Es geht wieder weiter!

Über Forty Miles und Eagle fahre ich nun auf dem Top of The World Highway weiter nach Haines Junction und Whitehorse

Es geht wieder weiter!

Es erwarten mich nette Menschen, Trump Fans, eine sehr ausgefallene Bar und schöne Wanderungen. Also dran bleiben!

Das Pitt

Das Pitt, die zweite Auflage

Juli 2022

Wie jeden Morgen nehme ich mir auch heute die Zeit für ein gemütliches Frühstück. Der Regen, der mich nachts in den Schlaf trommelte hat aufgehört. Es sieht nach einem schönen Tag aus. Halb elf mache ich mich auf den Weg zur Fähre über den Yukon nach Downtown und fahre , wie von Helmut beschrieben, auf der Frontstreet bis Harper Street und dann auf dieser Straße den Berg hinauf bis direkt am Wald sein Haus in Sicht kommt. Es hat sich nicht verändert. Das Holz der Außenwände ist grün gestrichen, die Laibungen der Fenster und Türen sind beige. Bereits von außen strahlt es diese warme Atmosphäre aus, die ich schon 2015 bei meinem ersten Besuch mit Gitte erlebte. Der Tag fliegt mit Erzählen dahin und ehe wir uns versehen ist es sechs Uhr abends. Helmut und Marielle haben eine Einladung zu Nachbarn und ich mache mich auf den Weg in die Stadt. Mein Weg führt mich vorbei an einem Haus, das mal eben so von seinem Fundament gehoben und zur Seite geschoben wurde, um den Keller ein wenig tiefer zu legen. Mit mir bewunderte ein weiterer Mann die Baustelle. Wir kommen ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass er für Ärzte ohne Grenzen den Winter über nach Inuvik zieht und dort die mobile Praxis übernimmt. Es gibt viel zu erzählen. Er war im Afghanistan, in Sambia und zuletzt in Syrien. Besonders in Syrien ist die Lage so, dass immer noch nur sehr vereinzelt Helfer ins Land gehen. Zu schnell wird man vom IS als Unterstützer des amerikanischen Feindes gesehen. Wir entschließen uns, unser Gespräch im Pitt fortzusetzen. „Jamie“ und ich entschließe mich zu einem „Matt“, denn so kürzt hier ohnehin jeder meinen Namen ab. Über seine Eltern hat er irakische Wurzeln. Sein Vater war in die USA eingebürgert, seine Mutter ist Kanadierin und somit hatte er beide Staatsbürgerschaften. Schon früh legte er jedoch die amerikanische Staatsbürgerschaft ab, da er das Gefühl hatte, nicht von dieser Gesellschaft akzeptiert zu werden. Für die Amerikaner war ein „Hispano“ oder „Black“.

Inzwischen traten fünf junge Frauen singend und lachend, gekleidet in eine weiße Toga durch die Türe. Schnäpse in kleinen Flaschen wurden verteilt, wahrscheinlich ähnlich unserem „Kleinen Feigling“ oder anderem alkoholischen Süßkram, die Stimmung steigt merklich. Irgendwann kann ich meine Neugier nicht mehr im Zaume halten und frage nach dem Grund des Frohsinns. Eine Bridal Party erklärt man mir, also Junggesellinnenabschied! Das Gespräch mit Jamie wird der Aufmerksamkeit geopfert, die der Fortgang des Ereignisses erfordert. Irgendwoher taucht plötzlich Sprühsahne auf, der Tisch wird damit dekoriert und so geschmiert, wird die Braut über den Tisch gezogen. Mahlzeit! Hoffentlich ist das kein schlechtes Vorzeichen. Unter lautem Gegröle stellt sich eine weitere Frau in Arbeitsjeans und und Malerjacke in die Türe, zieht die Jeans über ihren Po und lässt den Vollmond dreimal scheinen – ein übliches Ritual erklärt man mir. Ja so sans, ja so sans, ja so sans die jungen Yukonleit …

Nach dem obligatorischen Caesar und zwei Bier kehre ich zurück zu Helmuts Haus. Es ist zwei Uhr nachts, es ist hell und ich lege mich in mein Bett und schlafe sofort ein. Um zehn Uhr möchte ich mich auf dem Dempster Highway nach Inuvik aufmachen.

Doch es kommt anders als gedacht.

Vom Verlust und dem glücklichcen Ende

Der Weg nach Dawson City verläuft über die Takhini Hot Springs. Ehemals ein kleiner Platz mit einer heißen Quelle, in der man für zwölf Dollar fünfig baden konnte. Heute ist daraus ein Ressort geworden. Hotel, Bad und Freizeiteinrichtung. Preis für ein zeitlich begrenztes Badevergnügen: beinahe dreißig Dollar. Da springt mich dann doch der Geiz an. Ich setze meine Route ungebadet fort. Am Lake Laberge mache ich an einem Campsite halt um ein paar Film- und Fotoaufnahmen von dem See zu machen, an dem Gitte und ich auf unserer Yukan Kanutour das erste Gefühl von Wildnis hatten. Erinnerungen kommen auf und wieder schleicht sich ein dicker Klumpen meine Kehler herauf. Plötzlich bekomme ich das Gefühl ganz schnell von hier fort zu müssen. Zurück auf dem Highway geht es mir wieder besser.

In Braeburn Lodge mache ich eine Pause für einen Kaffee und ein Cinemon Bun. Was ich da auf den Teller bekam haut mich um. Eine riesige Zimtschnecke, überzogen mit Zuckerguß und Honig. Nach einem Viertel schließt der Pförtner meines Magens die Tore. Ich packe mir den Rest ein. Die nächsten vier Tage werde ich davon zehren. Am Abend dann bin ich Carmacks. Die halbe Strecke nach Dawson ist geschafft.

Der nächste Tag beginnt mit Aufräumen. Es ist nötig. ich finde nichts mehr. Ja, wirklich MEINE VIDEOKAMERA IST WEG!!
Wo ich auch suche, ich muss erkennen, ich habe sie verloren, weiß Gott wo. Frustriert und traurig mache ich mich auf den zwei Kilometer langen Weg in die Bar. Kurz vor dem Ziel, auf der Brücke über den Yukon, fanden die Synapsen auf einen Schlag eine Brücke in die Erinnerung. Lake Laberge! Genau dort legte ich sie auf einem Stein ab um die Hände frei zu haben für meinen Fotoapparat. Ich renne fast zurück zum Bus und fahre die einhundertfünfzig Kilometer zurück zum See. Voller Erwartung, und Spannung und dann – nichts! Weder auf dem Stein noch irgendwo anders kann ich die Kamera entdecken. Ich schreibe eine Nachricht um sie an der Infotafel des Campsites anzuheften und dann sehe ich es:


Das mit dem Anrufen ist nicht leicht, wenn man kein Netz hat. Die Oberbayern und Oberfranken kennen das. Ich fahre also wieder zurück auf den Highway bis ich wieder Empfang habe, doch niemand antwortet. die Nummer gehört zur Provinz Nunavut. Na gut also nach Inuvik in der Provinz North Western Territories/Nunavut und das ist ja ohnehin mein übernächstes Ziel. Mit diesem guten Gefühl fahre ich zurück nach Carmacks, schlafe mich aus und breche am nächsten Morgen nach Dawson Ccity auf. Zwischenzeitlich ist es mir auch gelungen die Nummer der Finder meiner Kamera anzurufen und mit der freundlichen Frau am anderen Ende vereinbare ich die Kamera auf meinem Rückweg in Whitehorse abzuholen, denn dort wohnt und arbeitet sie nun.

