Mit dem Bulli durch's Land der Bären und Wölfe

Schotterpistenmassage

Nach dem Stopp bei den Hamilton Falls überquert mein Fidibus die Landesgrenze nach Québec. Am Manicougan-Stausee möchte ich die Nacht verbringen. Es ist schwer, von der Straße weg eine gute Gelegenheit für eine Nacht zu finden. Nur wenige Seitenstraße führen vom Highway in die Landschaft und zumeist sind es Zufahrten zu Privathäusern. Hilfreich erweist sich die App iOverlander, in der solche Plätze sehr gut mit Positionsangaben aufgelistet und auf einer Karte angezeigt werden. Ein solcher Platz soll auch heute meinen ruhigen Schlaf garantieren.

Die nächste größere Stadt ist Fermont. Ebenfalls in den sechziger Jahren entstanden, ebenfalls eine Stadt aus der Retorte, errichtet, um den, in den nahe gelegenen Eisenerzminen eine Wohnstätte zu bieten. Ich gehe in das Infobüro der Stadt und erfahre, dass ein Besuch der Minen ebenfalls noch nicht wieder erlaubt sei.

Aufgefallen an der Stadt war mir die gewaltige Front, die wie eine Mauer wirkt. In dieser Wand sind Supermarkt, Baumarkt, Boutiken, mehrere Geschäfte und Verwaltungsstellen untergebracht. Diesen Eindruck einer Mauer schilderte ich der Dame im Infobüro die mir bereitwillig Auskunft gab. Nach einem Vorbild in Sibiren baute man diesen Komplex, den man hier ganz offiziell als le Mure/The Wall, also die Mauer berzeichnet.Er schützt die dahinter liegende Stadt gegen die kalten Nordwinde, die besonders im Winter den Menschen zu Schaffen machen. In ihr ist alles untergebracht, was die Menschen benötigen und so brauchen sie das Gebäude nie zu verlassen um alle ihre Besorgungen zu machen. Im Lee der Mauer entstanden die Wohnviertel und Parkanlagen, mit Pflanzen, wie sie sonst in dieser Zone nicht wachsen.

Kurz hinter Fermont beginnt die Schotterpiste. Etwa achzig Kilometer folge ich ihr in südlicher Richtung. Schotterpisten sind recht anstrengend. Einerseits muss man schnell genug auf ihnen fahren um die Stoßdämpfer zu schonen, anderseit muss man höllisch auf die abgrundtiefen Schlaglöcher achten, die Reifen und Radaufhängung schnell den Garaus machen können. LKWs die hier zu Hauf den Transport zwischen den Minen gewähleisten haben dieses Problem nicht. Sie brettern mit hundert Km/h über die Piste, hinter sich eine undurchdringliche Wolke aus Staub und kleinen Steinchen. Man fährt am Besten an den Rand, hält an oder fährt ganz langsam um nicht von der Straße abzukommen oder eine solche Begegnung mit einer geborstenen Windschutzscheibe zu bezahlen.

Endlich bin ich am Ziel. Der Manicougan Stausee mit einem Durchmesser von etwa siebzig Kilometern ist das Produkt eines vor 214 Millionnen Jahren zurückliegenden Meteoriteneinschlages, der allerdings lange unbekannt war. Denn bis zum Bau und dem Befüllen des Stausees war hier kein See vorhanden und aus der morphologischen Struktur der Umgebung war dies damals noch nicht zu erkennen. Erst als man Mitte der sechziger Jahre den Stausee befüllte, zeigte sich, dass dieser eine kreisrunde Form annahm in dessen Mitte ein Berg aufragte. Die Insel die sich so zeigte, hat eine größere Fläche als der See und gilt als die zweitgrößte Insel in einem Binnensee auf der ganzen Welt. Erst jetzt entdeckte man, dass diese Struktur zu einem Meteotiteneinschlag mit dem Krater und dem zugehörigen Zentralberg gehörte. Mineralogische und geologische Untersuchungen stützen später dieses Ergebnis.

Immer wieder versuche ich einen Blick auf den See zu erhaschen, aber das ist wegen der dichten Wälder kaum möglich. Ich gelange an den vorbestimmten Übernachtungsplatz. Von der Piste geht es über eine holprige Stichstraße hinunter zum See und dann wurde die Straße sehr steil. Unten angekommen entschließe ich mich, nicht hier zu bleiben. Es soll in der Nacht regnen und dann wird eine solche Zufahrt schnell zur Falle. Wasser und Schlamm können möglicherweise meinen Reifen Probleme machen und ich komme nicht mehr den Hang hinauf. Also nehme ich die zweihunder Kilometer in Kauf, weitere einhundertfünfzig Kilometer Schotterpiste. Zur Schonung des FidiBus vermindere ich den Reifendruck um etwa fünfzehn Prozent. dann sind die Schläge, die ohnehin geringer sind als befürchtet, nicht so hart.

Mein zuerst gewählter Schlafplatz erweist sich als untauglich. Die Blackflies fressen mich auf. um ihren Biss herum bilden sich große blutende Flecken, die obendrein mehr jucken als zehn Moskitoistiche. Auf dem Parkplatz des Kraftwerkes ist es etwas besser. Eine halbe Stunde bin ich damit beschäftigt, die gefühlt zwei Millionen Blackies, eine nach der anderen vom Leben zum Tode zu befördern.

