Mit dem Bulli durch's Land der Bären und Wölfe

Monat: September 2022 (Seite 2 von 2)

Unerwarteter Komfort

Weiter geht es. Mein nächstes Ziel ist Lytton, wo ich mich entscheiden muss, in welcher Richtung ich meine Fahrt fortsetzen möchte. Doch so weit sollte ich heute nicht kommen. Kurz hinter Agassiz steht ein Fahrzeug auf dem Sicherheitsstreifen und ein Mann winkt aufgeregt. Also ziehe ich rechts raus und halte an. Es stellt sich heraus, dass sein gesamtes Stromnetz zusammengebrochen ist. Irgendwo muss ich mein Überbrückungskabel haben. Als der FidiBus beinahe leergräumt ist muss ich erkennen, dass es genau dieses wichtige Hilfmittel ist, das mir fehlt. Eine Telefonverbindung um einen Abschleppdienst zu holen ist nicht möglich. Ich biete an das Auto nach Hope zu schleppen, etwa zehn Kilometer und weise Andrej darauf hin, dass dies bei einem Automatikgetriebe zu einem Schaden an eben diesem Führen kann. Es ist sowohl Andrej als auch seiner Frau Suza egal, Hauptsache weg hier. Seit über zwei Stunden standen sie nun schon an der Straße ohne dass ein Fahrzeug anhielt. Mir ist bei dem Gedanken nicht wohl, aber dann befestige ich mein Abschleppseil an den Fahrzeugen, spreche mit Andrej das Verfahren und die Handzeichen ab und wir machen uns im Schleichgang auf den Weg in Richtung Hope. Längst war mir klar, dass ichmir in Hope einen Schlafplatz suchen werde. Vierzig Minuten später erreichen wir Hope und vor einem Subway-Restaurant halten wir an. Ich schlage vor, hier einen Reparaturservice anzurufen. Immer wieder nimmt Andrej mich in die Arme und beteuert, wie glücklich er sei, dass ich angehalten habe und auch Suza kann sich vor Glück kaum noch einkriegen. Zwei Mitarbeiter vom Straßendienst sitzen in ihren gelben Signalwesten vor dem Restaunt und bieten uns, nachdem sie uns entdeckt hatten, ihre Hilfe an und dann war auch schon ein Abschleppdienst da. Mit Andrej fahre ich dem Schlepper hinterher, während Suza eine Übernachtung organisieren soll. Als ich mit Andrej zurückkomme ist es an mir, mich zu freuen, denn Suza drückt mir eine Buchungsbestätigung für das Motel in die Hand. Kurzerhand hat sie als Dankeschön gleich ein Zimmer in dem Motel mit gebucht.

Eine richtige Matratze! Ein Zimmer mit Dusche und Bad, Junge, dass hat dann auch mal wieder was.

Der Abschied am nächsten Morgen ist wieder reich an Umarmungen und Andrej möchte gern, dass ich ein paar Tage oder wenigstens noch einen Tag zu ihnen nachhause komme. Doch noch einmmal nach Kamloops zu fahren, das ist mir dann doch zu weit von meiner Strecke entfernt. So ziehen wir dann jeder wieder seiner Wege.

Aufbruch nach Osten

Nach meinem letzten Besuch in Vencouvers Grenville Island quäle ich mich aus der Stadt hinaus in Richtung Hope. Die Vorstadtbereiche ziehen sich hinaus, bis weit über Vancouver hinaus. Ich fahre durch Stadtteile in denen alle Beschriftungen zweisprachig sind. Nicht etwas Englisch und Französisch sondern Chinesisch und meist deutlich kleiner Englisch. Wie ich später erfahren soll, wurde diese Zweisprachigkeit von der Regierung auf höchster Ebene durchgesetzt, nachdem in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nur Chinesische Beschriftungen in und an den Geschäften und den öffentlichen Gebäuden das Stadtbild prägten. Sicher ist hier auch in Zukunft einiges notwendig um soziale Probleme zu zu begrenzen.