Die Fahrt nach Dawson City ist bescheiden. Der Klondike Highway ist zwar asphaltiert, doch der Asphalt ist mal wieder nur die Verbindung der zahlreichen Schlaglöcher. dazu Baustellen in denen ein Pilot Car als Lotse vorausfährt und den Weg durch Sand und Schlamm ebnet. Jetzt darf niemand anhalten, dann bleibe ich im Sand stecken. Es geht gut. Am Abend um neun Uhr komme ich in Dawson City an und mein erster Weg führt mich in die wohl authentischcste Kneipe Dawson Citys – ins Pitt.

Seit 2009 hat sich hier nichts verändert und ich glaube, hier hat sich noch nie etwas verändert. Es ist zu spät um noch bei Helmut aufzutauchen. Die Fähre bringt mich über den Fluss zum Gemeinde Campground. Helmut und Marielle sind morgen dran.

Auf den Spuren des Goldrush

Seit zwei Tagen bin ich nun in Whitehorse, der Hauptstadt der Provinz Yukon und es geht hier tatsächlsich sehr städtisch zu. Es gibt alles was man sich wünscht. Supermärkte, Baumärkte, Cafés ein sehr gutes Visitor Center mit einer Ausstellung über die Minen und die das Leben in der Natur.

Whitehorse, alles nur gemalt
Whitehorse Mainstreet

Leider wegen Corona geschlossen. Wie auch bei uns zuhause hat covid das Leben hier stark verändert. Viele Geschäfte mussten aufgeben, Vieles befindet sich gerade in der Phase des Wiedererwachens. Die Schutzmaßnahmen werden zwar offiziell gelockert, doch der größte Teil der Menschen trägt in geschlossenen Räumen noch die Schutzmaske. Niemand wird deswegen schräg angeschaut, man akzeptiert einander. Einige Geschäfte dürfen nur mit Maske betreten werden. Die Sorge vor erneuten Einschränkungen führt hier zu einer größeren Rücksichtnahme als bei uns, so jedenfalls ist mein Eindruck. Doch das nur als Randbemerkung.

Heute, am dritten Tag in Whitehorse beschließe ich nach Skagway in Alaska zu fahren. Vom Alaska Highway biege ich auf den Klondike Highway ab. Auf ihm bleibe ich für einhundertsiebzig Kilometer. Die Fahrt geht wieder in eine Landschaft voller Überrschungen. Die erste ist der Emerald Lake. In der Sonne leuchtet der See in unterschiedlichen Grüntönen, Folge des Kalkgesteins an seinem Grund, das aus ehemaligen Riffen gebildet wurde. ich erklimme einen Hügel auf der gegenüberliegenden Seite des Highways, der mir einen unverstellten Blick auf den See gewährt. Ich meine, unter dem Wasser noch die alten Riffe zu erkennen, doch die existieren längst nicht mehr.

Ein Stückchen weiter, kurz vor dem Ort Car Crossing befindet sich die kleinste Wüste der Welt. Aktive Dünen bilden hier eine Landschaft, die mich an die Raabjerg Mile in Dänemark erinnert. Eine Wüstenlandschaft mit Fichten. Spuren im Sand sind Zeugnis für die Nutzung dieser Dünen als Herausfforderung für die Quadfahrer. Doch heute ist Ruhe. Es ist ein beeindruckendes Bild. Vor mir die „Wüste“, im Hintergrund die Berge, deren Gipfel noch immer eine Schneehaube tragen. Eigentlich ist es keine Wüste, sondern der Grund eines Sees. Als die großen Glätscher der Eiszeit abschmolzen lagerte sich der mitgeführte Sand am Boden eines Sees ab. Der See verschwand, der Sand blieb.

Emerald Lake
Car Cross Desert, die kleinste Wüste der Welt

Im Ort Car Crossing (steht für Caribu Crossing) befand sich bis vor wenigen Jahren die Endstation der Whitpass Eisenbahn. heute ist dies ein kleiner beschaulicher Ort, mit dem altesten, dauerhaft betriebenen Kolonialwarenkaufhauses im Yukon Territory. Heute ist er einer der vielen Touristenfänger mit Arbeiten lokaler Künstler, T-Shirts und Souveniers aller Art.

Die kleine Dampflokomotive Duchess stellte einst die einzige Verbindung in Hinterland nach Atlin dar. Der Kaffe in der netten Bar ist so teuer, dass ich darauf verzichte.

Yukons ältester dauerhaft betriebener Genaral Store

Ich reise weiter. Immer wieder halte ich an um diese gewaltige Landschaft, die nun immer bergiger, wird zu bestaunen. Bennett Lake, Tagish Lake, Moon Lake, so groß wie der Bodensee liegen eingebettet zwischen den hohen Bergen. Spektakuläre Landschaftspanoramen lassen mich immer wieder anhalten und staunen. Dies ist wieder so eine Strecke auf der ich spüre, wie sehr mir ein Gegenüber fehlt, mit dem ich diese Begeisterung teilen könnte. Es bleibt aber nicht viel Zeit um Nachdenklich zu werden. Links am Abhang des Highways unterhalb des Montana Mountain entdecke ich eine alte, verlassene Förderanlage der Goldmine unterhalb des Gipefel und tatsächlich ist dort auch der Stollenmund zu sehen und Fragmente der Seilbahn, die das Erz zu Tal beförderte.

Föederanlage einer Goldmine am Montana Mountain
Förder- und Verladestation einer Goldmine am Montana Mountain

Ich sehe sie vor mir, die hunderten von Minenarbeitern, in abgerissenen Klamotten mit Schaufeln, Hacken und Picken, wie sie schwitzend die Grubenhunde auf die Rampe schieben. Blind für die Mühen und die Plackerei, das Leid den Schweiß und nicht selten den Tod durch Krankheit oder Unfall. Angetrieben durch die Hoffnung auf das große Glück, den unermesslichen Reichtum, den das Gold ihnen versprach. Ein Versprechen, dass nur selten eingehalten wurde. Und weiter geht es immer höher den Highway hinauf. Ein kalter und heftiger Wind treibt dunkle Wolken herbei. Kurz vor dem White Pass lege ich die Papiere für den Grenzübertritt nach Alsaka zurecht und versammle alles auf meinem Schoß. White Pass ist heute auch die Enstation, der nur noch für Touristen betriebenen Whitepass & Yukon Railway. Ich steige aus und schaue mir auf einer Tafel an, wie einst der Verlauf des Chilkoot Trail, jenes sagenumwobenen Weges über den die Stampeeders ihre Ausrüstung bis zum Lake Bennett schleppten um ihn dort auf Flöße und Boote zu verladen. Ja, ich muss die Büchccer von Jack London alle lesen. Jetzt, wo ich die Orte kenne, eine Vorstellung habe, von dem Leben der Männer und Frauen, die das alles auf sich nahmen und deren Schicksal so unterschiedlich verlief, möchte ich tiefer eintauchen und die Geschichte von Zeitzeugen erfahren.

Die Grenzstation Alaskas/USA liegt etwa zwanzig Kilometer hinter dem 1700m hohen Whitehorse Pass, der eigentlichen Grenze zwischen Canada und USA.

