Seit zwei Tagen bin ich nun in Whitehorse, der Hauptstadt der Provinz Yukon und es geht hier tatsächlsich sehr städtisch zu. Es gibt alles was man sich wünscht. Supermärkte, Baumärkte, Cafés ein sehr gutes Visitor Center mit einer Ausstellung über die Minen und die das Leben in der Natur.
Leider wegen Corona geschlossen. Wie auch bei uns zuhause hat covid das Leben hier stark verändert. Viele Geschäfte mussten aufgeben, Vieles befindet sich gerade in der Phase des Wiedererwachens. Die Schutzmaßnahmen werden zwar offiziell gelockert, doch der größte Teil der Menschen trägt in geschlossenen Räumen noch die Schutzmaske. Niemand wird deswegen schräg angeschaut, man akzeptiert einander. Einige Geschäfte dürfen nur mit Maske betreten werden. Die Sorge vor erneuten Einschränkungen führt hier zu einer größeren Rücksichtnahme als bei uns, so jedenfalls ist mein Eindruck. Doch das nur als Randbemerkung.
Heute, am dritten Tag in Whitehorse beschließe ich nach Skagway in Alaska zu fahren. Vom Alaska Highway biege ich auf den Klondike Highway ab. Auf ihm bleibe ich für einhundertsiebzig Kilometer. Die Fahrt geht wieder in eine Landschaft voller Überrschungen. Die erste ist der Emerald Lake. In der Sonne leuchtet der See in unterschiedlichen Grüntönen, Folge des Kalkgesteins an seinem Grund, das aus ehemaligen Riffen gebildet wurde. ich erklimme einen Hügel auf der gegenüberliegenden Seite des Highways, der mir einen unverstellten Blick auf den See gewährt. Ich meine, unter dem Wasser noch die alten Riffe zu erkennen, doch die existieren längst nicht mehr.
Ein Stückchen weiter, kurz vor dem Ort Car Crossing befindet sich die kleinste Wüste der Welt. Aktive Dünen bilden hier eine Landschaft, die mich an die Raabjerg Mile in Dänemark erinnert. Eine Wüstenlandschaft mit Fichten. Spuren im Sand sind Zeugnis für die Nutzung dieser Dünen als Herausfforderung für die Quadfahrer. Doch heute ist Ruhe. Es ist ein beeindruckendes Bild. Vor mir die „Wüste“, im Hintergrund die Berge, deren Gipfel noch immer eine Schneehaube tragen. Eigentlich ist es keine Wüste, sondern der Grund eines Sees. Als die großen Glätscher der Eiszeit abschmolzen lagerte sich der mitgeführte Sand am Boden eines Sees ab. Der See verschwand, der Sand blieb.
Im Ort Car Crossing (steht für Caribu Crossing) befand sich bis vor wenigen Jahren die Endstation der Whitpass Eisenbahn. heute ist dies ein kleiner beschaulicher Ort, mit dem altesten, dauerhaft betriebenen Kolonialwarenkaufhauses im Yukon Territory. Heute ist er einer der vielen Touristenfänger mit Arbeiten lokaler Künstler, T-Shirts und Souveniers aller Art.
Die kleine Dampflokomotive Duchess stellte einst die einzige Verbindung in Hinterland nach Atlin dar. Der Kaffe in der netten Bar ist so teuer, dass ich darauf verzichte.
Ich reise weiter. Immer wieder halte ich an um diese gewaltige Landschaft, die nun immer bergiger, wird zu bestaunen. Bennett Lake, Tagish Lake, Moon Lake, so groß wie der Bodensee liegen eingebettet zwischen den hohen Bergen. Spektakuläre Landschaftspanoramen lassen mich immer wieder anhalten und staunen. Dies ist wieder so eine Strecke auf der ich spüre, wie sehr mir ein Gegenüber fehlt, mit dem ich diese Begeisterung teilen könnte. Es bleibt aber nicht viel Zeit um Nachdenklich zu werden. Links am Abhang des Highways unterhalb des Montana Mountain entdecke ich eine alte, verlassene Förderanlage der Goldmine unterhalb des Gipefel und tatsächlich ist dort auch der Stollenmund zu sehen und Fragmente der Seilbahn, die das Erz zu Tal beförderte.