Endlich habe ich es geschafft, die Gegend wird wieder ländlicher. In Agassiz verlasse ich den Highway und fahre in die recht hübsch ausschauende Stadt. Und wieder gerate ich in die Dreharbeiten zu einer Filmproduktion. Es hat etwas mit Weihnachten zu tun, denn die Hauptstraße von Agassiz ist weihnachtlich geschmückt, In Schubkarren wird Schnee herbeigeschafft, der auf den Gehwegen und den auf Teilen der Straße verteilt wird. „ACTION!“ Und sofort strömen aus den Geschäften die Menschen heraus, laufen mir ihren Einkäufen über die Straße und… „CUT!“.

Alles zurück auf Anfang.

Naja, ich schaue mir das eine Weile an, fange die Situation selbst mit meiner Kamera ein, bis mich die Regieassistentin freundlich aber bestimmt darauf hinweist, dass am Set werde gefilmt noch fotografiert werden darf. ‚Zu spät‘ denke ich mir und mache mich wieder auf den Weg.

Hells Gate, eine Covid-Geisterstadt
Fraser Canyon

Ich habe den Canyon des Fraser River noch in Erinnerung als ein wahrhaftig berauschendes Erlebnis. Bis dahin ist es nicht mehr weit. Dort, am Hells Gate, angekommen bietet sich mir… zunächst nichts. Die Seilbahn, die über den Canyon führt ist geschlossen, das gesamte Gelände macht einen verlassenen Eindruck. Der Blick in die Schlucht und auf das tosende Wasser ist durch Zäune unzugänglich. Schade. Doch dann entdecke ich einen Trail, der hinab zum Grund des Fraser Canyon führt. Die dreihundert Höhenmeter nehme ich gern in Kauf, zumal mir ein wenig Bewegung nach der doch recht langen Autofahrt guttun wird. Die nächste Enttäuschung erwartet mich an der Brücke über den Fluss. Ein Tor versperrt den Zugang und so muss ich mich damit begnügen von Rande aus auf einen recht zahmen Fluss zu schauen.

Die Fischtreppen des Fraser River

Der Fraser River führt ungewöhnlich wenig Wasser und hier sieht man deutlich, dass der Sommer bisher viel zu trocken und viel zu heiß war. Zwei indigene Männer kamen von der anderen Seite über die Brücke und als sie mich entdeckten, öffneten sie das Tor und ich konnte nun doch noch hinüber. Sie erklären mir, dass alle touristischen Einrichtungen des Hells Gate seien Covid bedingt geschlossen worden.

Nur noch ein Rinnsal, Der Fraser Canyon am Hell’s Gate

Ich mache meine Bilder und Videos, drücke den beiden Männern, die hier ihr Camp errichtet haben um die jährliche Fischzählung durchzuführen, mein Wechselgeld in die Hand, etwa drei Dollar, und starte meinen Aufstieg zum FidiBus. Da überholt mich einer der Männer und drücckt mir eine Flasche Mineralwasser in die Hand. ‚Du brauchst das für den Aufstieg‘ erklärte er mir und kehrte daraufhin wieder zurück zu seinem Bruder.

Einmal Vancouver – Vancouver Island und zurück

Heute Abend möchte ich nun endlich in Vancouver ankommen, doch es geht wieder einmal nicht so schnell wie gedacht. Bereits kurz nach Squamish befindet sich die ehemalige Kupfermine Britania und natürlich möchte ich mir das nicht entgehen lassen. Leider sind die Untertageführungen ausgebucht. Was bleibt, ist eine Multimediashow die immerhin beeindruckend den Betrieb in der einstigen Aufbereitungsanlage zu Gesicht, aber besonders eben zu Gehör bringt. Das Wummernde Poltern der Erzmühlen bestimmte den Takt der Gemeinde. Tag und Nacht lag dieses Geräusch in den Ohren. Für die Menschen bedeutete es Arbeit und bescheidenen Wohlstand. Welch eine verstörende Ruhe muss es gewesen sein, als eines Tages in den 1970er-Jahren die Mühlen stillstanden. Kein Lärm, keine Arbeit, kein Zukunft für die Siedler. So wurde der Ort aufgegeben. Zurück blieb der von Schwermetallen belastete Boden, ein hoch belasteter How-Sund, dessen Wasser keine sämtliches Leben unmöglich machte.