Panik! wo sind die Papierenicht auf dem Sitz, nicht auf dem Boden, nicht in der Seitentasche, nicht auf meinem zusammengeschobenen Bett. Weg! Stimmt, ich hatte sie auf dem Schoß, also müssen sie beim Aussteigen an der Tafel etwa zehn Kilometer zurück, herausgefallen sein. Da hilft kein langes überlegen. Ich wende auf dem Highway und jage zurück. Ich habe Herzklopfen. Der Kies knischt unter FidiBus‘ Rädern als ich auf dem Parkplatz auf die Bremse steige – Nichts. Dass sie jemand gefunden hat ist unwahrscheinlich, denn ich habe seit einer Stunde kein Fahrzeug mehr gesehen. In meiner letzten Verzweiflung durchsuche ich den Bus erneut. Da liegt die schwarze Mappe, still und unschuldig liegt sie im Fußraum des Beifahrersitzes. Das Fallen des Steines von meinem Herzen war sicher bis an die Grenz zu hören gewesen. Der Grenzübertritt war unproblematisch, aber es war wieder da, dieses Gefühl, das mich jedes Mal überfällt, wenn ich den Boden der USA betrete. Etwas flüstert mir ins Ohr „Ich möchte wieder zurück“. Doch ich höre einfach nicht hin. Am Abend bin ich in Skagway, ein Kreuzfahrtschiff macht sich gerade zur Abfahrt bereit. Die Stadt ist menschenleer. Wie eine Geisterstadt vergangener Zeiten. Morgen sage ich mir, ich schaue mir Skagway morgen an, wenn die Sonne scheint und ich ausgeruht und bin und dann trinke ich gemütlich irgendwo Kaffee und esse ein Croissont.

iOverlander wies einen Platz in der Nähe des Chilkoot Trails aus, der mich zum Übernachten einläd. Elf Kilometer geht es hinein in eine kleine Seitenbucht des Skagway Fjordes. Es ist einfach schön. In den Flats, einer Ebene, die vom Fluss und den Gezeiten gestaltet wurde, finde ich zwischen Kiefern einen Platz, der einfach zum Träumen einläd. So ziehe ich meine Wanderschuhe an, packe das Regenzeug in meinen Rucksack und mache eine Tour in die Flats des Taiya River. Einst stand hier der Ort Dyea mit etwa 10 Einwohnern. heute gibt es nicht mehr, als vermoderte Überreste der 2 Meilen langen Landungsbrücke vom Ort bis hinaus in die Bucht um das Be- und Entladen der Schiffe zu beschleunigen. Doch als der Steg fertig war, war der Goldrausch schon vorüber, der Ort wurde verlassen, und verfiel und verschwand vom Erdboden bis auf ein paar wenige Pfeiler der Landungsbrücke. Doch die Wolken werde dunkler und babld beginnt es zu regnen. Also gibt es heute kein Feuer, dafür Heizung im Bus, Bakes Beans mit Speck und bevor ich einen Absatz meines Buches gelesen habe, schlafe ich auch schon tief und fest.

Die Reste der einst 2 Meilen langen Landungsbrücke des Ortes Dyea
Wanderung durch die Flats des Taiya River

12. Juli 2022. Der Regen trommelt auf auf das Dach meines FidiBus als ich erwache. Also koche ich meinen Morgenkaffee im Bus, die Morgentoilette beschränkt sich heute auf’s Zähneputzen und dann fahre ich zurück nach Skagway. Ich staune nicht schlecht, als ich schon von Weitem vier Kreuzfahrtschiffe in dem kleinen Hafen liegen sah und ich staunte noch mehr, als ich sah, dass sich die Stadt von einem beschaulichen Ort in ein, von Touristen überschwemmtes Becken verwandelt hat. Nichts ist mehr beschaulich.

Kreuzfahrtschiffe auf dem Broadway von Skagway?
Skagways Broadway
die wirklich originellen orte Skagway befinden sich hinter den Fassaden
Im Red Onion Saloon. Die Mädchen sind aber weder für Geld noch für gute Worte zu haben

Babilonisches Sprachgewirr, Regenschirmgeschubse, und Sturm auf die Geschäfte. An jeder Ecke ein Juwelier, ein Souvenier- oder Klamottenladen und dazwischen ein paar Outdoorläden mit gutem Angebot für die vielen Wanderer, die auf den Spuren der Stampeeder den Chilkoot Trail wandern, um sich nach drei Tagen von Bussen wieder abholen zu lassen. Das ist eine wirklich herausfordernde Tour, doch muss heute niemand mehr nachweisen, dass er eine Tonne Gepäck zusammen hat, bevor er sich auf den manchmal im wahrsten Sinne des Wortes mörderischen Weg machte. Es war genau vorgeschrieben, was das Gepäck zu enthalten hatte. Butter, Fett, Schaufel, Pickel, Zelt und und und….
Der Weg musste mehrfach gegangen werden, um all das Gepäck auf die andere Seite des Passes zu bringen und der Weg war nur im Winter bei -50°C zu begehen. Bis zu dreißigtausend Männer und Frauen befanden sich oft in langer Schlange gleichzeitig auf dem Trail.

Also: Dann ist das doch fast so wie heute. Menschengedränge in den engen Gassen, Sprachgewirr, es wurde gekauft was ging, nur das Bordell ist außer Betrieb, wird aber als burleske Touristenattraktion für vornehmlich ältere Herrschaften mit kichernder Begleitung für zehn Dollar zur Besichtigung geöffnet. Es ist schhon allein der Bar wegen, der einzige Ort, an dem man in Skagway ausgefallen essen und trinken kann. Wirklich empfehlenswert.

Es hat geschneit und der Neuschnee liegt bis fast auf Meereshöhe. Ich fahre gegen Mittag zurück nach Whitehorse. Es schüttet, auf den Bergen schneit es. Es ist verrückt. Erst Feuer ohne Ende und nun Regen und Erdrutsche. Unterwegts schicke ich Lina und Philipp eine WhatsApp, dass ich am Abend um acht Uhr wieder in der Stadt bin und hoffe sie noch anzutreffen. Tatsächlich sind sie noch da. Sie freuen sich und wir verabreden und zum Essen, landen letztendlich wieder im Rib & Salmon, erzählen und haben wiedereinmal einen schönen Abend. Ich bin froh die beiden getroffen zu haben und ich glaube ihnen geht es nicht anders. Morgen brech ich auf nach Dowson City.

Also bis denne!

Auf den Alaska Highway nach Norden

Endlich zurück in der Natur

Es ist, ja welches Datum haben wir eigentlich? Mein Gott, wie mir doch die Zeit abhanden gekommen ist! Es ist Mittwoch der sechste Juni. Eigentlich ist das der Jour Fixe, an dem ich mit Cordula beim Schwarzbier im Rathausbräu so herzlich lachen kann. Gestern überschritt ich die Provinzgrenze von Alberta nach British Columbia und in Dawson Creek startete bei Kilometer Null meine Tour auf dem Alska Highway.

