Auf meinem Weg nach Osten liegt die Stadt Frank. Wieder erwartet mich dort ein Ereignis der Superlative. Der 29. Mai 1903 sollte sich für immer in das Gedächtnis der Bewohner dieses Ortes am Fuße des Turtle Mountain einbrennen. Frühmorgens kurz nach vier Uhr wurden die Menschen von einem ungeheuren Grollen geweckt. Neunzig Sekunden später herrschte Totenstille. Was war geschehen? Den Menschen bot sich ein Bild des Grauens Teile des Ortes waren unter einer meterhohen Masse aus Schlamm, Schutt und Felsen begraben. Als der Staub sich legte, fehlte die gesamte Nordflanke des Berges. Der mittlere Gipfel hatte sich in seiner ganzen Länge vom Berg gelöst und war zu Tal gestürzt.

Fünfundneunzig Menschen fanden in wenigen Sekunden den Tod. Sie hatten keine Chance dem Unglück zu entrinnen. In der nahen Kohlegrube waren etliche Bergleute eingeschlossen, nachdem die Zugänge verschüttet wurden. Ihnen gelang es jedoch wie durch ein Wunder, sich durch einen Kohleflötz nach oben und nach draußen zu graben, doch sie erkannten ihre Welt nicht wieder. Dieses Ereignis ist als der „Frank Slide“ in die Geschichte des Landes eingegangen. Es ist bis heute der größte Felssturz Kanadas. Noch immer ist der Berg, der schon lange vor dem Schreckenstag bei den First Nations als „Der Berg, der sich bewegt“ gefürchtet war, in Bewegung. Auslöser der Katastrophe war neben einer geologischen Schwachzone in der Gebirgsfalte im Kalkgestein dessen Wasserführung aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch eine Instabilität des Untergrundes durch des den Abbau der Kohle und die in sich zusammenfallenden Stollen der ausgebeuteten Kohleflöze. Noch heute zeugt ein eineinhalb Kilometer breiter und bis zu den gegenüberliegenden Berghängen reichender Schuttfächer von dem desaströsen Unglück.

Eingestürzter Nordhang des Turtle Mountain

Die weitere Strecke führt mich hinein in die flache Landschaft Albertas wenngleich ich doch noch immer auf einer Höhe von über neunhundert Metern bin. Ein letzter Blick zurück auf die von Neuschnee weiß gepuderten Berge der Rockies und dann verschwinden diese Kilometer um Kilometer hinter dem Horizont. Vor mir nichts als die unendliche Weite der Prairie und nicht enden wollende Felder. Da sind sie wieder die langen, mit der Schnur gezogenen Landstraßen. Mehr und mehr färben sich nun auch die Bäume und Büsche in den Farben des nahenden Herbstes und trotz des warmen Spätsommertages erwartet mich die nächste frostige Nacht.