Heute ist die Wasseraufbereitung und Bodenrestaurierung eine Vorzeigeprojekt dafür, wie effizient eine Wiederherstellung eines Ökosystems gelingen kann. Bei der Methode der Aufbereitung der Gewässer stellt sich mir jedoch die Frage nach der Nachhaltigkeit. Der Biochemiker, dem ich meine Bedenken schilderte zuckte resigniert die Schultern. ‚Es ist das Beste, was wir heute tun können‘. Und so lagern in so genannten Ponds, das sind künstliche Seen, hoch in den Bergen die mit Schwermetallen belasteten Schlämme. In meinen Augen ein Problem, mit dem sich spätere Generationen herumschlagen müssen. Nach vier Stunden verlasse ich die Mine mit vielen Fragezeichen in den Windungen meines Gehirns.

Es ist mir klar, im Hellen erreiche ich Vancouver heute nicht mehr. Ich weiche von dem autobahnähnlichen Highway ab und fahre über den West Marine Drive in die Stadt. Hier wohnen die Reichsten der Reichen. Direkt am Ozean verteilen sich die Villen in einem Park alter hoch aufstrebender Zedern. Es scheint mir geradezu symbolhaft für das Streben nach Erfolg und grenzenlosem Wohlstand zu sein. Nach einer Weile lenke ich meinen FidiBus durch den Stanley-Park über die Lions Bridge. Unter ihr fuhr ich mit Gitte hindurch. Bekannte Straßennamen geben mir ein Gefühl des Angekommenseins. Burrard Street, die Burrard Bridge, links neben mir die Grenville Bridge und Grenville Island. Zwanzig Minuten später biege ich ab zur Spanish Banks Beach. Es ist dunkel aber die Lichter der Schiffe die hier auf dem Ozean auf Reede liegen und der Blick auf die Lichter der Stadt sind umwerfend.

Vancouver von Spanish Banks aus gesehen

Für meinen FidiBus und mich finde ich einen Platz direkt am Strand. Ich blicke auf die Skyline Vancouvers, West Vancouver mit seinen Villen und die Schiffe, die hier darauf warten in den Hafen einfahren zu können. Es ist warm. Ich sitze am Strand und träume.

Am nächsten Morgen möchte ich einfach nur angekommen sein. Kein Programm, ich lasse mich treiben.

Spanish Banks am Morgen

Gehe baden, wandere den Strand entlang und baue mir Tisch und Stuhl unter meiner Schatten spendenden Heckklappe auf. Zeit, für meinen Blog zu schreiben. Unterbrochen werde ich immer wieder von netten Menschen, die ein Gespräch mit mir suchen. Das fremde Kennzeichen macht sie neugierig. Ein Herr macht mich darauf aufmerksam, dass es eine halbe Stunde entfernt von hier eine Lehrküche eines der besten Köche Vancouvers gäbe dort bekäme ich die besten und billigsten Burger Vancouvers, wenn nicht gar British Columbias oder gar ganz Kanadas. Nun gut, ich weiß inzwischen, dass Kanadier zu Übertreibungen neigen, wenn es darum geht Sehenswürdigkeiten oder Orte besonderer Bedeutung zu beschreiben. Doch der Burger ist tatsächlich der beste, den ich bis jetzt bekommen habe – und das für gerade einmal fünf Dollar.

Zufrieden, gesättigt und in bester Laune laufe ich „nachhause“. Morgen fahre ich nach Vancouver Island.

So soll’s denn sein. Am Mittag bin ich am Fährterminal in Tsawassen. Das Ticket nach Swartz Bay kostet achtundsechzig Dollar. Die Überfahrt dauert eineinhalb Stunden. Für wenige Minuten durchfahren wir das Gewässer der USA. Es hat nicht weh getan! War wohl zu kurz um ein meinem Kopf das entsprechende Register zu finden. Im Süden ragt, als schwebe er über dem Wasser, der schneebedeckte Mt. Olympus aus dem Dunst heraus. Es ist ein erhebender Anblick. Zwischen Inseln, auf denen oft einsam und allein eine Villa inmitten einer Parkanlage hervor sticht und mit dem Blick auf sehenswerte Cabins an den Hängen der felsigen Küste schiebt sich die Fähre ihrem Ziel entgegen.

