Samstag 11. Juni 2022
Willkommen in Labrador
pünktlich um viertel nach sechs wache ich auf. Es ist schon lange hell und ich mache Fidibus sogleich reisefertig für die Fähre. Da es hier auch eine sehr saubere öffentliche Toilette gibt, hier nennt man es verschämt „Washroom“, mache ich mich auf den kurzen Weg, schaffe es aber trotz allem nicht. Nein, nicht dass mir ein Maleur passiert wäre, eher das Gegenteil Neben mir parkt ein Riesentruck mit einem Riesenbagger auf seinem Riesentieflader. „Hi come over“ ruft mir der Fahrer zu und ich gehorche. Ich solle zu ihm steigen, dann könnten wir noch ein wenig quatschen, bevor es auf die Fähre geht. Er erklärt mir, dass er den Bagger gerade für seine Firma gekauf habe und ihn nun nach Labrador brächte. Sichtlich stolz erklärte er mir dass er den Bagger für einen Schnäppchenpreis erworben habe. Für zweihunderttausend Dollar, von geforderten dreihunderttausend hätte er hätte er den Zuschlag bekommen. Warscheinlich beeindruckte es ihn, dass ich ihn gestern für die Geschicklichkeit gelobt hatte, mit der er den Bagger auf den Tieflader verladen hatte. „Du kannst mit der Schaufel ein Ei pellen, Mann das beeindruckt mich wirklich“
rief ich ihm gestern zu. Heute erklärt er mir dafür jedes Detail seines, auf Hochglanz polierten Trucks und, was besonders interessant für mich ist, klärt er mich über den Zustand des Trans Labrador Highways auf. Im letzten Jahr hätte sie die gesamte Strecke bis auf sechsunddreißig Kilometer asphaltiert und an denen arbeite man zur Zeit. Also keine Reifenkillerpiste, wie sie von de letzten Reisenden bis 2020 noch beschrieben wurden. Das stimmt mich froh.
Die Verladung auf die Fähre erfolgt problemlos und das Ticket erwerbe ich für sechzehn Doller, einfache Überfahrt mit Camper und Senior, da werde ich mich nicht beklagen. Kurz vor dem Einlaufen in den Hafen von Blanc Sablon entdecke ich endlich, wofür ich viele hundert Kilometer zuvor gefahren war. Einen richtigen Eisberg! Langsam aber sicher trieb er durch die Meerenge von Belle Isle, den Eingang zum Sankt Lorenzstrom. Um halb zehn sind wir in Blanc Sablon, Quibec.
Hier trifft mich der Schlag an der Tankstelle. Die wissen schon, weshalb sie Preise nicht mehr sichtbar anzeigen. Zwei Doller und sechundachzig Cent pro Liter wollen die haben. Ich tanke mal nur zwanzig Liter und hoffe auf bessere Zeiten. Die Fahrt Richtung Norden bringt mich zunächst zu dem Leuchtturm von L’Anse au Loup. Schnell komme ich mit der Dame, die hier die Führungen macht ins Gespräch, bekomme eine Soloführung für mich allein und darf noch vor den anderen Touristen die Spitze des Turmes über Treppen und Leitern erklimmen. Ich steige hinauf und spüre schier, wie der Sturm den Boden der Lampenplattform zu vibrieren bringt. Am beeindruckensten ist aber das Tosen des Sturmes um die Spitze des Leuchturms herum und unten tost das Meer.
Weit draussen driftet ein weiterer Eisberg, nun bereits der zweite für heute, nach Süden. Zahlreiche Schiffe strandeten hier, unter anderem auch der Stolz der amerikanischen Marine, der Kreuzer Raleigh. Lange lag das Wrack hier am Strand, bis es von der Royal Army Kanadas zerstört wurde. Nun liegen nur noch seine verbogenen verrosteten und vom Salzwasser zerfressenen Wrackteile auf den Klippen und am Strand verstreut herum.