Kilometer Null des Alska Highway

Das klingt zwar nach Abenteuer, doch die ersten fünfhundert Kilometer sind genauso langweilig wie die davorliegenden sechshundert Kilometer in Alberta, Agrarflächen wechselten sich mit Ölfeldern ab und wieder verlief die Straße schnurgerade über manchmal mehr als fünfzig Kilometer. Die größte Abwechslung bot der Himmel, der in schnellem Wechsel von blau nach grau bis beinahe schwarz wechselte und wo Regen und Gewitter wenigstens hin und wieder für ein wenig Spannung sorgten. Doch nun bin ich hier. Das heißt, heute bin ich endlich in den Northern Rocky Mountains angekommen. Welch ein gewaltiger Szenenwechsel. Vor mir kreuzt eine Schwarbärin mit zwei Jungen die Straße. Noch bevor ich meine Kamera bereit habe sind sie im Wald verschwunden. Dann stehen zwei Karibus am Straßenrand und ein Deer, ein überdimensionales Reh, steht ganz ruhig vor mir, bis ich das Objektiv meines Fotos gewechselt habe, die Kamera „schussbereit“ hatte und … Wusch! War es davon gesprungen. Von Westen rücken die Berge immer Näher an den Alaska Highway #97. Erst sind es sanfte Hügel, doch dann werden sie höher und schroffer. Tief eingeschnittene Täler mit breiten Flüssen und immer höheren Bergen prägen nun meine Route. Es geht hinauf auf 1260m Meter zum Summit Pass, Die Baumgrenze ist hier fast erreicht. Auf den umgebenden Bergen sehe ich vereinzelte Schneefelder und am Horizont türmen sich wieder hohe Cumuluswolken. Ich ahne es, das nächste Gewitter zieht herauf. Es dauert keine zwanzig Minuten, dann ist der Himmel schwarz. Blitze zucken um mich herum und ich bin froh im Auto zu sitzen. Kurz hinter dem Summit Pass fahre ich auf einen Parkplatz und koche mir einen Kaffee. Als ich mich umschaue entdecke ich ein Wohnmobil auf IVECO – Basis. Eine Frau und ein Mann haben ihn aufgebockt und wechseln einen Reifen. Als ich das Kennzeichen sehe, kommen Heimatgefühle auf. Ein deutsches Kennzeichen LIP. Meine Hilfe wird nicht mehr gebraucht, mein Kaffee wird aber gerne angenommen. Es ist bereits ihre dritte Reifenpanne, jedesmal brach das Ventil und beim ersten Mal war der ganze Reifen kaputt, weil sie den Druckverlust nicht rechtzeitig bemerkten. Irgendwie hab ich mit meinem FidiBus da wohl mehr Glück (Tock, tock, tock auf Holz). Für den Abend habe ich mir einen Platz am Toad River ausgesucht, kurz vor Muncho Lake. Abseits des Highways ging es hinab zum Fluss. Ein toller Blick auf die Berge, ein Lagerfeuer, ein Bier, etwas zu essen und endlich fühle ich mich wieder gut, wieder draußen, wo ich ich mich an meiner Umgebung gar nicht satt sehen kann, wo außer dem Plätschern des Flusses, und ab und an Vogelgezwitscher nichts zu hören ist, was den Eindruck stört, abseits aller Zivilisation zu sein.

DCIM\100MEDIA\DJI_0008.JPG

Heute trage ich deas erste Mal mein Bärenspray bei mir, denn denn so weit abseits der Straße und mitten im Bärengebiet, in dem eben nicht nur die recht friedfertigen Schwarzbären herumstrolchen, sondern auch Meister Grizzly sein Revier beansprucht. Besonders, wenn fischreiche Gewässer in der Nähe sind, fühle ich mich doch mit dieser Waffe recht sicher.

Es ist viertel vor zehn, die dunklen Wolken haben sich verzogen und die Sonne beleuchtet die Berge. Es ist eine Pracht. Was wird mich in den nächsten Tagen noch erwarten?

Morgen bleibe ich vielleicht für ein oder zwei Tage am Muncho See. Mit seinem ungewöhnlich blauem Wasser und den vielen Trails, die von dort aus in die Berge führen, ist das auch für mich endlich wieder eine Gelegenheit mit Wanderstock und Rucksack loszuziehen.

So, jetzt gibt’s noch einen Whisky und dann schließe ich die Augen bis morgen früh.

Ein neuer Tag ist angebrochen. Es ist der neununddreißigste Tag meiner Reise im FidiBus und der neunundvierzigste, seit ich in Halifx angekommen bin. Geweckt werde ich durch die wärmenden Sonnenstrahlen und dem Gezwitscher der Vögel. Ein Feuer für den Kaffee ist schnell gemacht. Recht früh bin ich dann zurück auf dem Alaska Highway. Auf meinem Weg zu dem Lake Munchu fahre ich beinahe an einer Tankstelle mit Restaurant vorbei, doch ich bekomme noch zu rechten Zeit das Steuer herumgerissen. Alles sieht aus wie in dem 1940er Jahren, also stoppe ich dort und gönne mir einen Kaffee.

Es ist die erste von 14 Tankstellen die auf dem Alaska Highway errichtet wurden. Im Restauant erinnern zahlreiche Bilder, Werbetafeln und allerlei Gerätschaften an die Zeit diese Zeit. Es sitzen zunächst zwei abenteuerlich anmutende Mäner an einem Tisch und verdrücken ihr reichliches und gehaltvolles Frühstück. Später kommen drei Schweizer herein und es stelt sich heraus, dass sie für ein paar Jahre hier wohnen und in dieser Zeit in der nahe gelegenen Lodge arbeiten. Von ihnen erfahre ich das erste Mal von Feuern auf dem Campbel Highway, Genaueres gibt im Tourist Info in Watson Lake zu erfahren. Meine Fage nach dem WiFi Passort wird vom Wirt sehr harsch abgewiesen. Da nutzt es auch nicht, dass ich auf die große Schrift mit „Free WiFi“ am Fenster hinwies. Nein, das Passwort gibt er nicht heraus.

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass sich seit Alberta der Umgangston geändert hat. Es gibt kaum noch eine persönliche Ansprache. Beginne ich nicht das Gespräch, dann bleibt es still. Ich bekomme bereitwillig Auskunft, aber es ist schwer über diese reine Information im Gespräch zu bleiben. Darauf wurde ich schon in Halifax hingewiesen, aber oft sind diese Infos mit Vorsicht zu genießen. Für mich aber bestätigte sich diese Beschreibung. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass das Leben hier „städtischer“ ist als in den anderen Provinzen. Die Siedlungen sind dichter bewohnt und sie sind entweder durch grenzenlose Agarbetriebe geprägt oder aber durch Öl- und Gasförderanlagen, deren Siedlungen fast ausschließlich aus Wohncontainern bestehen. Hier auf dem Alaska Highway ist es wohl eher der zunehmende Tourismus, der die Menschen und deren Habitat verändert.

Am Lake Munchhu angekommen muss ich bestätigen, was der Reiseführer beschreibt. Ein unheimlich schöner Ort.

Lake Munchu

Der grüne See, blauer Himmel und im Hintergrund die schneebedeckten Berge, das ist wundervoll. Nur mit einem Übernachtungsort habe ich kein Glück. Hochwasser hat die von iOverlander ausgewiesenen Campsites überflutet und die kommerziellen Campingplätze sind teuer. Zu teuer. schweren Herzens fahre ich weiter und hoffe in Watson Lake einene schönen Platz zu finden.

Doch nun möchte ich erst einmal zu den Liard Hot Springs. Im Provicial Park bezahle ich acht Dollar für die Tageskarte und wandere vom Parkplatz hinauf zu den heißen Quellen. Sie liegen romantisch eingerahmt von dem Sumpfgebiet und den Bergen im „Tropic Valley“. Am Ende des Weges stoße ich auf die Anlage. Die Quellen wurden in einem Becken gefasst und ich bin (noch) der Einzige, der sich in die wirklich heißen Fluten stürzte.

Liard Hot Springs

Das Wasser ist, je nach Entfernung vom Zulauf, zwischen zweiundfünzig und fünfunddreißig Grad warm. Ach tut das gut. Meine Nackenschmerzen sind bald wie fortgeblasen. Ich steige später noch ein Paar Meter den Hügel hinauf und schaue mir die hängenden Gärten an, eine Blumenwiese auf Sinterterassen mit einem kleinen Wasserfall.

Auf dem Weg nach Watson Lake sehe ich das aus früheren Canadareisen bekannte Bild. Unter dunklen Wolken befinden sich rötlichgraue Schleier. Rauch! Und dann ist es auch schon zu riechen. Der Wald brennt.

Und noch etwas anderes bekomme ich zu sehehn, eine große Bisonherde. Im Gras liegt ein Bisonkalb und ich zücke meine Kamera, steige aus und will gerade loslegen, da sehe ich einen Bullen, der mich anschaut und dann auf mich zukommt und er beschleunigt. Ich auch und zwar in Richtung Auto, schwinge mich hinein und düse los, bevor der prächtige Bulle meinen Bulli auf die Hörner nimmt.