Mount Olympia

Um drei Uhr am Nachmittag bin ich in Victoria, der Hauptstadt British Columbias. Als Erstes lade ich hier meine Telefonkarte auf bevor ich in die Stadt hineinfahre.

Als erstes fallen mir die vielen bunten Blumen an den Laternen auf. Ja, hier wohn die Queen in jeder Straße. Das Stadtbild ist geprägt von viktorianischen Bauten. Die britische Kolonie ist tot, es lebe die Queen.

Ob die Häuser in den Geschäftsvierteln oder in den Wohnparks, alles ist Britisch – und alles ist voller Erinnerungen. Es ist heiß und schwül und so such ich mir ein Lokal am Hafen für ein kaltes Bier. Meine Erinnerungen schweben hinüber zu der neuen Brücke, ja, die war damals noch im Bau und wenngleich viel kleiner und viel billiger als die Hamburger Elb-Philharmonie, regten sich die Menschen über die technische Unausgereiftheit und die überbordenden Kosten in gleicher Weise auf, wie sie heute auf dieses technische Wunderwerk einer Klappbrücke stolz sind, wenngleich sie seither noch nicht für den Schiffsverkehr geöffnet werden musste, der seinen Weg in den Hafen durch einen anderen Kanal findet. Ich frage mich wann und mit welchem Schiff wohl die Schildbürger an diesen Ort immigriert sind.

„Matthias! Das gibt’s doch nicht!“ Schlagartig werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Die Worte, ausgerufen mit einem wohlbekannten schweizer Akzent sind mir nur allzubekannt und tatsächlich, als ich mich umschaue, sehe ich Cäcilia und Hans vor mir. Welch eine Freude – und das nicht nur bei mir. Wir sitzen eine Weile beieinander und erzählen, was wir seit unserem letzten Beisammensein alles erlebt haben und weil das so furchtbar viel ist, beschließen wir uns einen gemeinsamen Platz für die Nacht zu suchen. In meinem Kühlschrank ist noch ein beachtlicher Vorrat an Weißwein und spät am Abend, nach viel Spaß und vielen Berichten war bewiesen, dass auch der beste Wein vergänglich ist.

Es ist Morgen. Durch mein Fenster sehe ich Hans bereits über seiner Karte brüten. Cäcilia hat den Kaffe fertig und ich frühstücke mit ihnen zusammen. Der Abschied ist wie immer herzlich, gespickt mit guten Wünschen für die weitere Reise und den Versprechen uns nicht, nein niemals mehr aus den Augen zu verlieren. Ich mag die Beiden. Beim Reisen wächst man schnell zu einer besonderen Art einer Familie zusammen. Hans zieht aus seiner Tasche ein Ticket für die Stadtbesichtigung im Hop on – hop off-Bus, gültig bis heute Mittag. Er drückt sie mir in die Hand, denn sie haben gesehen, was sie sehen wollten. Wunderbar, so besteige ich den Bus am Morgen und fahre die Karte bis zum Ende ab. Der Busfahrer war gar nicht interessiert am Ablaufdatum und so konnte ich mir den ganzen Tag Zeit nehmen um on zu hoppen und wieder off… und wieder on und so weiter. So erlebe ich die Stadt samt ihrer Umgebung ohne Eile und ohne Stress.

Wieder bei meinem FidiBus füttere ich das GPS mit den Daten für meinen heutigen Schlafplatz am Westwood Lake, nahe Nanaimo.

Es wird dunkel aber ein Bad in diesem wunderbaren See lasse ich mir nicht entgehen. Noch werden einige Frauchen und Herrchen von ihren Hunden zum Gassigehen am Ufer entlang gezogen doch dann ist es still. Ich bin allein.

