Von Jade City aus war der Weg nach Meziadin war der Weg recht ereignislos, sieht man einmal davon ab, dass schon von Weitem etwas entdeckte, dass wie ein Bär aussah und sich am Ende als ein Prachtexemplar eines Schwarzbären bestätigte.

Schwarzbär am Cassiar Highway

In aller Ruhe pflückte er am Straßenrand Beeren. Später wurde meine Aufmerksamkeit auf ein Karibu gelenkt, das ich auf einem kurzen Spaziergang aus den Büschen auf mich zukommen sah. Wieder einmal zeigt es sich, dass ich wirklich immer alle Foto- und Filmtechnik im Rucksack haben muss, zusätzlich zu dem Bärenspray, dass man selbst zum Pinkeln immer griffbereit halten soll. Gebraucht habe ich es bisher noch nicht und ich hoffe, dass das auch so bleibt.

An einem Restaurant treffe ich ein Schweizer Ehepaar wieder, mit denen ich bereits in Whitehorse ausgiebig geplaudert hatte. Wieder wechselten wir ein paar Worte und dann zog jeder wieder seiner Wege. Die Schweizer in Richtung Prince Rupert und ich in das Café.

Am Abend entschied ich mich dazu, Lake Mezaidin Camp Ground zu übernachten, denn es gab in der Nähe nichts, wo ich hätte stehen können. Es war eng auf dem Campground und so frage ich meine Nachbern, ob es ihnen recht sei, dass ich meinen FidiBus neben ihnen Parke. Eine folgentreiche Frage! Noch während ich mich einrichte werde ich gerufen und an das Campfeuer des besagten Ehepaares gerufen. Sie waren so angenehm davon überrascht, dass ich sie um Erlaubnis fragte, dass sie diesen netten „Gentleman“ näher kennenlernen wollten. Wie sich herausstellt, sind die beiden Texaner. Im Verlauf des Abends laden Norman und Barbara mich zum Essen ein und ich bin begeistert. Ein wunderbares Steak mit Kartoffeln und Röstzwiebeln. Besser als in jedem Restaurant.

Norman holt seine letzten Bierdosen hervor und es wird ein sehr fröhlicher Abend. Ich vermeide alles, was geeignet wäre ein Gespräch über Trump zu provozieren. Doch Erna tut’s dann doch. Ich bin nach dem Bier nicht mehr bereit zu diskutieren oder mir an einem so schönen Abend die Stimmung zu ruinieren. Meine Sorge ist unbegründet. Einmütig erklären beide, Trump sei in Idiot, ein Lügner und ein Verräter. Aus tiefstem Herzen stimme ich ihnen zu und erkläre, er sei es gar nicht wert, auch nur über ihn zu sprechen. Und so war’s das mit Trump.

Früh am Morgen starte ich zunächst nach Steward, von wo aus eine Straße nach Hyder und auf einer recht üblen Schotterpiste hinauf zum Salmon Glacier führt. Im Tourist Information Center von Steward erledige ich die Formalitäten für die Wiedereinreise aus Alaska nach Kanada. Selbst wenn man das Land nur für Stunden verlässt, so hat man bei der Einreise die aktuelle ArriveCan-App nachzuweisen. Bürokraten sind überall auf der Welt zuhause und zumeist lästig.

Zwei Kilometer hinter Stewadrd überschreite ich die Grenze in Hyder, Alaskas südlichstem Grenzübergang.

Hier gibt es eine Beobachtungsstation, von wo aus man die Bären beim Lachsfischen aus nächster Nähe beobachten kann. Für acht Dollar versuche ich mein Glück und ziehe nach zwei Stunden erfolglosen Wartens weiter. Schließlich habe ich noch sechzig Kilometer vor mir und die haben’s in sich. Um mich herum eröffnet sich eine spektakuläre Landschaft.

Bear Glaciar

Hohe schneebedeckte Berge, Riesige Wasserfälle und tiefe Schluchten. Immer wieder halte ich an und sauge die Eindrücke in mich hinein und das erste Mal befällt mich ein Gefühl, dass mir sagt: Matthias, hierher wirst du nie wieder zurückkehren. Ich muss die Bilder festhalten, nicht nur auf meinem Foto, sondern ganz besonders im Kopf.

