Hoodoos und alte Knochen

Um sechsuhrdreißig wache ich auf. Irgendwo da draußen heulen sich die Coyoten an. Ja, genau so stelle ich mir die Prairie vor. Es fehlt nur noch der ‚lonesome rider‘ um die Westerngeschichte vollständig zu machen. Langsam steigt die Sonne hinter den Hügeln hervor und mit ihren Strahlen fühle ich, wie die Wärme in die Eiseskälte der Nacht eindringt. Es tut gut.

Nach dem Morgenkaffee bin ich pünktlich um halb acht auf dem vereinbarten Parkplatz und schaue in die zerfurchte Landschaft deren meist fotografierte Naturgebilde die Hoodoos sind, Erdpyramiden, auf deren Spitze ein Stein ballanciert, bis die Pyramide eines Tages unter ihm hinweg erodiert ist. Und da sehe ich was ich heute morgen nur hören konnte. Zwei Coyoten schleichen durch die Graslandschaft. Doch bevor ich meine Kamera aus dem FidiBus holen konnte waren sie schon verschwunden und alle Mühe, sie irgendwo noch einmal zu Gesicht zu bekommen, doch mein Hoffen ist vergebens. Später wird mir Lois, die Rangerin, die unsere Gruppe durch die Badlands zu dem Bonefield führen soll, erklären, dass ich Glück hatte, überhaupt diese scheuen Tiere zu Gesicht bekommen zu haben. Die beste Chance hat man, wenn man mit einem nicht zu großen Hund der unangeleint umherspringt, diese Kollegen zu beobachten. Sie haben Hunde zum Fressen gern.

Lois, unserere Rangerin (re)
Hoodoos im Dinosaur Provincial Park

Lois weiht uns in ihre Tour ein. Drei Stunden werden wir durch diese Landschaft wandern und dabei verschiedene seltene Kakteen sehen, vielleicht ein paar Hirsche, doch vor Klapperschlangen und Skorpionen brauchen wir uns nicht mehr zu fürchten, für diese Tiere ist es bereits zu kalt. Erstaunlich sind ihre Schilderungen der hier vorkommenden ‚falschen‘ Klapperschlage. Ein harmloses und ungiftiges Reptil, dass sich jedoch die Erfurcht, die man ihrer echten Schwester nachsagt zu eigen macht, indem sie sich wie eine Klapperschlange aufrichtet und das Ende ihres klapperlosen Schwanzendes hin und her rüttelt. Das Klappergeräusch erzeugt sie mit ihrem Maul. Angeber gibt’s halt auch im Tierreich. Lois eigt uns das Ziel am Horizont und es scheint als hätten wir noch einen mehrstündigen Marsch vor uns, doch handelt es ich hier um eine optische Täuschcung, wie man sie in den Badlands so häufig antrifft.

Die ‚Zitadelle‘ . An ihrem Fuß befinmdet sich das Bonefield

Nach nur fünfzehn Minuten haben wir unser Ziel erreicht. Schon seit einiger Zeit bemerken wir knöcherne Teile in dem Sandstein. Ein Oberschenkelknochen und einen Wirbel von der Größe einer vierhundertfünfzig Gramm Konservendose. Wir sind auf dem Grund einer fünfundsiebzig millionen Jahre alten Flußlandschaft und dann erreichen wir das Bonefield. Man kann nur schwer einen Schritt tun, ohne auf die Knochen eines Dinauriers zu treten. Palaeonthologen schätzen, dass hier die Knochen von über eintausend Dinos verstreut liegen. Die Grabungen sind noch nicht abgeschlossen. Vermutet wird, dass durch eine Sturzflut diese Herde von Hadrosauriern überrascht wurden. Noch ehe sie sich in höhere Regionen retten konnten schoss das Wasser über sie hinweg. Die Tiere ertranken und wurden in dem Sediment rasch vergraben. Spätere Fluten lösten die Skelette auf und verteilen die Knochen in einem weiten Umfeld.

