Die Straße ist breit, gut geschottert und sehr fest, aber auch sehr staubig. Es ist eine Logging Road, das heißt, dass hier die Holztransporter das geschlagene Hol mit einhundert Kilometer pro Stunde in die Sägewerke oder Papierfabriken von Smithers oder Prince George bringen. Alle Kilomezter steht ein Kilometermarke und alle zehn Kilometer ein Hinweis mit dem Funkkanal, auf dem die LKWs mithören. An diesen Marken hat man sich über Funk zu melden. Was tun, ich habe keinen Funk? Ich fahre ganz rechts und schön langsam um diesen Ungetümen nicht in die Quere zu kommen. Dann überholt mich ein normaler Doge Truck und ich bedeute ihm anzuhalten. Das tut er auch direkt. „You have a radio?“ frage ich ihn direkt und als er das bestätigt, bitte ich ihn für mich anzumelden, dass ich bis Kilometer siebenundzwanzig in Richtung Süden unterwegs bin. Er macht das gerne, gibt mir noch einen Zustandsbericht der Strecke und weiter geht’s.

Nach einer dreiviertel Stunde entdecke ich das Schild, biege rechts ab fahre einen Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder ins Tal und da öffnet sich der Blick auf einen See, an dessen Ufer einige Häuser stehen „Little Bear Farm“ steht an einer alten Scheune. Links steht ein wunderschönes, recht neu wirkendes Blockhaus zwei Stockwerke hoch, einen Wintergarten zu See hin und einer riesigen Terrasse. Rechts befindet sich eine große Halle. Eine Hütte und mehrere Ställe vervollständigen das Arrangement. Ich sehe ein Schild, das mich traurig stimmt: „Brewery on Mondays closed“. Etwas ratlos stehe ich auf dem Gästparkplatz und überlege. „Hi, I’m Nathan, how can I help You?“ Also erzähle ich ihm, dass ich extra gekommen bin um in seiner Brauerei ein Bier zu trinken. Ja , das tut ihm leid, aber Montags ist der einzige Tag an dem er sich um andere Dinge auf der Farm kümmern kann. Aber morgen, und solange könne ich doch bei ihm campen. Er hat ein paar schöne Plätze am See und als ich die sah, stand meine Entscheidung fest. Hier bin zuhause, hier bleibe ich. Noch während ich mich einrichte kommt Nathan zu mir und fordert mich auf mitzukommen. Ein weiterer Gast ist auf seinem Motorrad gekommen und bei dem Betrieb macht er halt doch die Brauerei für eine halbe Stunde auf. Ralph, wie der Motorradfahrer sich zu erkennen gab ist achtundsiebzig und war als Prospector und Surveyor hier in die Gegend gekommen. Und dann berichtet er aus seinen Tagen als junger Surveyor, als er noch zu Fuß die Gegend erkundetet um Zufahrtswege für die Minen zu erkunden. Mit dem Flugzeug ließen sie sich im Busch absetzen und mit einer Gruppe Geologen schlugen sie sich ihre Weg zu den Bergen und Seen, in denen sie vor allem Kupfer vermuteten. Er kartierte die Strecken mit Kompass und Sextanten. Ich merke, wie er sich in dieser Zeit verliert. „Wir waren Pioniere, hatten unser ganzes Gepäck auf dem Rücken, fuhren die Flüsse und Seen mit dem Kanu und ich musste immer wieder herausfinden wie es weiter geht. Oft endete der Weg im Sumpf.“ Er erzählte von Wölfen, die neugierig ihr Lager besuchten, von Bären und dabei zeigt er mir eine Bärenklaue, die er an einem Lederband um den Hals trägt. Das war sein erster selbst erlegter Bär. Ein Braunbär, der sein Lager störte.

In die Erzählung platzt dann Nathans Mutter hinein. Eine echte Dame! Sie und Ralph entdeckte in ihren Geschichten gemeinsame Bekannte und sofort wurden die, jeweils bei Ihr und bei Ralph vorhandenen Lücken mit ergänzenden Berichten geschlossen.

Ob sie schon immer hier wohnten frage ich Nathans Mutter, sie hat sich mir zwar vorgestellt, aber ich habe jetzt tatsächlich ihren Namen vergessen. So nenne ich sie einfach Theresa. Der Name passt zu ihrer Erscheinung.