Ich sehe sie vor mir, die hunderten von Minenarbeitern, in abgerissenen Klamotten mit Schaufeln, Hacken und Picken, wie sie schwitzend die Grubenhunde auf die Rampe schieben. Blind für die Mühen und die Plackerei, das Leid den Schweiß und nicht selten den Tod durch Krankheit oder Unfall. Angetrieben durch die Hoffnung auf das große Glück, den unermesslichen Reichtum, den das Gold ihnen versprach. Ein Versprechen, dass nur selten eingehalten wurde. Und weiter geht es immer höher den Highway hinauf. Ein kalter und heftiger Wind treibt dunkle Wolken herbei. Kurz vor dem White Pass lege ich die Papiere für den Grenzübertritt nach Alsaka zurecht und versammle alles auf meinem Schoß. White Pass ist heute auch die Enstation, der nur noch für Touristen betriebenen Whitepass & Yukon Railway. Ich steige aus und schaue mir auf einer Tafel an, wie einst der Verlauf des Chilkoot Trail, jenes sagenumwobenen Weges über den die Stampeeders ihre Ausrüstung bis zum Lake Bennett schleppten um ihn dort auf Flöße und Boote zu verladen. Ja, ich muss die Büchccer von Jack London alle lesen. Jetzt, wo ich die Orte kenne, eine Vorstellung habe, von dem Leben der Männer und Frauen, die das alles auf sich nahmen und deren Schicksal so unterschiedlich verlief, möchte ich tiefer eintauchen und die Geschichte von Zeitzeugen erfahren.
Die Grenzstation Alaskas/USA liegt etwa zwanzig Kilometer hinter dem 1700m hohen Whitehorse Pass, der eigentlichen Grenze zwischen Canada und USA.
Panik! wo sind die Papierenicht auf dem Sitz, nicht auf dem Boden, nicht in der Seitentasche, nicht auf meinem zusammengeschobenen Bett. Weg! Stimmt, ich hatte sie auf dem Schoß, also müssen sie beim Aussteigen an der Tafel etwa zehn Kilometer zurück, herausgefallen sein. Da hilft kein langes überlegen. Ich wende auf dem Highway und jage zurück. Ich habe Herzklopfen. Der Kies knischt unter FidiBus‘ Rädern als ich auf dem Parkplatz auf die Bremse steige – Nichts. Dass sie jemand gefunden hat ist unwahrscheinlich, denn ich habe seit einer Stunde kein Fahrzeug mehr gesehen. In meiner letzten Verzweiflung durchsuche ich den Bus erneut. Da liegt die schwarze Mappe, still und unschuldig liegt sie im Fußraum des Beifahrersitzes. Das Fallen des Steines von meinem Herzen war sicher bis an die Grenz zu hören gewesen. Der Grenzübertritt war unproblematisch, aber es war wieder da, dieses Gefühl, das mich jedes Mal überfällt, wenn ich den Boden der USA betrete. Etwas flüstert mir ins Ohr „Ich möchte wieder zurück“. Doch ich höre einfach nicht hin. Am Abend bin ich in Skagway, ein Kreuzfahrtschiff macht sich gerade zur Abfahrt bereit. Die Stadt ist menschenleer. Wie eine Geisterstadt vergangener Zeiten. Morgen sage ich mir, ich schaue mir Skagway morgen an, wenn die Sonne scheint und ich ausgeruht und bin und dann trinke ich gemütlich irgendwo Kaffee und esse ein Croissont.