Unerwartet taucht die Zunge des gewaltigen Salmon Glacier vor mir auf. Graue und weiße Streifen sind Zeichen seines Fließens. Am Abbruch schimmert das Blau des uralten Eises, dass nun noch einmal eine Verwandlung erfährt und zu einem trüben aber reißenden Gletscherfluss wird. Welch ein Schauspiel.

Salmon Glacier

Um drei Uhr habe ich mein Ziel erreicht. Ich stehe über dem Gletscher und schaue hinab. Mein Gott, wie beeindruckend diese Landschaft aus Eis und Fels ist. Und doch – Deutlich sind die Spuren seines Abschmelzens zu erkennen. Zehn oder gar zwanzig Meter hat er sich von den Berghängen bereits zurückgezogen und auch dieser Riese wird schon bald keinen Fluss mehr nähren. Es ist erschreckend. Eine Kette von Folgen wird das Ergebnis sein. Erst der Gletscher, dann der Fluss, die Ebene wird trocken. Es fehlen die jährlichen Überschwemmungen, kein Wasser in den Wasserfällen und den Bächen, keine Lachse, keine Bären…

Salmon Glacier

Dennoch jetzt genieße ich das Szenario dass sich meinen Augen bietet. Und… der graue Sprinter des Schweizer Ehepaares schwenkt auf den Parplatz ein. Irgendwie gewöhnt man sich auf Reisen schnell aneinander und so scheint es mir, als freute es uns beide, uns hier oben wieder zu treffen. Also beschließen wir hier oben zu übernachten. Ich habe Feuerholz dabei und schon spenden uns die Flammen genug Wärme um uns zusammenzusetzen und von unseren Plänen zu erzählen. Cäcilia und Hans wollen, je nach Budget weiter über die USA nach Südamerika reisen. In der Nähe von Vancouver besuchen sie Verwandte, die sie nie zuvor getroffen haben und sie sehen sich als „Budget Traveller“, gerade so wie ich. Später gesellen sich noch ein deutschen und ein österreichisches Paar zu uns und wiedereinmal haben wir einen spannenden Erzählabend.

Bevor die Österreicher, Erna und Harry am nächsten Morgen weiterziehen, bringen sie mir noch ein großes Päckchen selbst gefangenen Sokey-Lachs. Super und nun bin ich doch froh, meine Kühltruhe mitgenommen zu haben. Dort hinein wandert mein Lachs, ich stelle den Regler auf gefrieren und freue mich auf eine festliche Gelegenheit ihn zuzubereiten. Cäcilia und Hans machen sich auf den Weg und ich bin erst einmal allein.

Mit einigem Schrecken stelle ich fest, dass sich mein Dachgepäckträger in Auflösung befindet. Eine Gummihalterung hat sich bereits irgendwo auf der Holperpiste verabschiedet, die anderen Träger sind alle Locker oder werden nur noch durch das Gewicht der Ladung gehalten. Während ich das also korrigiere kommt ein Truck mit drei Männern, von denen zwei sofort auf einem Berg verschwinden.

„John“ stellt er sich vor und bei dem üblichen Woher, Wohin zeigt sich, dass er Holländer ist, der seine neuen Mitarbeiter an diese Stelle bringt um sich von der Gewaltigkeit dieses Gletschers beeindrucken zu lassen. John, so erzählt er mir hat in Terrace ein Sägewerk. Doch es ist ein besonderes Sägewerk. Er schneidet dort das Holz, das später zu einem Steinway-Flügel verarbeitet wird. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Wieder so eine besondere Begegnung. Meine Neugier ist erneut geweckt und ich denke mir, dass ich nichts verlieren kann wenn ich ihn bitte, sein Werk besuchen zu dürfen. John scheint auf die Frage nur gewartet zu haben und schon habe ich seine Karte. Und ich solle mich melden, sobald ich in Terrace sei. Es ist so einfach immer wieder etwas Neues zu erfahren. Neugier ist der Schlüssel zum Erleben. Immer wieder zeigt sich die alte Weisheit als so zutreffend.