Ich wache auf, schaue auf die Uhr und sehe, es ist fünf vor halb drei am Morgen, der Wecker klingelt in fünf Minuten. Auf ein Frühstück verzichte ich, ich richte meine Sachen. Foto und Filmkamera sind einsatzbereit und die Ersatzakkus sind geladen. Das Konzept steht ebenfalls und so fahre ich los. Wie abgemacht klopfe ich halb vier an das Fenster der Bäckerei. Silvia die Chefin öffnet mir die Tür. Außer ihr ist noch eine junge Bäckerin in der Backstube und bereitet sich auf ihre Arbeit vor. Sie ist aus Thüringen, was auch ohne ihre Erklärung nicht schwer zu erkennen ist. Bis sie so weit ist, werden wir das Interview produzieren. Im Verkaufsraum gibt ein paar Tische und Stühle für die Gäste, die hier später bei Kaffee und Kuchen sitzen. Es ist ein guter Platz für das Interview, das ich später unter das Video schneiden möchten. Die Kamera wird eingerichtet und los geht es. Als erstes berichtet Klaus. Sein Weg vom Prüfingenieur eines bedeutenden Prüfbüros für Brückentechnik bis zum Entschluss all das aufzugeben um sich mit einem völlig neuen Thema auseinanderzusetzen fasziniert, geht mit dem Berufswechsel zugleich auch ein Ortswechsel und eine vollständige Veränderung des bisherigen Lebens vonstatten. Nicht weniger interessant ist die Entscheidungsfindung, die Silvia zu diesem Schritt bewogen hat. Aus einem Steuerbüro in eine Bäckerei. Da gibt es ebenso wenig Verbindungen wie vom Ingenieur zur Bäckerei.
Getragen wurde ihre Idee jedoch von der gemeinsamen Vorstellung einem nachhaltigen und ökologischen Umgang mit dieser Welt. Bereits früh engagierten sich Silvia und Klaus in diversen Umweltprojekten im Ausland. Sie studierten das Leben der Wale, tauchten zu den Haien und unterstützten Forschungsteams bei ihrer Arbeit. So wurden sie auch Teil einer Filmreihe, die sie sie bei der Arbeit in dem Forschungsteam zeigt. So kam eines nach dem anderen und irgendwann reifte die Entscheidung aus dem Überfluss zurückzutreten und sich darauf zu besinnen, was wesentlich im Leben ist. Essen ist nun einmal wesentlich und gesund essen im Besonderen. Fortan wollten sie Bäcker sein in einem Land, dass ihnen die Freiheit eines solchen Traumes ermöglichte, und das in einer grenzenlosen und fast unberührten Natur. Die geräumige Wohnung in der Umgebung Münchens wurde aufgegeben, Das Bäckerhandwerk erlernten sie bei einer befreundeten Bäckerfamilie und los ging’s in die kleine, vierzig Quadratmeter große Wohnung über der gekauften Bäckerei in Whitehorse. Die Bäckerei existierte ja bereits als Alpine Bakery, die ebenfalls von einem deutschen Ehepaar betrieben wurde, die nun aber aus Altersgründen die Zeit zu einem Wechsel gekommen sahen. Ein guter Start.Doch Silvia und Klaus beließen es nicht bei der Herstellung biologischen Brotes. Ihre Idee ging weit darüber hinaus. Gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze für die Mitarbeiter, einbeziehen regionaler Produkte, faire Preise für die Erzeuger. Damit sollte die Alpine Bakery weit über Whitehorse hinaus wirken.
Zwischenzeitlich war es so weit. Der Teig war in dem großen Kneter geknetet. Er kam auf den Tisch und wurde in Pfundlaibe geteilt und gewogen. Die Backform war mit einem gemehlten Tuch ausgelegt und hier hinein kam nun der Teig. Der Steinofen war bereits über Nacht geheizt worden und wurde nun gesäubert. Hier hinein wanderten nun die Backformen. Ein zweiter Teigansatz wurde im Kneter verarbeitet. Nach einer Ruhezeit wurde auch dieser von … aus dem Kneter auf den Tisch geholt, wieder geschnitten, aber anders als zuvor die in die Kastenform wurden diese in Körbchen gegeben, wo sie nun noch eine Weile gehen konnten. Später wanderten auch diese runden Laibe in den Ofen. Weitere Mitarbeiter erschienen. Mutter und Tochter, ebenfalls aus Thüringen kümmerten sich um den Backvorgang, beziehungsweise machten sich an die Herstellung von Yoghurt. Immer wieder wurde die Temperatur der Milch gemessen, bis er dann in Gläser abgefüllt in die Kühltheke gestellt wurde. Um neun Uhr wurde die Ladentür geöffnet. Inzwischen lag das frische Brot duften und noch warm in den Regalen. So ganz nebenher wurde weiteres Gebäck gebacken und so lag nun eine beachtlicche Auswahl feinster Backwaren bereit.Kurz nach neun war der Laden voll. Eine Frau aus Dawson City kaufte große Mengen Brot, wir kamen ins Gespräch und natürlich kannte sie Helmut und auch seinen Freund und Farmer Otto. Er war ihr Nachbar. Auch Hotels und Restaurants deckten sich mit Brot und Yogurt ein. Während sich die Reagle stetig leerten wurde der Ofen für den nächsten Tag vorbereitet. Armdickes Holz, etwa einen Meter zwanzig lang wurde in den Ofen geschoben und in der Restwärme geröstet um so zu einem guten und sicheren Brand vorgetrocknet zu werden. Sofort verbreitete der würzige Duft des Fichtenholzes in der ganzen Bäckerei. Um zwei waren die Regale leer, Zeit um sich zu verabschieden. Zu Abschied schenkt mir Klaus ein Buch mit Fotos, die er aus der ganzen Welt mitgebracht hatte. Fotos, deren Ursprung sich oft erst offenbarte, wenn man den Text dazu las. Die Gedanken, die sich mit dem Foto verbanden und die nur noch einmal deutlich machten, welche behutsame Einstellung die Leitschnur der Arbeit für die beiden darstellt.
Erneut war durfte ich besondere Menschen kennenlernen und erfahren wie ich meinem Wunsch, die Menschen in den Mittelpunkt meiner Reise zu stellen, Stück für Stück näher komme.
Meine Zeit in Yukon Territory geht nun zu Ende. Morgen breche ich auf und reise neuen Erlebnissen entgegen.
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