Oh nein, sie wohnten weiter im Norden und als der Damm gebaut wurde, mussten sie dem Wasser weichen. Es war schrecklich, mit anzusehen, wie ihre Farm langsam und allmählich vom Wasser verschluckt wurde, erst die Weiden, dann die Ställe und am Schluss das Haus. Sie sind nach Florida gezogen. Doch eines Tages kehrte sie mit ihrem Mann zurück und da entdeckten sie diesen wunderschönen Fleck, an einem See gelegen, überall Graslandschaft, Wald und Stille. Da beschlossen sie ihre Farm in Florida zu verkaufen und wieder einen Neuanfang zu wagen. Ihr Mann baute einen Hanger, schob sich eine Piste und freute sich über die neu gewonnene Freiheit, bis er eines Tages von einem Flug nicht mehr nachhause kam.

‚Aber mein Sohn Nathan, der ist fleißig, er hat die Rinder verkauft, die Pferde behalten und nun arbeitet er für Parks Canada‘ (ein Regierungsjob). Die Flugzeuge hat er auch verkauft, er wollte damit nichts mehr zu tun haben. In dem ehemaligen Hanger befindet sich heute die Brauerei.

Ralph muss wieder weiter, er muss heute wieder nach Witset zurück, aber er besteht darauf mein Bier zu bezahlen.

Zurück an meinem FidiBus mache ich mir mein Feuer und dann beginnt es zu grummeln. Erst recht weit entfernt, doch der Himmel färbte sich schwarz und dann zuckten auch schon die Blitze über den Himmel. Außer ein paar Tropfen fiel kein Regen. Das sind die Gewitter, aus denen die Waldbrände entstehen, Nathan erklärte mir am nächsten Morgen, dass sie bei den Feuerfightern als „Dry Lightnings“ bezeichnet werden. Später, bei Sonnenuntergang zeigte sich tatsächlich im Süden und im Osten der deutlich graue und rötliche Schein der Feuer. Vernichtend schön!

Ich möchte weiter. Nathan kommt noch einmal zu mir und erklärt mir den Weg, der auf meiner Karte nicht verzeichnet ist. Er ruft wieder über den Meldekanal seines Funkgerätes an und meldet meine Absicht. Zwei Forstfahrzeuge begegnen mir und ich bitte sie jeweils meine Position und Fahrtrichtung zu melden. Es wird ausgemacht, dass jeder Holztruck nun Meldung macht wenn er mich sieht. Am Winken der Fahrer erkenne ich, dass sie die Meldungen verfolgen. Es ist schon sehr beeindruckend, wenn diese Ungetüme vollbeladen und mit Anhänger auf einen zurasen. Zum Glück erkenne ich es bereits von Weitem an der kilometerlangen Staubwolke, die sich hoch über die Bäume erhebt, wenn wieder ein solcher Zug auf mich zurast. Und dann sieht man nichts mehr. Einghüllt in eine Wolke aus feinstem Staub warte ich ab, bis ich die Piste wieder erkennen kann.

Nach fünfeinhalb Stunden und einhundertsiebenundachtzig Kilometern verlasse ich diese Forstpiste und befinde mich wieder auf dem Highway 16, dem Yellowhead Highway oder, wie er seit einigen Jahren auch genannt wird „The Highway of Tears“.

Allerdings geht diese lange Zeit nicht auf das Konto der Piste. Zwei Stunden nutzte ich für eine Wanderung durch den Wald auf einem alten Trail zu den Stromschnellen des Netchako Rivers. Welch ein Tosen. Da half auch mein ständiges Reden nichts um die Bären auf mich aufmerksam zu machen. In solch einer Lage verlässt man sich besser auf sein Bärenspray und die Bear-bangers, Knallpatronen, die ich bei Bedarf mit einem Stift abschießen kann und die zwei Mal fürchterlich knallen und blitzen. Ich habe mir sagen lassen, dass es unerfahrene Wanderer gibt, die damit in Richtung Bär schießen. Ein fataler Fehler, denn der zweite Knall erfolgt dann hinter dem und der rennt vorwärts und dann…. Grrrrrrr

Um acht Uhr abends bin ich dann in Fort St. John und plötzlich holt die Erinnerung mich ein.