Die Führung beginn am nächsten Morgen um neun Uhr. Nur französisch, also in der Kiste früherer Schulleistungen zurückgreifen inklusive mehrerer erfolglosen Lernversuche in der Volkshochschule.

Ein Zufall? Die Zahl zweihundertvierzehn begnet mir nun zum dritten Mal. Zweihundertvierzehn Kilometer waren es von meinem verlassenen Camp, zweihzundertvierzehn Jahre zurück fand der meteoriteneinschlag statt und zweihundertvierzehn Meter hoch ist die Staumauer dieses gewaltigen Staudamm vo Manic Cinque. Eine junge Studentin erklärt uns die Anlage. Am meisten beeindruckten mich zwei weithin sichtbare Türme, die weit über Staumauer hinaus ragten. Sie dienen der Druckentlastung, wenn die Wassertore vor den Turbinen geschlossen werden. Der enorme Druck würde die Tore sprängen, gäbe es nicht diese Türme, in die das Wasser aufsteigen kann und somit der Druck gemindert wird. Der Besuch hat sich gelohnt, zumal er auch noch kostenlos war.

Von nun an ist die Straße durchgehend asphaltiert. Eine neue Straße wird bereits in den Fels gesprengt, die eines Tages weniger Kurven und Gefällestrecken aufweisen soll als die heutige, Schwere Lkws mit Minenfahrzeugen als Ladung arbeiten sich heute eine Steigung von bis zu neunzehn Prozent und vielen Kurven hinauf. Das erfordert wirklich kräftige Trucks und Fahrer mit Nerven.

Um drei bin ich in Baie Comeau. Der Labrador Highway liegt hinter mir. ein großes Erlebnis. Für manch einen eingefleischten Offroader ist mit der fast vollständigen Asphaltierung der Strecke allerdings eine Enttäuschung verbunden. Ihre mächtigen Fahrzeuge können hier ihre Geländetauglichkeit auf schwerer Piste nicht mehr zur Geltung bringen. Ich jedenfalls hab das zumeist entspannte Crouisen geliebt. FidiBus dankte es mir mit einem Durchnittsverbrauch von sechskommaneun (6,9) Litern pro 100 Kilometer. EinTrost bei dem hohen Spritpreis. Es regnet und ich gönne mir nach der Fahrt in einer Bar einen Ceasar und fahre kurz nach sechs mein nächstes Camp, in einem Regionalpark gelegen an. Sehr schön, sehr ruhig sagt iOverlander, aber leider ist die Schranke seit einer halben Stunde geschlossen. Doch ich habe einen Campingplatz ganz in der Nähe direkt am Fluss gesehen. Dort möchte ich zwei Tage ausruhen, meinen FidiBus warten und ansonsten Ruhe haben. In der Nacht wache ich auf, das Plätschen des nahen Flusses hat etwas meditatives an sich. Aber! Ach du Schei…, doch nicht unter meinem Bus. Ich schaute aus dem Fenster und FiduBus war zu einer Insel inmitten eines gefluteten Ufers. Aus den Mäuselöchern drückte noch immer Wasser nach oben und bis zu Schweller war FidiBus vom Wasser umgeben. Bei strömendem Regen inspizierte ich die Situation und entschloss mich, höheres Terrain zu erreichen. Später kamen ein paar Männer mit uniformähnlicher Kleidung. Sie erklärten, dass man die Tore des wenige Kilometer entfernten Wasserkraftwerke wegen des starken Regens geöffnet hatte, hat aber versäumt die Anlieger des Flusses zu informieren. Innerhalb einer halben Stunde war alles vorüber, aber es würde sich in der heutigen Nacht wiederholen. Die Besitzerin des Platzes gab mir daraufhin mein Geld zurück und empfahl mir, mir einen anderen Platz zu suchen.

Entlang der wunderbaren Küste des St. Lorenzstromes, der Côte du Nord fahre ich weiter, nun Richtung Südwesten, dann nach Nordwesten in den einhundertneunzig Kilometer ins Land eingeschnittenen Sagueney-Fjord hinein, nach Nordosten. In Sagueney endete dann der letzte Kontakt zum Sankt Lorenz-Strom und damit zu Atlantik.

Ein Unwetter zieht herauf und ich bin froh am Abend am Lac St.Jean einen Platz zu finden, an dem ich nun endlich die zwei Ruhetage genießen kann. Es ist gut, sicher im FidiBus zu sitzen, der Sturm pfeift und schreit über den See, der Regen trommelt aufs Dach und ich gönne mir im Warmen einen Whiskey.

1 Kommentar

  1. Ursula

    So, nachdem mein Tablet mir zu viele Verschlimmbesserungen hineinschreibt, bin ich jetzt an meinem Laptop.
    Gut, dass ich nicht dabei war, als plötzlich Dein Fidibus geflutet wurde. Aber Du hast wie immer Glück im Unglück und es wendet sich alles zum Guten. Es ist so spannend Deine Reise zu verfolgen, auch Wilhelm fragt schon nach Deinen Artikeln und erwartet sie mit Freude. Die Karte von Kanada ist natürlich dabei! Wir freuen uns schon heute auf Deine Vorträge, wenn Du wieder daheim bist. Sing schön laut, wenn Du allein unterwegs bist, der Bär weiß womöglich nicht, dass Du zäh bist!!!
    Liebste Grüße von Deiner Schwester und Wilhelm – und pass weiter gut auf Dich auf, und hab weiter viele gute Erlebnisse!!!!!

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