Vor mir liegen nun die grenzenlosen Weizenfelder. Jetzt verstehe ich, was es bedeutet diese Felder zu bearbeiten. Allein entlang der Straße zieht sich ein Feld über zehn Kilometer nur in der Länge dahin, die Breite kann ich gar nicht abschätzen. Teils wurden sie bereits abgeerntet, zum Teil ist man noch mitten in der Ernte. Am Abend habe ich in Morse die Gelegenheit mit einer Erntehelferin zu sprechen. Susan ist zweiundzwanzig und ist aus Edmonten nur für die Ernte angereist. Sie wohnt mit sechs anderen Erntehelfern neben mir auf dem Campingplatz in einem dieser gigantischen Mortorhomes. Sie fährt, wie ihre Kollegen einen Mähdrescher. Sieben Stück sind auf dem Feld im Einsatz. Gesteuert werden sie per GPS um die Überlappung der Spuren so gering wie möglich zu halten. Achtzig Zentimeter sind die Zielvorgabe. Ein Warnsystem verhindert, dass die Maschinen miteinander kollidieren und Daneben stehen die Fahrer und die Fahrerin in ständigem Funkkontakt.

Alle Hindernisse sind im Feld markiert und in den Fahrweg einprogrammiert. Der Weizen wird dann mit Trucks in die Verladeterminals gefahren wo er erst in gigantischen Silos gelagert wird und dann mit der Bahn zu den Mühlen oder den Verladestationen in den Häfen transportiert wird.

Bis Mitte Oktober wird Susan noch im Einsatz sein, dann muss sie sich einen neuen Job für den Winter suchen. Wahrscheinlich findet sie einen Job in einer Bar als Bedienung, das wäre ihr Wunsch.

Das Gold des Getreides und der blaue Himmel erinnern mich an die Fahne der Ukraine, die hier in beinahe jeder Gemeinde im Winde weht. Noch empfinde ich dieser Landschaft, trotz gegenteiliger Informationen und Befürchtungen meiner kanadischen Freunde und anderer Reisender keine Langeweile. Immer wieder drängt sich mir der Vergleich mit der Wüste Libyens auf. Selbst das Farbenspiel über den Tag hinweg ist ähnlich. Nur Berge, ja Berge sucht man hier vergeblich. Das Wattenmeer ist im Vergleich zu den Weiten Albertas und Sasketchewans ein veritables Mittelgebirge. Nicht, aber auch gar nichts stört hier den Blick. Aber es ist gerade diese Unendlichkeit, die in Mir eine wohltuende Ruhe erzeugt.

Heute, am dritten Tag dieser Fahrt durch Felder und Prairien kommen die ersten Zeichen von Ermüdung es ist Zeit Strecke zu machen.

Stephan, den ich am zweiten Tag meiner Reise im FidiBus traf hat mir geschrieben. Er erwartet mich und wünscht sich, dass ich aus einem Liquor Store in Ontario Eierlikör mitbringe. Den bekäme man in Nova Scotia nicht. Meine Besuchsreihe ist groß und wenn ich das ohne Stress schaffen möchte, dann muss ich mich ein wenig sputen. Morgen werde ich dann mit Winnipeg ein weiteres Ziel meiner Reise erreichen. Weitere Ziele sind dann Toronto, Quebec Stadt und Prince Edward Island. Am vierzehnten oder fünfzehnternOktober werde ich wohl in Halifax ankommen. Die Termine für den Rückflug und die Rückverschiffung meines FidiBus stehen unverändert. Am einundzwanzigsten Oktober bringe ich meinen FidiBus zum Hafen, nachdem ich ihn gründlich gereinigt und für die Reise hübsch gemacht habe. Allein der Gedanke an all die Vorbereitungen meiner Abreise lastet schwer auf mir und so konzentriere ich mich noch einmal auf die Tage, die noch vor mir liegen und in denen mein FidBus mir noch ein Zuhause bietet.