Respekt einflößender Bisonbulle am Wegesrand

In Watson Lake angekommen lasse ich mir den Signpost Forest nicht entgehen. Tausende von Schildern der Reisenden aus aller Welt wurden hier an Pfosten genagelt und der „Wald“ erweitert sich von Jahr zu Jahr. Den Anfang machte ein von Heimweh geplagter Soldat während des Baus des Alaska Highways.

Sign Post Forest

Der Rauch beiß im der Kehle und der Geruch nach brennendem Wald liegt über dem Ort. Ich beschließe, diese Nacht auf den Campingplatz des Provincial Parks zu gehen. Dort fühle ich mich vor den Waldbränden besser geschützt. Am Ortsausgang stehen vier Tramper. Ich halte an und frage sie wohin sie wollen. Nicht weit nur etwas zehn Autominuten entfernt. Ich lasse sie einsteigen, auch wenn ich anschließend wieder zurückfahren muss. Es stellt sich heraus, dass sie aus Regensburg kommen und wegen der Waldbrände ihre Kanutour auf dem Liard River hier beenden mussten. Der Campingplatz liegt ein gutes Stück vom Highway entfernt, mittem Wald an einem kleinen See. Ein Platz ist schnell gefunden und schon bald knistert mein Lagerfeuer. Ein junges Paar kommt an meinem Platz vorbei, Lina und Philipp und schnell sind wir im Gespräch. Sie befinden sich auf einer Weltreise mit ihrem Mercedes Sprinter. Ich hole ein paar kalte Bierdosen aus meinem Kühlschrank und ehe wir uns versahen ist es zwei Uhr nachts. beim Abschied beschließen wir bis nach Whitehorse gemeinsam zu reisen.

v.l.n.r. Philipp, ich, Artur, Lina

Zwischen Watson Lake und Whitehorse legen wir eine weitere Übernachtungspause ein. Auch heute wird es wieder spät. zu spannend sind die Gespräche, denn sie haben auf ihrer Reise vieles erlebt. Ihr Weg führte sie auch nach Kambodscha und so hatten wir viele Orte die wir gemeinsam und doch wieder anders erlebten. So wurde es wieder zwei Uhr nachts, bis ich ins Bett fand. Heute war eines der Biere wohl schlecht gewesen…

Am nächsten Morgen verabreden wir uns, in Whitehorse zusammen Essen zu gehen. Mit ihnen zusammen reiste seit einer Weile Artur, ein Franzose. Seine Art zu reisen ist schon Hardcore. Keine Technik außer einem Telefon. Kein Smartfone. Das muss man heute ja schon extra erwähnen. Er lebe beinahe sich ausschließlich von dehydriertem Essen erklärt er mir. Die meiste Zeit ist er zu Fuß unterwegs und auch er möchte nach Whitehorse und weiter nach Alaska. Da Philipp und Lina vor Whitehorse ein weiteres Mal übernachten wollen, biete ich Artur an, mit mir zu fahren. Nach Whitehorse sind es nur etwa zwei Stunden Fahrt und unterwegs unterhalten wir uns über dies und das. Wie entstanden die Berge, wie kam es hier zum Vulkanismus und vieles mehr möchte er von mir wissen, als er erfährt, dass ich Geowissenschaftler war. Als das Gespräch über Macht und nach seiner Meinung nach die besondere Macht der Frauen über die Männer ging, nimmt die Konversation etwas merkwürdige Formen an. Seiner Meinung nach zeigt der Feminismus, dass die Frauen vieles noch nicht verstanden haben und ihre Rolle genetisch festgelegt sei. Sein Weltbild kommt mir etwas konservativ frauenfeindlich und homophob vor. Nach ein paar erfolglosen Versuchen, ihn dazu zu ermuntern auch andere Argumente zu berücksichtigen beende ich das Thema und rate ihm in Whitehorse in der Tourist Information weitere Infos über Trails und Aktivitäten einzuholen. Doch in Tourist Infos ginge er nicht, er holt seine Infos von anderen Reisenden. Also empfehle ich ihm, sich ein Kanu zu leihen und nach Dawson City zu paddeln. Wie ich heute weiß, wird dies schwer, da die Feuer eine dichte Rauchwolke über den Fluß gelegt haben.

Auch meine Weiterfahrt nach Dawson City ist nicht gesichert. Einhundertsechzig Feuer sind auf dieser vierhundertzwanzig Kilometer langen Strecke registriert. Und wenn, kann man nur im Konvoi mit einem Lotsen fahren, muss aber mit langen Wartezeiten und möglichen Schließungen rechnen. Also entschließe ich mich dazu nach Skagway zu reisen und von dort aus mit der Bahn die sagenhafte Strecke hinauf zum White Pass zu fahren.

Whitehorse erscheint mir heute schöner als bei meinen letzten Besuchen und so werde ich nun noch ein wenig durch die Stadt gehen.

Whitehorse, Elliott Street
Whitehorse, Elliott Street

Also dann, schauen wir, was möglich ist.

Alberta

dmonten

Da bin ich also in Edmonten. Vierspurig fahre ich auf die Skyline zu, die geprägt wird durch fünf hochaufragende Hochhäuser.

Doch zunächst benötige ich einen Tim Hortens oder irgendeines dieser Fastfood Restaurants denn mir scheint es als sei der Kaffee, den man hier serviert bekommt der reinste Treibstoff. Meine Nieren werden jedenfalls einmal richtig durchgespült. Das erste Tim Hortens erweist sich als reines „Drive Through“. Doch da sehe ich eine Leuchtreklame „Sports Bar, fully licenced“. Egal ob full oder gar nicht, ich bin jedenfalls randvoll und das muss sich schnellstmöglich ändern. Nachdem das dann erledigt war, nutze ich die Gelegenheit und bestelle mir an der Bar einen Caesar. Links neben mir sitz ein Mann, der recht trübsinnig in sein leeres Bierglas schaut und sich dann doch noch eins bestellt. Einen merkwürdigen Dialekt glaube ich heraus zu hören, doch als er ein Gespräch mit mir beginnen will merke ich, dass auch er randvoll ist, aber sind es bei ihm andere Organe die von dieser Völle betroffen sind. Ich vermeide es, auf sein Gesprächsangebot einzugehen und ziehe es stattdessen vor zu bezahlen. Zwanzig Minuten sind es jetzt noch bis zu dem von mir ausgewählten Campingplatz. Eine Strecke, die sich erneut als Herausforderung erweist, der Kaffee hat bereits seine schon wieder einen Höhepunkt seiner Triebwirkung erreicht. Bevor ich noch nach einem freien Plätzchen für meinen Bus und mich fragen kann kommt daher die gequälte Frage nach einem Washroom. Wenigstens damit konnten sie mir helfen, einen Platz hätten sie jedoch nicht mehr. Der nächste Platz ist nicht weit. Zehn Minuten und ich bin da. Er ist so hässlich wie bei iOverlander beschrieben, doch was solls. Sie haben eine Toilette, das war für’s erste das Wichtigste. Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt erreicht, um mich mit meinem Hausarzt in Verbindung zu setzen, bevor ich morgen völlig dehydriert wie eine Papierskulptur in meinem FidiBus gefunden werde.

Besonders schade ist es, dass ich von hier aus keine Möglichkeit habe in die Stadt zu gelangen um am Geschehen des Canada-Days teilzuhaben. Bus oder andere öffentliche Verkehrsmittel gibt es hier nicht und Taxi ist zu teuer. Immerhin sind es bis in die Innenstadt vierundzwanzig Kilometer.

Als Kleinen Trost gibt es hier auf dem Platz wenigstens auch ein Feuerwerk. Auf den Schlag um elf geht es los. Es ist schon beeindruckend, was da so in den Himmel geschickt wird. Kaum ist die letzte Rakete gezündet ist die Wiese auf der sich Alt und Jung versammelt haben leer. Das Restaurant und die Bar bleiben geschlossen und das es jetzt zu regnen beginnt, ist da nur konsequent. Ich gehe ins Bett.

