Heute Abend möchte ich nun endlich in Vancouver ankommen, doch es geht wieder einmal nicht so schnell wie gedacht. Bereits kurz nach Squamish befindet sich die ehemalige Kupfermine Britania und natürlich möchte ich mir das nicht entgehen lassen. Leider sind die Untertageführungen ausgebucht. Was bleibt, ist eine Multimediashow die immerhin beeindruckend den Betrieb in der einstigen Aufbereitungsanlage zu Gesicht, aber besonders eben zu Gehör bringt. Das Wummernde Poltern der Erzmühlen bestimmte den Takt der Gemeinde. Tag und Nacht lag dieses Geräusch in den Ohren. Für die Menschen bedeutete es Arbeit und bescheidenen Wohlstand. Welch eine verstörende Ruhe muss es gewesen sein, als eines Tages in den 1970er-Jahren die Mühlen stillstanden. Kein Lärm, keine Arbeit, kein Zukunft für die Siedler. So wurde der Ort aufgegeben. Zurück blieb der von Schwermetallen belastete Boden, ein hoch belasteter How-Sund, dessen Wasser keine sämtliches Leben unmöglich machte.

Heute ist die Wasseraufbereitung und Bodenrestaurierung eine Vorzeigeprojekt dafür, wie effizient eine Wiederherstellung eines Ökosystems gelingen kann. Bei der Methode der Aufbereitung der Gewässer stellt sich mir jedoch die Frage nach der Nachhaltigkeit. Der Biochemiker, dem ich meine Bedenken schilderte zuckte resigniert die Schultern. ‚Es ist das Beste, was wir heute tun können‘. Und so lagern in so genannten Ponds, das sind künstliche Seen, hoch in den Bergen die mit Schwermetallen belasteten Schlämme. In meinen Augen ein Problem, mit dem sich spätere Generationen herumschlagen müssen. Nach vier Stunden verlasse ich die Mine mit vielen Fragezeichen in den Windungen meines Gehirns.

Es ist mir klar, im Hellen erreiche ich Vancouver heute nicht mehr. Ich weiche von dem autobahnähnlichen Highway ab und fahre über den West Marine Drive in die Stadt. Hier wohnen die Reichsten der Reichen. Direkt am Ozean verteilen sich die Villen in einem Park alter hoch aufstrebender Zedern. Es scheint mir geradezu symbolhaft für das Streben nach Erfolg und grenzenlosem Wohlstand zu sein. Nach einer Weile lenke ich meinen FidiBus durch den Stanley-Park über die Lions Bridge. Unter ihr fuhr ich mit Gitte hindurch. Bekannte Straßennamen geben mir ein Gefühl des Angekommenseins. Burrard Street, die Burrard Bridge, links neben mir die Grenville Bridge und Grenville Island. Zwanzig Minuten später biege ich ab zur Spanish Banks Beach. Es ist dunkel aber die Lichter der Schiffe die hier auf dem Ozean auf Reede liegen und der Blick auf die Lichter der Stadt sind umwerfend.

Vancouver von Spanish Banks aus gesehen

Für meinen FidiBus und mich finde ich einen Platz direkt am Strand. Ich blicke auf die Skyline Vancouvers, West Vancouver mit seinen Villen und die Schiffe, die hier darauf warten in den Hafen einfahren zu können. Es ist warm. Ich sitze am Strand und träume.

Am nächsten Morgen möchte ich einfach nur angekommen sein. Kein Programm, ich lasse mich treiben.

Spanish Banks am Morgen

Gehe baden, wandere den Strand entlang und baue mir Tisch und Stuhl unter meiner Schatten spendenden Heckklappe auf. Zeit, für meinen Blog zu schreiben. Unterbrochen werde ich immer wieder von netten Menschen, die ein Gespräch mit mir suchen. Das fremde Kennzeichen macht sie neugierig. Ein Herr macht mich darauf aufmerksam, dass es eine halbe Stunde entfernt von hier eine Lehrküche eines der besten Köche Vancouvers gäbe dort bekäme ich die besten und billigsten Burger Vancouvers, wenn nicht gar British Columbias oder gar ganz Kanadas. Nun gut, ich weiß inzwischen, dass Kanadier zu Übertreibungen neigen, wenn es darum geht Sehenswürdigkeiten oder Orte besonderer Bedeutung zu beschreiben. Doch der Burger ist tatsächlich der beste, den ich bis jetzt bekommen habe – und das für gerade einmal fünf Dollar.

