Zunächst geht es bei strömendem Regen auf dem Highway weiter und weiter bergauf und nach einer Weile habe ich bei eintausend und dreihundert Metern das Plateau erreicht. Die Bauarbeiten eines riesigen Dammes ziehen meinen Blick auf sich.
Einigen Kilometern folge ich den ausgedehnten Arbeiten, die an dem bereits aufgestauten Teil des zukünftigen Stausees enden, der wiederum an seinen Ufern deutlich Zeichen einer unvorstellbar großen Mine aufweist. Am Straßenrand steht eine Infotafel und nun wird mir klar. Ich stehe an einer der größten Kupferminen der Welt und der größten Kanadas. Der Regen versperrt mir leider die Sicht für ein gutes Foto doch der Eindruck, den diese Anlage hinterlässt ist auch so noch gigantisch.
Am späten Nachmittag habe ich mein Tagesziel erreicht. In einem Vorort Vernons habe ich einen Platz direkt am See gefunden. Klein, aber mit einer tollen Sicht und das bei nun wieder herrlichstem Sonnenschein. Kaum habe ich mich eingerichtet, als neben mir ein Lexus anhält, die Scheibe wird heruntergekurbelt und mit einem „Guten Tag“ werde ich begrüßt. Deutsche? Nein, echte Kanadier aber wie so oft mit deutschen Wurzel. Wayne und Denise so stellen sich die beiden vor und nachdem wir uns eine Weile durch die Scheibe unterhalten haben, bittet Wayne mich, das Gespräch bei ihnen zuhause fortzusetzen. ‚frag ihn, ober nicht bei uns übernachten will‘ höre ich seine Frau ihm zuflüstern und brav trägt er die Frage an mich weiter. Ich nehme gerne an und eine viertel Stunde später sitze ich auf der Terrasse eine stattlichen Bungalows. Wayne wirft den Grill an und Denise öffnet eine Flasche Wein. Die Burger sind einfach Spitze. Wir unterhalten uns über Deutschland und das Verhältnis zur Ukraine. Sie wollen wissen, wie sich das Leben in Deutschland seither verändert hat und ich bin froh, die Entwicklung doch recht engmaschig verfolgt zu haben. Besonders die Sorgen um die exponential gestiegenen Energiepreise interessieren sie und welche Maßnahmen die Regierung zur Kompensation getroffen hat interessiert sie. Denise hat ukrainische Wurzeln und sie verfolgt mit großer Spannung die Entwicklung der vergangenen Tage. Der unerwartete Erfolg jedoch weckt nicht nur frohe Erfühle. Der Erfolg bei der Rückeroberung großer Teile des besetzten ukrainischen Gebietes weckt auch die Befürchtung eines Verzweiflungsschlages Putins mit seinen taktischen Waffen oder gar mit einer Sabotage des Kernkraftwerkes Saporischschja. Vor diesem Hintergrund halten sie die Zurückhaltung des Kanzlers und der Regierung Deutschlands für nachvollziehbar und klug.
Wie immer, wenn es um die Politik geht, kommt das Gespräch auch wieder auf den Mann mit den gelben Haaren, dessen Namen ich einfach nicht mehr aussprechen möchte.
Es wird ein langer Abend in dessen Verlauf ich erfahre, dass Wayne für die Kanadische Einwanderungsbehörde gearbeitet hat und Denise eine eigene Arbeitsvermittlungsagentur hat.In dieser Funktion bleibt es nicht aus, dass sie sich in besonderem Maße ihren Landsleuten Widmet, die als Flüchtlinge in ihrem Land Aufnahme gefunden haben. Irgendwann sind wir dann bettreif. Ich genieße die unerwartete heiße Dusche und ein kuscheliges Bett.
Die Sonne seint, als ich aufwache und es bietet sich mir durch die bodentiefen Fenster ein unglaublicher Blick auf den See. Noch einmal Duschen und da passiert es. Beim abtrocknen stoße ich eine Vase mit Goldrand und gefüllt mit Muscheln von Rand des Waschtisches. Tausend Scherben liegen um mich herum. Alle Beteuerungen meiner Gastgeber, dies sei doch nicht schlimm zum Trotz bin ich total unglücklich. Wer weiß, welche Erinnerungen sich mit einem Streich in einen Scherbenhaufen verwandelt haben.
Als ich in der Küche eintreffe riecht es bereits verlockend nach gebackenem Speck und Toast. Eine Tasse Kaffee und zwei Spiegeleier machen des Morgen perfekt. Wayne zeigt mir seine Sammlung mit Erinnerungsstücken an seine Eltern und dann den Stolz seiner Garage. Ein Ford Mustang, eine Harley Davidson und die Bilder seiner Kinder. Denise ist in ihrem Büro und hat eine Videokonferenz mit ihrer Agentur in Edmonten.
Es wird Zeit für mich zu gehen und wir versprechen uns, den Kontakt zu halten und uns eines Tages in Europa, vielleicht schon im Februar in Andalusien wiederzusehen.
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