Das Getrommel des Regens auf dem Dach meines FidiBus weckt mich früh. Einmal wach, gehe ich duschen und mache mich fertig. Sightseeing in Edmonten steht auf dem Programm. Die Stadt erweist sich als eine einzige Baustelle und es regnet, unablässig. Wie trist eine Stadt bei Regen wirken kann, die doch sonst so bunt ist. Geprägt durch seine Universität sollte sie vor Leben sprühen, doch doch die Zelte und Foodtrucks, die zum Canada-Day aufgebaut wurden sind verlassen. Das Personal hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Herde und Grills in Betrieb zu nehmen. Ich gehe in ein Kaffee und bin überrascht. Es ist warm gemütlich und freundlich und hier ist es das Leben, das ich draußen vermisste. Es sei gestern richtig was los gewesen in der Stadt. In jedem Lokal war Musik, auf den Straßen und Plätzen gab es Live-Musik und so erzählte mir carol, die Bedienung, die Straßen waren später voller Betrunkener. Na ja, ich gehörte jedenfalls nicht dazu. Ach ja, die Sache mit den Namen: Es ist immer eine der ersten Dinge, die geklärt werde. Hi, I’m Carol. How are You. Wenn man dann in der Erwiederung seinen Namen nicht erwähnt, dann wir eben gefragt. Irgendwie ist das ganz angenehm. Da gibt es kein Rumgeeiere, wie man die Bedienung ansprechen soll. Miss, Misses, Lady, hey Girls oder was einem vielleicht noch so einfallen könnte, stattdessen ein freundliches „Hey Carol, please….“ und alles ist in Ordnung.

Edmonten, Museum of Modern A
rts

Der Regen hat in der Zwischenzeit nachgelassen und so so mache ich mich wieder auf den Weg. Zuerst das RAM, das Royal Alberta Museum, das heute zu Feiertag gefüllt ist mit Familien und kleinen, zwischen den Saurierskeletten

herumtobenden Kindern. Es wollte keine rechte Museumsstimmung aufkommen, also versuchte ich es mit der Artgallerie, die schon durch ihre eingenwillige Architektur ins Auge sticht. Leider wegen Umbau geschlossen! Dann eben die Pyramiden des Muttard Conservatory auf der anderen Seite des North Sasketchewan River meinen kulturellen Hunger stillen. Vier Glaspyramieden beherbergen unterschiedliche Lebensräume für Pflanzen aus tropischen, Ariden, gemäßigten Zonen sowie in einer Pyramide Pflanzen die man in unterschiedliche Szenarien gesetzt hat. Die Pyramiden der tropischen Pflanzen war geschlossen, da sie für eine Hochzeit gemietet wurde. Debby, die Dame an der Kasse lässt sich jedoch dazu überreden, mich für eine viertel Stunde, bis das Hochzeitspaar eintrifft, durch die tropischen Pflanzen zu wandeln. Ich liebe den schweren Duft dieser exotischen und farbenprächtigen Blüten.

Die Pyramiden des Muttard
Conservatory

Das Parlamentsgebäude, eine weitere Sehenswürdigkeit auf meiner Liste ist verborgen und wüsste ich es nicht besser, so hätte ich vermutet, das Christo dieses Gebäude ausgewählt hat, um es mit weißen Tüchern zu verhüllen. Die Wahrheit jedoch ist weitaus profaner. Baustelle!

Von hier bis zur Jugend-

herberge, die mir vor meiner Mackenzie Tour ein Nachtquartier bot ist es nicht weit. Es sind nur ein paar Blocks und der Wunsch alte Erinnerungen wiederzubeleben zog mich magisch dorthin. Ja, sind steht noch genau dort und sieht auch noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Was habe ich mich vom Greyhound-Busbahnhof bis hierher gequält. Erneut laufe ich den Weg um die Qual nachzuvollziehen noch einmal. Dieses Mal halt von der Jugendherberge zum Busbahnhof und… er ist nicht mehr da. Dort wo er war ist nun ein Drugstore. Der Busbahnhof ist in nach Downtown umgezogen, erklärte mir ein vorüber gehender Mann, den ich danach fragte.

Es war ein langer Tag mit viel Herumgelaufe und ich habe mir ein Bier in einer der Studentenkneipen redlich verdient. Aus dem einen Bier wurden zwei, denn das Gespräch mit Sam, einer dunkelhaarigen sehr hübschen Bedienung machte Spaß. Sie studiert Kunst und verdient sich hier ihr Studium. Dass ich durch alle Provinzen Kanadas reise erfüllt Sam mit Erstaunen. Sie ist nahe von Edmonten aufgewachsen, war schon in British Columbia und Sasketchewan, aber mehr hat sie von Kanada noch nicht gesehen. Aber in Europa war sie schon einmal, in Griechenland. Sie arbeitet gerne hier, es sei immer gute Stimmung. Ihr Freund wäre jedoch sehr eifersüchtig, da sie hier so viele Männer trifft. Doch damit müsse er sich abfinden. Sie findet’s toll.

Tja der arme Freund!

Heute noch weiterzufahren macht keinen Sinn, es ist acht Uhr und ich mag nicht mehr. Ganz in der Nähe ist ein Walmart, der einen Teil seines Parkplatzes für Übernachtungen bereit hält. Als wieder mal Walmart. Wenigstens gibt es hier Toiletten, die die ganze Nacht geöffnet sind. Ich bin nicht allein. Zwei PKWs und ein großes Wohnmobil stehen schon da. Am nächsten Morgen erfahre ich dass die PKWs zu einem Plumber und einem Mann auf Durchreise gehören. Der Eine sucht Arbeit, der andere fährt zu einer Krebsbehandlung nach Montreal. Den Zug oder ein Hotel kann er sich nicht leisten. Seine Tochter hat ihm schon das Geld für die Behandlung vorgestreckt.

Die Familie im Wohnmobil erklärt mir, sie machten hier über das Canada-Day Wochenende Urlaub. Na ja, wer’s mag….

Ich mache mich jedenfalls auf den Weg. Die Landschaft wird jetzt lieblicher. Flache Hügel, dichte, gesunde Wälder und dazwischen grüne Wiesen. Das Land ist von der Landwirtschaft geprägt. Aber noch etwas anderes bekomme ich jetzt immer häufiger zu sehen. Das womit Alberta seinen Reichtum verdient. Gas- und Ölförderanlagen.

An meiner Strecke liegen zahlreiche Provincial Parks, die zum Wandern einladen. Ich habe Zeit und sicher werde ich eine schöne Tour finden. Allerdings muss ich hier nicht nur mit Bären sondern auch mit Cougas rechnen, die zumindest ebenso gefürchtet werden wie die Bären. Es ist eine Panterart, die hier recht häufig anzutreffen ist. Bei einer Begegnung nicht schreien, nicht rufen, ihnen nie den Rücken zuwenden, nicht in die Augen schauen, Unterwerfungshaltung einnehmen und langsam rückwärts verschwinden. Das sind die Verhaltensregeln für den Fall einer Begegnung.

Wäre doch gelacht, wenn die sich nicht zur Not auch von Bärenspray beeindrucken ließen.

In meinem Bus werde ich jetzt aber gleich wieder sicher und tief schlafen und morgen sehen wir weiter.