Zufrieden, gesättigt und in bester Laune laufe ich „nachhause“. Morgen fahre ich nach Vancouver Island.

So soll’s denn sein. Am Mittag bin ich am Fährterminal in Tsawassen. Das Ticket nach Swartz Bay kostet achtundsechzig Dollar. Die Überfahrt dauert eineinhalb Stunden. Für wenige Minuten durchfahren wir das Gewässer der USA. Es hat nicht weh getan! War wohl zu kurz um ein meinem Kopf das entsprechende Register zu finden. Im Süden ragt, als schwebe er über dem Wasser, der schneebedeckte Mt. Olympus aus dem Dunst heraus. Es ist ein erhebender Anblick. Zwischen Inseln, auf denen oft einsam und allein eine Villa inmitten einer Parkanlage hervor sticht und mit dem Blick auf sehenswerte Cabins an den Hängen der felsigen Küste schiebt sich die Fähre ihrem Ziel entgegen.

Mount Olympia

Um drei Uhr am Nachmittag bin ich in Victoria, der Hauptstadt British Columbias. Als Erstes lade ich hier meine Telefonkarte auf bevor ich in die Stadt hineinfahre.

Als erstes fallen mir die vielen bunten Blumen an den Laternen auf. Ja, hier wohn die Queen in jeder Straße. Das Stadtbild ist geprägt von viktorianischen Bauten. Die britische Kolonie ist tot, es lebe die Queen.

Ob die Häuser in den Geschäftsvierteln oder in den Wohnparks, alles ist Britisch – und alles ist voller Erinnerungen. Es ist heiß und schwül und so such ich mir ein Lokal am Hafen für ein kaltes Bier. Meine Erinnerungen schweben hinüber zu der neuen Brücke, ja, die war damals noch im Bau und wenngleich viel kleiner und viel billiger als die Hamburger Elb-Philharmonie, regten sich die Menschen über die technische Unausgereiftheit und die überbordenden Kosten in gleicher Weise auf, wie sie heute auf dieses technische Wunderwerk einer Klappbrücke stolz sind, wenngleich sie seither noch nicht für den Schiffsverkehr geöffnet werden musste, der seinen Weg in den Hafen durch einen anderen Kanal findet. Ich frage mich wann und mit welchem Schiff wohl die Schildbürger an diesen Ort immigriert sind.

„Matthias! Das gibt’s doch nicht!“ Schlagartig werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Die Worte, ausgerufen mit einem wohlbekannten schweizer Akzent sind mir nur allzubekannt und tatsächlich, als ich mich umschaue, sehe ich Cäcilia und Hans vor mir. Welch eine Freude – und das nicht nur bei mir. Wir sitzen eine Weile beieinander und erzählen, was wir seit unserem letzten Beisammensein alles erlebt haben und weil das so furchtbar viel ist, beschließen wir uns einen gemeinsamen Platz für die Nacht zu suchen. In meinem Kühlschrank ist noch ein beachtlicher Vorrat an Weißwein und spät am Abend, nach viel Spaß und vielen Berichten war bewiesen, dass auch der beste Wein vergänglich ist.

Es ist Morgen. Durch mein Fenster sehe ich Hans bereits über seiner Karte brüten. Cäcilia hat den Kaffe fertig und ich frühstücke mit ihnen zusammen. Der Abschied ist wie immer herzlich, gespickt mit guten Wünschen für die weitere Reise und den Versprechen uns nicht, nein niemals mehr aus den Augen zu verlieren. Ich mag die Beiden. Beim Reisen wächst man schnell zu einer besonderen Art einer Familie zusammen. Hans zieht aus seiner Tasche ein Ticket für die Stadtbesichtigung im Hop on – hop off-Bus, gültig bis heute Mittag. Er drückt sie mir in die Hand, denn sie haben gesehen, was sie sehen wollten. Wunderbar, so besteige ich den Bus am Morgen und fahre die Karte bis zum Ende ab. Der Busfahrer war gar nicht interessiert am Ablaufdatum und so konnte ich mir den ganzen Tag Zeit nehmen um on zu hoppen und wieder off… und wieder on und so weiter. So erlebe ich die Stadt samt ihrer Umgebung ohne Eile und ohne Stress.

