ade City ist ein Ort mir gerade einmal achtzig Einwohnern und sind ausnahmslos im Mining-Business beschäftigt. In jedem Reiseführer findet sich die Beschreibung des Jadegeschäftes, das man tatsächlich nicht verpassen sollte. Ein großes Schild verkündet gut sichtbar „Free Coffee“ .Neben den üblichen Souvenirs findet man dort auch wirklich kunstvoll verarbeiteten Schmuck aus Jade und Silber. Man kann den Künstlern bei der Arbeit zuschauen oder einfach ein nettes Gespräch mit Jonas führen, wenn das Geschäft noch nicht so voll im Gange ist.

Free Coffee in Jade City

Da ich die Nacht auf dem einfachen, dafür aber kostenlosen Campingplatz verbracht habe, bin ich bereits um neun Uhr im Geschäft und identifiziere auf Anhieb Jonas, einen deutschen Mitarbeiter, der mir von Lina und Philipp wegen seiner Geschichten über den Jadebergbau ans Herz gelegt wurde. Doch bevor er erzählt bekomme ich den kostenlosen Kaffee angeboten, der nicht nur „free“ war sondern auch „dark rosted“und gut. Der Eigentümerin des Geschäftes ist auch die Eigentümerin einer Jademine, die hoch in den Bergen etwa achtzig Kilometer östlich von Jade City in den Bergen gelegen ist. Dieses Jahr kann sie jedoch wegen des noch immer dort liegenden Schnees erstmals nicht betrieben werden. Circa zehn Meter hohe Schneefelder versperren den Zugang zur Mine.

Und noch etwas setzt mich in Erstaunen. Jade City steht für etwa achtzig Prozent der weltweit geförderten Jade in dieser Qualität. Wegen ihre Zähigkeit und Härte gilt sie als besonders widerstandsfähig und damit als besonders wertvoll. Bisher war ich im Glauben, China und der asiatische Raum sei für die Hauptfördermenge dieses begehrten Gesteins verantwortlich. Nun, ich werde dieser neuen Information im Laufe meiner Reise nachgehen.

Doch Jonas hat noch einen weiteren Tipp für mich auf Lager: Etwas abseits gäbe es eine Piste zu einer ehemaligen Asbestmine. Sie schlängelt sich etwa zwanzig Kilometer auf einer Schotterpiste, vorbei an Geisterorten ehemaliger Goldminen, aber auch vorbei an gut gesicherten zu noch betriebenen Minen. Nach einer halben Stunde taucht die alte Mine aus dem Busch auf. Auf dem Gelände stehen zahllose Minenfahrzeuge, Bagger, Trucks, Schlepper und vieles mehr herum, ein wahres Freilichtmuseum. Die alte Mine jedoch verbirgt sich hinter einem hohen Zaun. Ganz klar, dies ist ein Fall für meine Drohne, die stets einsatzbereit in meinem FidiBus auf Arbeit wartet. Mit ihrer Hilfe verschaffe ich mir einen Blick über den Zaun. Riesige Halden bergen, wenn man ein wenig sucht wunderschöne Jadebrocken – oder eher Bröckchen und wenigstens eines davon sammele ich ein. Ein Mitbringsel für Gitte.

Relikt einer vergangenen Zeit
Verlassene Asbestmine nahe Jade City

Auf dem Weg zurück ins Tal fallen mir die vielen bunten Blumen am Wegesrand auf. Ja, für ein paar Wochen zeigt sich nun die Sommerflora, bevor der kurze Herbst und dann der lange Winter kommt.

Zurück in Jade City versucht Jonas mich zu überreden über den Winter hier zu bleiben. Seine Chefin suche dringend Ersatz für ihn, denn er wird nach drei Jahren Kanada im September wieder nach Deutschland zurückkehren. Seine Chefin zahle gut und es gehe hauptsächlich um Wartung der Maschinen, ein Job, der keine speziellen Vorkenntnisse erfordere. Einmal im Monat, sofern die Straße befahrbar sei müsse ich ich nach Prince Rupert zum Einkaufen fahren. Zwölf Stunden Fahrt im Sommer, im Winter wohl etwas mehr, für eine Richtung. Im Großmarkt werden dann für etwa sechstausend Dollar Lebensmittel für die gesamte Gemeinde eingekauft. Inklusive Benzin sei das immer noch billiger als in dem knapp einhundertfünfzig Kilometer entfernten Watson Lake einzukaufen, wo es keinen Großmarkt gibt. Mir wird schwindelig bei dem Gedanken auf der gefrorenen Schneepiste bei Nacht und Schneetreiben mit Truck und Anhänger unterwegs zu sein.

Ich lehne also das Jobangebot dankend ab. Oh ja, Jobs liegen auf der Straße, wenn man in der Grauzone des Arbeitsgesetzes Geld verdienen möchte. Seit Covid hat sich die Nachfrage in den abgelegenen Gebieten nach Personal drastisch verstärkt. Doch die jungen Menschen versuchen in den Städten ihr Glück.

Mich zieht es nun weiter. Telegraf City ist mein nächstes Ziel. Der Weg dorthin zählt zu den großen Attraktionen eines Kanadareisenden. Von Jonas lasse ich mir den Weg beschreiben, der abermals vom Cassiar Highway nach Norden abzweigt. Zwanzig Prozent Steigung/Gefälle, eine raue, nur vier Meter breite Schotterpiste, auf der einen Seite steil aufragender Fels, auf der anderen Seite einhundert und mehr Meter tiefe und ebenso steile Abhänge. Besonders gefährlich bei Regen, wenn sich die Piste in eine Rutschbahn aus Schlamm verwandelt. Okay, ich weiß Bescheid.

Kurz hinter Jade City stoße ich auf den Abzweig nach Telegraph City. Nun geht es also einhundert fünfzehn Kilometer mit etwa zwanzig bis dreißig Kilometern pro Stunde bergauf. Und dann beginnt es zu regnen und tatsächlich setzt sich das Profil meiner Reifen sofort mit dem lehmigen Schlamm zu und ich komme ins Schlingern. Meine Vernunft schaltet sich ein und nach ein paar weiteren Kilometern finde ich eine Stelle, die breit genug ist um zu wenden. Ein Manöver, das mir die Schweißperlen auf die Stirne treibt, doch nach einigem Vor und Zurück zeigen die Scheinwerfer meines tapferen FidiBus wieder ins Tal. Zurück zum Cassiar Highway nach Meziadin, dem Ausgangspunkt eines weiteren Abstechers nach Alaska.