Sasketchewan im Schnelldurchlauf

Ich habe langsam genug der Wälder, Seen und Sümpfe gesehen mich drängt es nach Alberta und in die Berge. Saskatchewan werde ich auf der Rückreise noch intensiver erleben, wenn ich durch nach Saskatoon und Winnipeg komme. Also versuche ich Strecke zu machen. Und fahre bis nach Price Albert. Es ist schon spät als ich dort ankomme und so hebe ich mir die Stadt für den nächsten Tag auf. Auch hier weiß iOverlander einen möglichen Übernachtungsplatz und so stelle ich mich direkt neben der Polizeistation auf einen Truckstopp. Ein wenig hoffe ich hier mit einem der Trucker ins Gespräch zu kommen, doch dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Entweder lagen die schon in ihrer Koje oder die Trucks waren dort unbemannt abgestellt. So bereite ich mir mein Abendessen, mal wieder Baked Beens, das geht am schnellsten und dann lege auch ich mich zu Bett.

Gegen acht Uhr am Morgen richte ich meinen FidiBus für die Weiterfahrt und suche mir einen Tim Hortens für einen Kaffee und ein WiFi. Hier in Prince Albert sind die Coronaregeln noch sehr strikt. So ist die Innengastronomie geschlossen und das WiFi heruntergefahren. Der Reiseführer hat als einzige Sehenswürdigkeit die alte Townhall aus dem 19. Jahrhundert empfohlen und auch diese erwies sich als nicht wirklich spektakulär. Prince Albert liegt ja direkt am North Sasketchewan River und so vermutet man an dessen Ufer Parks, Gastronomie und einfach das was für mich zu einer Stadt an einem so großen Fluss üblich scheint. Davon gibt es hier weit und breit nichts. Ein Stadtarbeiter, der die Grünanlagen vor dem alten Gerichtsgebäude pflegt fragt mich, was mich denn ausgerechnet nach Prince Albert geführt hat. „here is less than nothing“.

Das alte Gericht von Prince Albert

Ja weniger als nichts, so scheint es auf den ersten Blick, doch der Wohnbereich der Stadt weiß mit hübschen Häusern und gepflegten Gärten aufzuwarten. Die Städte scheinen mir oft das gleiche Muster aufzuweisen: Zum Einen sind sie in Blöcke aufgeteilt, die von rechtwinklig verlaufenden Streets und Avenues definiert werden. Die Shopping Malls und Geschäftsbetriebe befinden sich in der Downtown. Gewohnt wird außerhalb. Liegt eine Stadt an einem Berg, so habe ich bisher die schönsten Häuser und größten Grundstücke dort gefunden.

Ein beliebter Treffpunkt

Es ist Zeit mich wieder auf die Straße zu begeben und über den Highway #55 verlasse ich Prince Albert nach Westen. Mein nächstes Ziel soll Edmonten sein, wo ich den Canada Day am ersten Juli erleben möchte.

Dann entdecke ich einen Hinweis auf eine Satellitenstation am Ortsausgang von Prince Albert. Ich reiße das Lenkrad herum und fahre die Gravelroad hinauf bis zu einem Zaun, der mir die Weiterfahrt verbietet. Das Tor ist offen. Eine Weile überlege ich und dann fahre ich langsam den Weg weiter hinauf bis zu einer Ansammlung von Containern. Dort treffe ich auf einem Raupenfahrzeug auf Rylan. Ich erkläre ihm meinen Wunsch, die Station zu besichtigen und er erweist sich als sehr hilfsbereit. Es sei zwar nicht erlaubt das Gelände einfach so zu betreten, aber er wird mich als seinen Gast zum Verwaltungsgebäude bringen. Also tauschte er seinen Schlepper gegen einen Truck und so fuhr ich im Geleit bis zum Heiligtum der Station, vorbei an großen Antennen. Dort wurden wir von Luka in Empfang genommen. Luka ist eine junge Frau, die während einer Urlaubsreise nach Kanada einfach mal aus Neugierde anfragte, ob man Verwendung für eine deutsche Physikerin habe und so sei sie hier gelandet und hängen geblieben. Von ihr erfahre ich, dass die Station zwei Aufgaben hat. Zum Einen verfolgt und beobachtet sie direkt oder als Relaisstation Satelliten und zum Anderen werden von hier die Notrufe der 911 aufgenommen und Rettungsmaßnahmen koordiniert. Der Besuch der Station selbst und der Blick auf die Monitore bleibt mir verwehrt. Hierfür sei eine Sicherheitsüberprüfung nötig, die mit allen Verfahren etwa eine Woche dauert. Alles was hier geschieht unterliege der Geheimhaltung. Schade, aber verständlich. Rylan berichtet nun von seiner Aufgabe. Er sei Koordinator der Feuerbekämpfung für Waldbrände und verantwortlich für gesamt Saskatchewan Also einem Gebiet, etwa so groß wie Deutschland. Er stelle das benötigte Material zusammen, Wohncontainer für die Löschmannschaften, Feldküche und technische Ausrüstung, die dann mit Flugzeugen oder auf Transportern in den Einsatzort gebracht werden. Ich bin fasziniert von dem ausgeklügelten System der Brandbekämpfung. Die Feuer lasse man, solange sie kontrollierbar sind einfach abbrennen. Die Aufgabe der Feuerwehr bestehe in erster Linie im Schutz der Siedlungen und Städte und der Rettung von Menschenleben.

Mit dem Gefühl, wieder etwas Besonderes erlebt zu haben fahre ich nun weiter auf dem Highway #55 über Big River bis nach Meadow Lake, einer weiteren Stadt, die an Trostlosigkeit kaum zu übertreffen ist, was wohl auch an dem einsetzenden Regen liegen mag. Hinter dem Museum bietet sich ein Platz für die Nacht an. Bis nach Edmonten sind es nun noch etwa sechshundert Kilometer, für mich eine volle Tagesreise.

Am Nachmittag des ersten Juli 2022 überschreite ich die Grenze nach Alberta und bin am Abend dann endlich in Edmonten. Doch davon mehr im nächsten Bericht. Jetzt werde ich meinen Platz im McDonalds aufgeben (Kaffee und WiFi) und Edmonten verlassen. Es treibt mich wieder hinaus in die Natur und endlich werde ich den Bergen näher kommen.

Manitoba und seine graue Seite

Nachdem ich zwei Tage am Lake Manitoba nutze um im Naturpar auf Vogelbeobachtung zu gehen breche ich nun wieder auf. Richtung Norden fahre ich durch einige Indian Reserves. Verfallende Häuser, zumeist sind es mobile Homes, die schon lange nicht mehr mobile sind umgeben von schrottreifen Autos und Schneemobilen. Mein Versuch ein wenig durch das Hinterland zu fahren stellt sich als unmöglich heraus. Der Regen hat viele Straßen unbefahrbar gemacht. Bei Fairford beobachte ich einen Pelikan, der in elegantem Segelflug ohne einen Flügelschlag durch die Luft gleitet und hinter einer Brücke landet. Also verlasse ich die Straße und versuche in der Nähe der Stelle zu parken, an der der Vogel gelandet sein musste. Meine Überraschung wer nicht schlecht, als ich nicht nur einen Pelikan sondern cirka fünfzig von ihnen nahe und unter der Brücke fand, die dort fischten. Eigentlich tauchten sie nur ihre Kopfe ins Wasser und schaufelte mengen kleiner silbern glänzender Fischchen in ihren Kehlsack, vom dem aus sie in den Magen wanderten. Bei den Mengen, die sie verschlangen vermute ich, dass sie für mindestens ein paar Stunden flugunfähig auf dem Wasser daherdümpeln. Als ich ihnen zusehe, wie sie entgegen aller aerodynamischen Gesetze nach wenigen Anlaufschritten aus dem Wasser aufsteigen und prall gefüllt davon fliegen, muss ich unwillkürlich an den Beluga, dieses unförmige Flugzeug von Airbus, denken, mit dem Flugzeugrümpfe oder Raketenstufen transportiert werden. Doch etwas anderes erregt meine Aufmerksamkeit. Aus dem Wasser springen riesige Fische und tauchen mit einem „Platsch“ wieder ins Wasser. Ein Mann steht am Ufer und wirft seine Angel aus. Ich frage ihn, was das für Fische seien. „Karp“ antwortet er knapp und widmet sich wieder seiner Angel. Wieder und wieder wirft er sie aus. Schon mehrfach schien es, als hätte ein Fisch gebissen, doch dann war es ein ums andere Mal wieder nichts. Die Karpfen wollten sich einfach nicht an der Schur festhalten.