Wieder bei meinem FidiBus füttere ich das GPS mit den Daten für meinen heutigen Schlafplatz am Westwood Lake, nahe Nanaimo.

Es wird dunkel aber ein Bad in diesem wunderbaren See lasse ich mir nicht entgehen. Noch werden einige Frauchen und Herrchen von ihren Hunden zum Gassigehen am Ufer entlang gezogen doch dann ist es still. Ich bin allein.

Westwood Lake

Am Morgen werde ich von der Sonne geweckt. Ich genieße meinen Kaffee, heiß und lebensspendend, erledige meine Morgenwäsche im See, dann krame ich meine Wanderstöcke hervor und mache mich auf den Weg um den See. Es ist einfach traumhaft durch den sattgrünen Regenwald mit seinen uralten Fichten, den bizarren Erdbeerbäumen (Arbutus Menzii) und dem Geruch nach d er feuchten Erde, wenn der Morgennebel sich über dem See erhebt. Aufgetankt mit so viel neuer Energie starte ich meinem noch nicht bekannten Tagesziel entgegen. Doch dann sehe ich ein Schild „Laundrie“ und da bilde ich mir ein, meinen Wäschesack förmlich zu riechen. Während sich die Wäschetrommel in den nächsten zwanzig Minuten um dieses Problem kümmert, mache ich mir einen Kaffee, lese in meinem Buch und überlege wo ich heute mein Haupt zur Ruhe bette. Union Bay soll schön sein und einen kostenlosen Platz direkt am Meer bieten. Das sind keine hundert Kilometer, aber ich habe es ja (noch) nicht eilig. Cäcilias Empfehlung trifft den Nagel auf den Kopf. Zwar an der Straße gelegen, bietet der Platz am Abend absolute Ruhe und darüber hinaus eine prächtige Aussicht. Außer mir steht ein weiterer Camper auf dem Platz. Hier liegt die Kohle praktisch auf der Straße und am Strand, man muss sie nur einsammeln. Reich wird man allerdings davon nicht. Es ist die Kohle, die aus dem alten Bergbau, die man hier einfach dafür nutzte um einen langen Damm hinaus in die Bucht zu bauen um dort das schwarze Gold auf Schiffe zu verladen, von wo aus sie in aller Herren Länder verschifft wurde. Ein Auto hält neben meinem FidiBus. Es ist ein Gemeindemitglied, welches sich darum kümmert, dass die Camper registriert werden. Er erklärt mir, dass es von der Gemeinde geduldet wird, wenn man bis zu zwei Tage hier steht. Dann allerdings darf man in der laufenden Saison nicht mehr an dieser Stelle übernachten. Wir reden noch eine Weile über dies und das, dann wünscht mir der nette Herr einen schönen Abend und ich mache mir endlich meine Käs-Spätzle. Heidernei, dees het fei guat gschmeckt!

Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich verspüre am nächsten Morgen wenig Lust weiter nach Norden zu fahren. Auch habe ich noch die Worte meiner schweizer Freunde im Ohr, die von der Insel nicht so recht überzeugt schienen. Zu lange und zu viel Nebel im Westen und im Ostenzu viel Verkehr auf der einzigen Nord-Süd-Verbindung. Nein, ich beende meinen Abstecher, kehre aber nicht nach Nanaimo zur Fähre zurück sondern nehme die Fähren ein kleines Stück weiter im Norden. Zunächst fahre ich von Courtanay/Little River nach Powel River und während ich auf das Schiff warte und hinausschaue auf das Meer entdecke zwei Finnen. Tatsächlich! Nahe der Küste tauchen erst zwei, dann vier und dann fünf Orkawale auf. Anders als die Buckelwale blasen sie ihre Fontainen wie eine Dampfwolke aus, weshalb sie nur bei genauem Hinschauen zu erkennen ist doch ich habe mein Fernglas und so scheinen mir diese schönen schwarz/weißen Tiere zum Greifen nahe. Mein Weg führt mich von Powel River weiter nach Saltery Bay, am Nordostufer der Strait of Georgia. Die Überfahrt mit der nächsten Fähre von Saltery Bay nach Earls Cove ist einfach unbeschreiblich schön.

