Für die Weiterfahrt in Richtung Watson Lake ist noch einiges zu erledigen.
Meine Lebensmittel müssen dringend ergänzt werden, meine Telefonkarte muss erneuert werden und dann gehe ich noch einmal Kaffee trinken und meine Mails checken. Ein Update über das Weltgeschehen ist auch von Nöten, denn wenn man mich hier zu den neuen Entwicklungen in Europa im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine befragt möchte ich nicht ganz mit leeren Händen dastehen. Doch dann, am Mittag endlich fahre ich los, nachdem ich meinen FidiBus wieder aufgetankt habe. Glücklicherweise haben sich die Dieselpreise wieder etwas beruhigt und man bekommt den Liter Diesel wieder für zwei Dollar neun.
Die Fahrt über den Highway führt mich auf bekanntes Terrain. Dennoch bieten sich immer wieder Möglichkeiten anzuhalten und in Gedanken den Weg der Stampeders nachzuzeichnen. Lake Schwatka und Marsh Lake, welche körperlicher Einsatz der Pioniere, die diese Route erkundeten, bevor sie den Männern und Frauen eröffnet wurden und damit der große Zug der zigtausend Menschen begann. Dreihundert Kilometer vor Watson Lake und kurz vor … geriate ich in ein schweres Gewitter. Der Wind wird zum Sturm, der Himmel verfärbt sich schwarz und der Regen prasselte herab. Blitze schlagen irgendwo in den Bäumen ein und meine Scheibenwischer schaffen es kaum noch, mir die Sicht auf die Straße frei zu wischen.
Meine Uhr verrät mir, dass es bereits fünf Uhr ist, Zeit um die Fahr für heute zu beenden. In Johnsons Crossing ist ein Campground und den steuere ich heute an. Inzwischen hat das Gewitter aufgehört und als sei nichts gewesen scheint die Sonne. Zeit für ein Campfeuer. Holz ist genügend vorhanden. Und es dauert nicht lange bis ich mir genug Holz gespalten habe um auch für morgen noch einen Vorrat zu haben.
Von hier bis Watson Lake sind es etwas mehr als dreihundert Kilometer, eine bequeme Tagesreise.
Kurz hinter Watson Lake passiere ich den Abzweig auf die Canol Road zum Campbell Highway. Soll ich? Soll ich nicht? Ich soll! Also mache ich kehrt und versuche auf den Highway zu gelangen, der mir auf dem Hinweg wegen der Waldbrände verwehrt geblieben ist. Die Canol Road wurde gebaut um nach dem Angriff auf Pearl Harbour eine Pipline zu bauen, die die Ölversorgung Yukons und der Northwestern Territories sichern sollte. Meine Karte weist diese Straße als ungewartet aus und wahrlich, das war sie auch. Nach zwanzig der zweihundert Kilometer langen Strecke gebe ich auf. Bis hierher tastete ich mich mit zehn oder fünfzehn Stundenkilometern vorwärts. Vor mir nichts als zweihundert Kilometer aneinandergereihte Schlaglöcher und nach zwei Stunden nicht ein Auto. Das Risiko einer Panne und keiner Hilfe scheint mir zu groß. Ich wende und versuche meinen FidiBus heile wieder auf den Alaska Highway zu fahren. Nach weiteren zwei Stunden kann ich aufatmen. Asphalt. In Gedanken verbeuge ich mich vor den Arbeitern, die dieses Straße so bequem gemacht haben. Am Abend bin ich in Watson Lake, kaufe an der Tankstelle noch einen Sixpack Bier und dann gönne ich mir im Recreation Center eine heiße Dusche und eine Sauna. Das ist mir doch glatt vier Dollar wert. Donnerwetter tut das gut! Alle Verspannungen des anstrengenden Tage fahren mit dem Schweiß aus mir heraus. Schlagartig werde ich müde. Campsite ich komme.
Bevor ich heute, am fünften August Richtung Jade City aufbreche besuche ich das Watson Lake Northern Light Center. Für acht Dollar bekommt man hier eine Show geboten die mich zutiefst beeindruckte Die Entstehung des Polarlichtes wird hier ebenso erklärt, wie die Bedeutung die die First Nations dieser Himmelserscheinung zuwiesen. Und dann die Polarlichter selbst aus der Sicht der ISS aber am eindrucksvollsten von einem Filmemacher mit einer Spezialkammera aufgenommen. Schnell wird aus dem Film die Illusion direkt unter diesem wundervollen Lichtspektakel zu stehen. Zwanzig Minuten staune ich über das, was sich um mich herum und über mir abspielt. Unsere Welt, sie ist so schön.
Cassiar Highway
Bis Jade City werde ich es heute schaffen, die Northern Light Show hat mich viel Zeit gekostet, Zeit die ich aber besser nicht hätte nutzen können.
Auf dem Cassiar Highway nehme ich einen Mann mit, der hier trampt, was schnell zu einem Geduldsspiel werden kann. Nur wenige Autos fahren den Highway in dieser Richtung. Er sei First Nation. Es sei ja nicht weit bis nach Good Hope Lake. Praktisch der nächste Ort. Nicht weit heißt in diesem Fall einhundert Kilometer. Wir unterhalten uns über die Waldbrände, über die Jagd und seinen Job. Er ist ein „dies und das“. Seine Aufgabe ist es wie die der anderen Clanmitglieder zu fischen, zu jagen und ein wenig zu handeln. Sein Bruder Cousin sei im Juni verschwunden, erzählt er mir. Betrunken und bekifft sei er nach einem Streit in den Wald gelaufen und bisher noch nicht zurückgekehrt. Ob er sich keine Sorgen macht und ob man ihn sucht frage ich. Nein, suchen kann man ihn nicht. Der Wald sei groß, dicht und unwegsam. Da würde das Search and Rescue Team gar nicht erst aufbrechen. Aber sein Cousin kennt sich im Wald aus. Wenn er nicht wiederkommt, dann sei er wohl verunglückt. Das kann hier schnell passieren.
Hmm, Ich werde nachdenklich. In Good Hope Lake steigt er aus und ich setze meine Fahrt für die letzten zwanzig Kilometer bis nach Jade City fort. Später werde ich die Suchanzeigen an der Straße und in den Terrace finden. Dieser Highway und der Yellowhead Highway sind dafür berüchtigt, dass hier immer wieder junge Menschen, zumeist junge Frauen verschwinden. Trampen ist daher verboten und sowohl Tramper als auch diejenigen, die Tramper mitnehmen erwartet eine saftige Strafe.
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