Die übrige Fahr gestaltet sich eintönig, Wälder, Seeen, Seeen, Wälder. So geht es stundenlang. Langsam habe ich genug davon gesehen. Meine App empfiehlt mir einen Stellplatz am Lake Winnipegosis. Abgelegen von dem Highway sei es dort ruhig und sehr romantisch. Der Platz ist tatsächlich sehr schön gelegen, doch gegen Abend erscheinen überfallartig Unmengen von Pferdefliegen. Ich kann die Autotüren gar nicht so schnell schließen, als dass nicht doch mindesten zehn dieser lästigen Tiere Besitz von meinem FidiBus ergreifen sofort stürzen sie sich auf die Fenster und wollen wieder raus. Ein Wunsch, den ich ihnen gern erfülle. Doch kaum lasse ich sie zum einen Fenster raus, wollen sie zum anderen schon wieder rein. Blödes Viechzeug!

Die Sonne geht im See unter und lässt Himmel und Wasser in allen Schattierungen die man sich von gelb über Rot bis zum Violett vorstellen kann. Mit meiner Drohne gelingen mir tolle Aufnahmen dieses ungeheuren Farbenspiels. Lange sitze ich noch draußen und beobachte Seeschwalben beim Fischen. Mit einer unbeschreiblichen Wendigkeit bringen sie sich in Position um dann blitzschnell im Sturzflug ins Wasser zu stoßen und mit ihrer Beute in die Lüfte verschwinden. Ich könnte ihnen noch Stunden dabei zuschauen. Doch es wird kalt und ich ziehe es vor ins Bett zu gehen.

Am nächsten Morgen breche ich früh auf. Ich möchte bis The Pas fahren. Das ist keine große Strecke, könnte jedoch umso mühsamer werden, da ich mich plötzlich nicht wohlfühle. Beim Aufstehen merkte ich bereits, wie mir schwindelig wurde und ich mich festhalten musste um nicht umzufallen. Auch mein Magen spielt verrückt. Oha, wenn ich mir da mal nicht irgendetwas eingefangen habe. Vielleicht habe ich das Obst nicht vertragen. In The Pas angekommen ist mir die dortige Erzmine erst einmal Wurscht. Ich brauchce dringend einen McDonalds oder Tim Hortens. Nicht um etwas zu mir zu nehmen, eher das Gegenteil ist angesagt. Am Ortsausgang gibt es ihn endlich das gesuchte Feinschmecker-Lokal. Ich blockiere gefühlt für Stunden den „Washroom“ und traue mir ffür die nächsten dreieinhalb Stunden nicht aus dem Laden. Zwei Kola sollen mein Leid lindern. Wenigstens ist das WiFi gut genug um meine Bilder in die Galerie hochzuladen. So ist die Zeit wenigstens nicht vertan. Dann traue ich mich doch wieder heraus und entschließe mich, den Ort zu erkunden. Ein wirklich trostloser Ort. Geschlossenen Geschäfte, die Hauptstraße ist verlassen in den Nebenstraßen ist nur dort Leben, wo es einen Supermarkt gibt oder eine Junkfood Bude. Die Menschen, meist indigener Herkunft, sind unheimlich Fett, besonders bei den Kindern fällt mir das auf. Was mir auch noch auffällt sind die vielen Zahn- und Tierkliniken. Allerdings ist dies nicht nur hier so, sondern in fast jeder Stadt. Doch nun möchte ich den Grund wissen. Ich kehre zurück zu meinem McDonalds Gourmet Restaurant, es muss schon wieder sein, meine Därme geratenen wieder Streit. Als ich diesen geschlichtet hatte, frage ich einen Mann, von dem ich vermute, dass er mir eine Erklärung liefern kann. „Jaaaaa“ sagt er „alles was man bezahlen muss gibt es reichlich. Zahnärzte Physiotherapeuthen, Tierärzte. Einen Arzt jedoch sucht man vergeblich. Dafür muss man dann schon vierzig Kilometer nach Flin Flon fahren. Ärzte arbeiten nicht gern hier draußen. Hier gibt es nichts zu verdienen. Es gibt keine Privatpatienten und die Einnahmen aus der Sozialkasse sind denen nicht genug.“ Alle verdienen ihr Brot hier in irgendeiner Art und Weise mit der Kupfermine. Viel gibt’s da nicht zu verdienen. Die Lohne sind niedrig. Korona habe die Lage noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon war. Ein Indiz ist die lange Schlange vor dem Sozialbüro.

Ich fahre heute nicht mehr viel weiter, befrage meine App nach einem geeigneten Platz und werde in dem Ort Cranberry Portage fündig. Auf einem vermeintlichen Campingplatz suche ich mir eine Stelle direkt am Goose Lake. Mein Magen hat wieder Frieden mit mir gschlossen und so schlafe ich heute gut und schnell ein.

Ich wache auf, weil die Sonne in mein Fenster scheint und es schon früh am Morgen warm wird. Während beim Frühstück sitze kommt eine junge Frau zu mir rüber und nach dem üblichen woher, wohin erklärt sie mir, dass sie das Townoffice sei und ich im öffentlichen Park campe. Der Gemeindecampingplatz befände sich hundert Meter, in Sichtweite. Aber es sei ja schließlich nicht verboten auf öffentlichen Plätzen für eine Nacht zu stehen und das sei schon in Ordnung. Wenn ich möchte, schließt sie die Dusche für mich auf. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Nach einem eineinhalbstündigen Gang durch einen Mücken- und Zeckenwald kommt mir die Dusche wie gerufen. Die nächste Station ist Flin Flon. War The Pas schon trostlos, so war dies die Steigerung. Ein völlig marodes Hotel bot keinem Gast mehr Herberge, ein weiteres war nicht viel Vertrauen erweckender. Im Erdgeschoss des Hotels befindet sich der Marihuna Shop. Einige bekiffte Gestalten unterschiedlichen Geschlechts , Altersund Herkunft hocken davor. Und unterhalten sich mit weit ausholenden Gesten. Der Ort ist grau. Erinnerung an graue Häuser der DDR tauchen vor meinem inneren Auge auf. Es scheint mir so unwirklich, wie in einem Science Fiction Film über den Untergang der Zivilisation. Es ist nicht nur grau hier sondern grauenhaft. Die Kupfermine erstreckt sich über eine weite Fläche. Wie alle Minen ist auch sie unzugänglich. So versuche ich mir in dem Museum einen Eindruck zu verschaffen. Das Museum erweist sich als ein Flopp. Es ist eine ungeordnetes Sammelsurium allermöglichen Dinge aus dem Haushalt, der Eisenbahn und einer eigenen Abteilung über die Geschichte der Mine. Wenigstens etwas, womit ich einen groben Eindruck bekommen. Das Erz wird hier sowohl im Tagebau als auch unter Tage abgebaut und in der Hütte vorort verarbeitet. Das Erz bringt vielen Menschen der Region Geld, aber es bringt keinen Wohlstand.

Mit der Stadt verlasse ich auch Manitoba. Flin Flon liegt mitten auf der Grenze. Auf der anderen Seite ist Sasketchewan.

© 2024 mitspuersinnreisen

Theme von Anders NorénHoch ↑