Es dauert ein wenig, bis wir herausfinden, wo wir Johns Sägewerk finden. Doch endlich sind wir auf dem richtigen Weg. Er führt uns hinaus aus Terracce, ein paar Kilometer auf dem Highway 113 nach Norden. Fdoch dann sehen wir das Tor zur Einfahrt. Wir werden bereits erwartet. Es gibt erst einmal einen richtig guten Espresso in Johns Büro. Es ist gemütlich ja sogar wohnlich. Holländer haben’s wohl doch gern gemütlich. John erledigt noch ein paar Schecks für Mitarbeiter, Lieferanten und Dienstleister, die alle lieber einen Scheck in der Hand halten, als sich auf die Wunder der elektronischen Geldübermittlung zu verlassen. Dann hat er Zeiet. Sechzig Prozent seines Geschäfts wickelt er mit Steinway ab, die restlichen vierzig Prozent gehen in das Geschäft mit anderen Musikinstrumentenhersteller, zumeist in die Produktion akustischer Gitarren, Schiffsbauern und in den Flugzeugbau.

John van Bueren verwandelt Bäume in Musik

Hier in Terrace werden nur die ersten Schritte gemacht.Er sucht im Sommer die Bäume aus, die er für geeignet hält, wozu er mit dem Hubschrauber in die Wälder zu den Flächen fliegt, die für den Einschlag freigegeben sind. Der Baum muss gerade gewachsen sein und im unteren Stamm dürfen sich nur wenige Äste befinden. Die Fichten sind zumeist zwischen zweihundertfünfzig und sechshundert Jahre alt. Sie sind in sich völlig unverdreht und kerzengerade. Die Bäume werden markiert, geschlagen und dann im Anschnitt noch einmal von John beurteilt. Was nicht seinen Kriterien entspricht, verkauft er an andere Sägewerke weiter. Der Zuschnitt ist eine Wissenschaft für sich, die Maschine, aus der Schweiz geliefert und unbeschreiblich teuer, schneitet die Bretter in einer Genauigkeit von 0,5 mm. Unvorstellbar, besonders hier in Kanada, wo es solche Sägen nicht gibt. Da verläuft ein solcher Schnitt über zwölf Meter schon einmal um zwei Zentimeter. Der Schnitt erfolgt stets genau senkrecht zu den Jahresringen. Bei diesem Verfahren wundert es dann auch nicht, dass es etwa vier Stunden dauert, bis ein solcher Stamm zugeschnitten ist. Die Säge arbeitet so fein, dass dieses Holz bereits ausschaut wie gehobelt. Ich streiche über die Oberfläche und es ist kein Widerstand zu spüren, kein Spahn stellt sich meiner Hand entgegen. Normalerweise eine Arbeit von zwanzig Minuten. Es wird die Dicke, die Breite und die Feuchte gemessen, bevor die Lagen zum ersten Trocknen im Freien gelagert werden. Von hier aus gehen die Zuschnitte über Land nach Prince Rupert und auf dem Seeweg nach Vancouver. Dort erfolgt der genaue Zuschnitt, die Feinarbeit und eine weitere Trocknung und wieder geht es auf die Reise, dieses Mal nach Holland. Dort wird der zukünftige Klangboden des Flügels aus den einzelnen Zuschnitten zusammengesetzt und mit Knochenleim verleimt. Das Holz wird zuvor wieder bis auf ein paar wenige Prozent getrocknet um anschließend den, dem jeweiligen Holz entsprechende natürliche Feucht aufzunehmen. So ist gewährleistet, das der Klangboden wie aus einem Stück auf immer und ewig zusammen hält. Jetzt ist der Zeitpunkt das Holz auf seine vorerst letzte Reise zu schicken: Zu Steinway nach Hamburg. Hier wird dem Klangboden die Musik ins Holz gegeben, der Korpus geformt und dann ist es so weit. Der Baum erklingt. Ja, immer werde ich daran denken, wenn ich in Zukunft in einem Konzert sitze und den Namen Steinway auf einem Flügel sehe, Ich werde den Stamm vor mir sehen und die Hände, die aus ihm ein solch perfektes Instrument zum Erklingen bringen.

Cäcilia und Hans staunen über die Johns Führung durch das Sägewerk

Und dann erzählt uns John noch eine andere Geschichte:

Er schlägt auch die Bäume für den Bau japanischer Tempel. Hierzu kommt der Architekt, und es gibt nur jeweils einen Architekten, der dazu bestimmt ist den Tempel zu bauen, der vvor dem Schlagen der Zeder rituelle Gebete und das glückliche Gelingen zu Ehren der Götter spricht. Ist der Baum geschlagen, wird der, auf seine Länge zugeschnittene Baum nach Japan verschifft. Dort wird er ähnlich dem Klangboden getrocknet und so zugeschnitten, dass man die Segmente bis zu der gewünschten Höhe aufeinander stellen kann. Wieder aht der Architekt und Priester die Gebete zu sprechen und die rituellen Handlungen zu vollziehen, bevor der Bbau des Tempels begonnen werden kann. Alle Verbindungen werde so gesteckt und in exakte Profile gelegt. Und wie bei Steinway sorgt die Aufnahme der spezifischen Feuchte dafür dass die Verbindung über jahrhunderte stabil und sicher ist. Kein Leim, kein Zapfen, kein Nagel und keine Schraube hält das Holz zusammen. Es ist seine eigene Kraft, die auf Ewigkeit eine Einheit bildet. Und noch etwas ist bemerkenswert. Stirbt der Architekt vor Fertigstellung des Tempels, so bleibt dieser unvollendet. Niemand darf den Tempel fertigstellen. Er ist im Kraftfeld des Architekten, es ist sein Baum, es sind dessen Gebete. ohne ihn ist der Tempel ohne seinen göttlichen Segen.

Wir werden still. Kann ein Baum mehr Würdigung?