Um halb drei fahre ich weiter und mir wird klar, mein Ziel Fort Hope Goosebay werde ich heute nicht mehr erreichen. Über eine gespenstische, immer wieder in den Nebel eintauchende und verschneite Hochebene fahre ich noch Nordosten, später nach Norden und Nordwesten. Es ist gespenstich Bäume, nicht größer als Kniehoch wachsen auf der sonst kahlen Hochebene. Nur Moose und Flechten und so weit das Auge reicht, keine Anzeichen einer bewohnten Gegend. Alles ist karg leer unwirtlich. Ein Polarfuchs kreuzt vor mir den Highway, ich bekomme ihn dann aber nicht mehr zu sehen. So gegen sechs hat es die Sonne irgendwie hingebracht sich mit Hilfe des Sturmes durch den Nebel zu kämpfen und mit einem Schlag wird die Landschaft, vom Sonnenlicht durchflutet schon viel freundlicher. Im Hafen von Marie’s Habour sehe ich dann den dritten Eisberg für heut doch der ist klein und im Hafen wirkt so ein Eisberg irgendwie verloren, wie ein Tiger im Käfig eines Zoos. In Port Hope Simpson entschließe ich mich dazu den Fidibus vollzutanken, denn auf der vor mir liegenden Strecke sind Tankstellen eher rar. Der Preis von zwei Dollar neunzig Cent schreckt mich schon kaum noch. Ich frage nach einer Möglichkeit wo FidiBus und ich die Nacht verbringen können und erfahre von einem Campsite in der Nähe. Fünfunddreißig Dollar Rundumservice. Ein älterer Mann bekommt unser Gespäch mit und bietet mir sofort an, auf seinem Grundstück zu übernachten. Ich willige ein, denn daraus kann sich eine weitere neue Erfahrung ergeben. So folge ich seinem Quad bis auf seinen Hof, wo ich zwischen alten Autos, einem Boot, zwei Schneescootern und anderem Gerümpel einen ebenen Platz finde. Er lädt mich in seine Werkstatt ein, wo inmitten von Werkzeug und alten Radios, Funkgeräten und vielem mehr zwei durchgesessene Sessel standen.
Er arbeite im Straßenbau just an dem Teil des Highways, der noch fertigzustellen sei. Ich gehe an meinen Biervorrat und wir teilen uns je zwei Bier und noch ein Leichtbier aus seinem Vorrat. Wir sprechen über seine Arbeit, die unbezahlbaren Spritpreise und die Sorgen die man hier hat, weil man nicht weiß, wie man seine Arbeit erreichen kann; zwei bis dreihundert Kilometer An- und Abfahrt sind beinahe normal und es gibt keinerlei staatliche Unterstützung. Sie wissen auch nicht, wie sie bei den Spritpreisen mit den schweren Maschinen ihr Feuerholz aus dem Wald nachhause bringen sollen. Das Leben ist schwer geworden, selbst hier draußen und man wünscht Putin die Pest an den Hals. Über die Fotos, die ich von ihm machen darf freut er sich und schenkt mir dafür eine CD. Der Sänger sei aus Goose Bay und ein Freund. Nach und nach treffen seine Freunde in der Werkstatt ein und ich denke mir, es ist Zeit zu gehen. Gastfreundschaft soll man auch hier nicht überstrapazieren. Ich steige in meinen Fidibus, schließe ihn erstmals über meinen neuen Trafo an das Stromnetz Kanadas an und siehe, alles funktioniertwunderbar. Der Regen hat wieder eingesetzt, aber es ist warm geworden. Südwind bringt Regen erklärt mir… Nordwestwind auch. Weht der Wind aus Nordost bedeutet es ebenfalls Regen und viel Nebel. Na also, dann bleibt ja nicht mehr viel Platz für gutes Wetter. Aber das ist eben Labrador, nix für Weicheier und Wasserscheue.
Hallo Matthias, wir verfolgen mit großem Interesse deine Reise und staunen über deinen Mut, in so wilde Gebiete des Nordens vorzudringen und das auch noch ganz allein. Hut ab!!!
Wir drücken dir weiter die Daumen, daß alles problemlos klappt auf der Weiterfahrt und du noch viele solche interessante Menschen mit ihren Geschichten kennenlernst. Wenn man deine Berichte liest, fühlt man sich mitgenommen und empfindet alles wie selbst gesehen. An dir ist wirklich ein Schriftsteller verlorengegangen. Ich denke, deine Berichte sind schon ein gutes Manusskript für ein ganzes Buch zu deiner Reise.
Einfach bewundernswert.
Liebe Grüße Gabi und Kalle
P.S.: Ich würde gern deinen Block unserer Britt und ihrem Lebensgefährten schicken wollen, der auch so ein Kanadafan ist – wenn du nichts dagegen hast.