iOverlander wies einen Platz in der Nähe des Chilkoot Trails aus, der mich zum Übernachten einläd. Elf Kilometer geht es hinein in eine kleine Seitenbucht des Skagway Fjordes. Es ist einfach schön. In den Flats, einer Ebene, die vom Fluss und den Gezeiten gestaltet wurde, finde ich zwischen Kiefern einen Platz, der einfach zum Träumen einläd. So ziehe ich meine Wanderschuhe an, packe das Regenzeug in meinen Rucksack und mache eine Tour in die Flats des Taiya River. Einst stand hier der Ort Dyea mit etwa 10 Einwohnern. heute gibt es nicht mehr, als vermoderte Überreste der 2 Meilen langen Landungsbrücke vom Ort bis hinaus in die Bucht um das Be- und Entladen der Schiffe zu beschleunigen. Doch als der Steg fertig war, war der Goldrausch schon vorüber, der Ort wurde verlassen, und verfiel und verschwand vom Erdboden bis auf ein paar wenige Pfeiler der Landungsbrücke. Doch die Wolken werde dunkler und babld beginnt es zu regnen. Also gibt es heute kein Feuer, dafür Heizung im Bus, Bakes Beans mit Speck und bevor ich einen Absatz meines Buches gelesen habe, schlafe ich auch schon tief und fest.
12. Juli 2022. Der Regen trommelt auf auf das Dach meines FidiBus als ich erwache. Also koche ich meinen Morgenkaffee im Bus, die Morgentoilette beschränkt sich heute auf’s Zähneputzen und dann fahre ich zurück nach Skagway. Ich staune nicht schlecht, als ich schon von Weitem vier Kreuzfahrtschiffe in dem kleinen Hafen liegen sah und ich staunte noch mehr, als ich sah, dass sich die Stadt von einem beschaulichen Ort in ein, von Touristen überschwemmtes Becken verwandelt hat. Nichts ist mehr beschaulich.
Babilonisches Sprachgewirr, Regenschirmgeschubse, und Sturm auf die Geschäfte. An jeder Ecke ein Juwelier, ein Souvenier- oder Klamottenladen und dazwischen ein paar Outdoorläden mit gutem Angebot für die vielen Wanderer, die auf den Spuren der Stampeeder den Chilkoot Trail wandern, um sich nach drei Tagen von Bussen wieder abholen zu lassen. Das ist eine wirklich herausfordernde Tour, doch muss heute niemand mehr nachweisen, dass er eine Tonne Gepäck zusammen hat, bevor er sich auf den manchmal im wahrsten Sinne des Wortes mörderischen Weg machte. Es war genau vorgeschrieben, was das Gepäck zu enthalten hatte. Butter, Fett, Schaufel, Pickel, Zelt und und und….
Der Weg musste mehrfach gegangen werden, um all das Gepäck auf die andere Seite des Passes zu bringen und der Weg war nur im Winter bei -50°C zu begehen. Bis zu dreißigtausend Männer und Frauen befanden sich oft in langer Schlange gleichzeitig auf dem Trail.
Also: Dann ist das doch fast so wie heute. Menschengedränge in den engen Gassen, Sprachgewirr, es wurde gekauft was ging, nur das Bordell ist außer Betrieb, wird aber als burleske Touristenattraktion für vornehmlich ältere Herrschaften mit kichernder Begleitung für zehn Dollar zur Besichtigung geöffnet. Es ist schhon allein der Bar wegen, der einzige Ort, an dem man in Skagway ausgefallen essen und trinken kann. Wirklich empfehlenswert.
Es hat geschneit und der Neuschnee liegt bis fast auf Meereshöhe. Ich fahre gegen Mittag zurück nach Whitehorse. Es schüttet, auf den Bergen schneit es. Es ist verrückt. Erst Feuer ohne Ende und nun Regen und Erdrutsche. Unterwegts schicke ich Lina und Philipp eine WhatsApp, dass ich am Abend um acht Uhr wieder in der Stadt bin und hoffe sie noch anzutreffen. Tatsächlich sind sie noch da. Sie freuen sich und wir verabreden und zum Essen, landen letztendlich wieder im Rib & Salmon, erzählen und haben wiedereinmal einen schönen Abend. Ich bin froh die beiden getroffen zu haben und ich glaube ihnen geht es nicht anders. Morgen brech ich auf nach Dowson City.
Also bis denne!
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