Mit der Fähre nach Saltery Bay

Zwischen Inseln und Küste öffnet sich der Blick auf die Bergwelt der Pacific Ranges. Die Sonne steht schon tief und modelliert die Landschaft mit ihren langen Schatten und dem warmroten Licht des Abendss. Ehe ich mich recht versehe ist es dunkel und es wird Zeit, mir mein Lager zu suchen. Ein Schild ‚Home Site Creek Recreation Site‘ hört sich gut an. Der Weg zweigt von der Straße ab und führt etwa drei Kilometer über eine recht raue Schotterpiste den Berg hinauf. Doch der Weg lohnt sich. Riesig Groß scheint der Mond durch die Äste des Zedernwaldes. Weit verteilt gibt es zweiundzwanzig Plätze. Sie sind so weit voneinander getrennt, dass man seinen Nachbarn, wenn überhaupt vorhanden, gar nicht hört, geschweige denn sieht. Von der Rangerin, sie stellt sich mir als Christine vor, die so gegen neun Uhr abends bei mir auftaucht um zehn Dollar für die Übernachtung zu kassieren erfahre ich, dass noch zwei weitere Gäste im Park seien. Seit sechs Jahren mache sie diesen Job und sie liebt diesen Wald wie keinen anderen an dieser Küste. Wir schauen hinauf zum Himmel und riesig groß, orangerot taucht zwischen Ästen und Wolken der Mond auf – und wieder ergreift mich die Ehrfurcht davor, ein Teil dieses Universum zu sein, dahinzutreiben auf unserem kleinen und wunderschönen Planeten und gleichzeitig macht es mich traurig, dass wir mit all unserer Intelligenz nicht in der Lage zu sein scheinen, diesen einzigartigen Planeten und das Leben auf ihm zu bewahren…

Am nächsten Morgen verstehe ich Chistines Begeisterung. Ich wache geradezu in einem Märchenwald auf. Mit dem ersten Sonnenstrahl kommt das Licht in den Wald und während über dem Unterholz zarte Nebelschwaden aufsteigen und dahinfließen, leuchten die Blätter und Nadeln der Bäume in einem satten, kräftigen Grün.

Nur wenige Kilometer bin ich gefahren, als der Hinweis auf die ‚Smuggler Cove‘ mich neugierig macht. Von einem Parkplatz aus führt der Trail durch den Wald und nach eineinhalb Stunden blicke ich auf die Bucht mit ihrem funkelnden Wasser unter mir.

Die rötlichbraunen Stämme der mächtigen Zedern lassen den morgenkühlen Wald wärmer erscheinen als er ist. Ich wärme mir meine Hände an der Tasse mit heißem Kaffee. Es wird ein guter Tag.

Smugglers Cove

Erst glaube ich, einen See vor mir zu haben, doch als ich auf dem Trail weiter und weiter hinauf wandere erkenne ich die schmalen Durchbrüche zum Meer. Ich kann mich nicht sattsehen, setze mich auf einen Fels und schaue dem Wasser zu, wie es aus der Bucht hinausströmt. Es ist so ruhig, beinahe mystisch und es tut gut, einfach alle Gedanken zu vergessen, die Wärme der Sonne zu spüren und an so gar nichts zu denken. Ich glaube das letzte Mal, dass mir dies gelungen ist, war in der Wüste Libyens. Stimmen reißen mich aus dieser wohltuenden Leere und langsam kommen immer neue Wanderer, machen ihre Selfies und verschwinden wieder. Der Ort hat seinen meditativen Zauber verloren. Was bleibt ist seine ungeheure Schönheit. Ich such mir einen neuen Weg durch den Wald und durch Sumpflandschaft mit Schachtelhalm, toten Bäumen, die schwarz und ein wenig unwirklich aus dem Wasser ragen wie in der Fantasiewelt des Herren der Ringe.