Wirbel eines Hadrosaurus
Saurierknochen

Es wurden nur wenige intakte und vollständige Skelette gefunden. Die Orginale befinden sich im Tyrell Museum in Drumheller. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, wenn ich daran denke, wie diese mächtigen Tiere durch den Wald trampelten. Zeugen einer Zeit und einer Welt, wie sie vor vielen Millionen Jahren existierte, als von den Menschen noch nicht einmal ein Vorgänger existierte. Später wurde alles zugedeckt von einer mächtigen Eisschicht, an deren Boden weitere Sedimente herbei transportiert wurden. Als diese Decke schmolz und das Schmelzwasser in weit mäandernden Strömen die Canyons und Schluchten, die Hoodoos und Täler in die ehemals völlig flache Ebene zu schneiden, entstanden die Badlands. Nach dreieinhalb Stunden war ich wieder zurück bei meinem FidiBus. Schnell noch eine Dusche in Der Touristeninfo, eine Trommel Wäsche waschen und dann zieht es mich noch weiter nach Nordwesten zurück, nach Drumheller. Dieses Museum muss ich sehen.

Am Abend bin ich in Drumheller. Campingplätze sind sauteuer und iOverlander hat auch keinen Vorschlag für die Nacht. Also übernachte ich völlig unromantisch auf dem Walmart-Parkplatz, die stehen Camper immer und offiziell zur Verfügung.

Tyrell Museum in Drumheller

Am nächsten Morgen bin ich schon um acht am Museum. Zu früh, es öffnet erst um zehn Uhr. Ich nutze die Zeit für einen gründlichen ‚Hausputz‘. Dann ist es so weit. Ich erbitte Einlass. Doch diese Rechnung hatte ich ohne den Wirt gemacht. Alle Karten sind ausverkauft. Zwölfuhrdreieißig könnte noch etwas möglich sein, wenn ich mich sofort per Internet anmelde. Die Enttäuschung war mir anzusehen. Gesagt getan, ich sicherte mir einen Platz für zwölfuhrdreieißig. Erstaunlich war, dass der Rechnungsbetrag für das Ticket 0,00 CAD betrug. Bloß keine Buchungsfehler machen. Doch siehe da, es ist so stark ausverkauft, da heute der Eintritt kostenlos ist. Als die erste Gruppe um halb elf eingelassen wird, winkt die freundliche Frau am Eingang mir zu zu und bedeutet mir, dass ich einfach mit rein schlüpfen soll. Sie gibt mir ein neues Ticket und drinnen bin ich. Daran sollte sich die nächsten beinahe vier Stunden auch nichts ändern. Welch ein grandioses Bild. Da standen diese Riesen der Kreidezeit. Sehr realistisch nachgebildet und in einem Szenario, wie es diese Tiere wohl zu der Zeit vorfanden.

Saurier im Tyrell Museum
Saurierskelett / Tyrell Museum

Man kann einen Blick in das riesige Präparierungslabor werfen, sieht, wie die die Funde konserviert werden und wie sie ausgegraben und geborgen werden. Es ist die weltweit größte Sammlung von Saurierskeletten und unterschiedlichen Arten und Spezies. (… schon wieder ein Superlativ) Ich kann mich kaum sattsehen. Als sich dann jedoch das Museum mehr und mehr mit Selfiestick bewaffneten Chinesen und Japanern füllte, gegen die man sich seinen Platz regelrecht erkämpfen musste, beschließe ich das Weite zu suchen. Selfiesticks im Museum, das ist so ziemlich das Letzte in einem solch empfindlichen Umfeld und sicher nicht nur mein Objekt des Ärgernisses sondern bestimmt auch Grauen für alle Museumsangestellten.

Noch während meiner Weiterfahrt in den Abend wirkt der Eindruck nach und ich sehe mich in dieser menschenleeren Welt der Kreidezeit mit seiner so viel größeren Artenvielfalt, als wir sie heute kennen.

Nun warten lange Reisetage durch die Weiten der Prairie auf mich. In ein paar Tagen möchte ich in Winnipeg sein.