Eine letzte Fähre bringt mich hinüber nach Horseshoe Bay. Ein letzter Blick auf die Berge, durch die ich noch vor einer Woche gefahren war. Ich wollte, ich könnte diesen Anblick einfach mitnehmen und für einen Augenblick bahnt sich der Gedanke seinen Weg, dass ich diese Berge wohl nie wieder sehen werde. – Schnell weg mit diesen bösen Geistern. Die Welt ist groß und überall gibt es Neues Interessantes. Gehe einfach weiter.

Am Abend bin ich wieder in Spanish Banks. In der Luft liegt der Geruch von Feuer, die Skyline der Stadt liegt hinter einem Schleier aus Rauch. Wie ich später erfahre wüten heftige Waldbrände etwa hundert Kilometer östlich von Vancouver in den Wäldern von Hope.

Dunkle Rauchwolken machen den Tag zum Abend

Am nächsten Tag ist der Geruch beißender, der Rauch dichter doch ich möchte noch einmal in die Stadt. Ein junger Mann nimmt mich vom Strand mit nach Grenville Island und von dort laufe ich los über die Brücke immer der Grenville Street entlang.

In den acht Jahren sind etliche Hochhäuser neu entstanden, teils mit einer gewagt erscheinenden Architektur, die sich, betrachtet man das Gebäude von allen vier Seiten als eine perfekte optische Täuschung erweist.

Manchmal kommt es eben auf den Standpunkt an

Ja, ich kenne meinen Weg, die Straßen und Avenues, durch die wir gegangen sind und ich spüre die gleiche Aufregung und Faszination, die mich vor acht Jahren ergriff. Bis zur Waterfront möchte ich laufen und dann mit dem Bus zurück nach Spanish Banks. Ich freue mich einfach darüber, genau zu wissen wo welcher Bus fährt, wo ich bin und wie ich wohin gelange ohne zu fragen. Ich möchte die Jugendherbergen aufsuchen, in denen ich und in der ich später mit Gitte wohnte, doch die gibt es nicht mehr. Gut so! Es reicht mit den Erinnerungen.

Vancouver Downtown

Vom letzten Bus bis zu meinem roten FidiBus habe ich einen Weg von einer Stunde vor mir. Immer am Strand entlang, vorbei an prächtigen Villen. Vor einer Villa bleibe ich begeister stehen, bringe meinen Fotoapparat in Stellung und mache ein paar Bilder. Vor dem schweren Stahltor steht ein Herr und spricht mich an. Ich erkläre ihm, dass mich diese Haus begeistert. Ja, er wohne hier und ich könne gern von dort aus wo ich stehe Fotos machen. Als ich weiter gehen möchte spricht mich ein anderer Herr an und fragt mich, ob ich wüsste mit wem ich soeben gesprochen hätte. Nein sagte ich, keine Ahnung. Mit bedeutungsvollem Blick sagte er „ This was Lolo Lemmon“, der reichtse Mann Kanadas, er hat unter Anderem eine Mode- und Bekleidungskette gleichen Namens. Die Villa hätte er damals zu einem Preis von achtzig Millionen Dollar erstanden. Donnerwetter! Und er hat mir tatsächlich einige Sekunden seiner wertvollen Zeit geschenkt…

Ich betrachte mir die Namen und Aufschriften der Villen, doch ich kann sie nicht lesen, denn mein Chinesisch weist doch große Lücken auf. Ich sehe, wovon ich bereits las und was die Menschen Vancouvers unzufrieden macht. Der größte Immobilienreichtum befindet sich in den Händen der Chinesen, die hier die größte Community der Welt außerhalb Chinas haben. Dies ist eine Situation, die sich für die die Stadt mehr und mehr zu einem sozialen Problem entwickelt. Spricht man mit den Menschen hier, aber auch außerhalb der Stadt darüber, so erfährt man schnell, dass man einen schlafenden Hund geweckt hat, wenngleich dieser sich nur unter einer dünnen Decke lediglich noch im Leichtschlaf befindet. Dass sich nun auch noch ein Chinese als Bürgermeister von Vancouver zur Wahl stellt ist für einige Menschen mit denen ich sprach, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Eine letzte Nacht verbringe ich am Strand von Spanish Banks, fahre am nächsten Morgen noch einmal hinein nach Grenville Island, gehe in die Markthalle kaufe mir etwas zu essen und plötzlich spüre ich nur noch, dass es genug ist. Ich muss weiter, ich muss fort von hier.