Westwood Lake

Am Morgen werde ich von der Sonne geweckt. Ich genieße meinen Kaffee, heiß und lebensspendend, erledige meine Morgenwäsche im See, dann krame ich meine Wanderstöcke hervor und mache mich auf den Weg um den See. Es ist einfach traumhaft durch den sattgrünen Regenwald mit seinen uralten Fichten, den bizarren Erdbeerbäumen (Arbutus Menzii) und dem Geruch nach d er feuchten Erde, wenn der Morgennebel sich über dem See erhebt. Aufgetankt mit so viel neuer Energie starte ich meinem noch nicht bekannten Tagesziel entgegen. Doch dann sehe ich ein Schild „Laundrie“ und da bilde ich mir ein, meinen Wäschesack förmlich zu riechen. Während sich die Wäschetrommel in den nächsten zwanzig Minuten um dieses Problem kümmert, mache ich mir einen Kaffee, lese in meinem Buch und überlege wo ich heute mein Haupt zur Ruhe bette. Union Bay soll schön sein und einen kostenlosen Platz direkt am Meer bieten. Das sind keine hundert Kilometer, aber ich habe es ja (noch) nicht eilig. Cäcilias Empfehlung trifft den Nagel auf den Kopf. Zwar an der Straße gelegen, bietet der Platz am Abend absolute Ruhe und darüber hinaus eine prächtige Aussicht. Außer mir steht ein weiterer Camper auf dem Platz. Hier liegt die Kohle praktisch auf der Straße und am Strand, man muss sie nur einsammeln. Reich wird man allerdings davon nicht. Es ist die Kohle, die aus dem alten Bergbau, die man hier einfach dafür nutzte um einen langen Damm hinaus in die Bucht zu bauen um dort das schwarze Gold auf Schiffe zu verladen, von wo aus sie in aller Herren Länder verschifft wurde. Ein Auto hält neben meinem FidiBus. Es ist ein Gemeindemitglied, welches sich darum kümmert, dass die Camper registriert werden. Er erklärt mir, dass es von der Gemeinde geduldet wird, wenn man bis zu zwei Tage hier steht. Dann allerdings darf man in der laufenden Saison nicht mehr an dieser Stelle übernachten. Wir reden noch eine Weile über dies und das, dann wünscht mir der nette Herr einen schönen Abend und ich mache mir endlich meine Käs-Spätzle. Heidernei, dees het fei guat gschmeckt!

Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich verspüre am nächsten Morgen wenig Lust weiter nach Norden zu fahren. Auch habe ich noch die Worte meiner schweizer Freunde im Ohr, die von der Insel nicht so recht überzeugt schienen. Zu lange und zu viel Nebel im Westen und im Ostenzu viel Verkehr auf der einzigen Nord-Süd-Verbindung. Nein, ich beende meinen Abstecher, kehre aber nicht nach Nanaimo zur Fähre zurück sondern nehme die Fähren ein kleines Stück weiter im Norden. Zunächst fahre ich von Courtanay/Little River nach Powel River und während ich auf das Schiff warte und hinausschaue auf das Meer entdecke zwei Finnen. Tatsächlich! Nahe der Küste tauchen erst zwei, dann vier und dann fünf Orkawale auf. Anders als die Buckelwale blasen sie ihre Fontainen wie eine Dampfwolke aus, weshalb sie nur bei genauem Hinschauen zu erkennen ist doch ich habe mein Fernglas und so scheinen mir diese schönen schwarz/weißen Tiere zum Greifen nahe. Mein Weg führt mich von Powel River weiter nach Saltery Bay, am Nordostufer der Strait of Georgia. Die Überfahrt mit der nächsten Fähre von Saltery Bay nach Earls Cove ist einfach unbeschreiblich schön.

Mit der Fähre nach Saltery Bay

Zwischen Inseln und Küste öffnet sich der Blick auf die Bergwelt der Pacific Ranges. Die Sonne steht schon tief und modelliert die Landschaft mit ihren langen Schatten und dem warmroten Licht des Abendss. Ehe ich mich recht versehe ist es dunkel und es wird Zeit, mir mein Lager zu suchen. Ein Schild ‚Home Site Creek Recreation Site‘ hört sich gut an. Der Weg zweigt von der Straße ab und führt etwa drei Kilometer über eine recht raue Schotterpiste den Berg hinauf. Doch der Weg lohnt sich. Riesig Groß scheint der Mond durch die Äste des Zedernwaldes. Weit verteilt gibt es zweiundzwanzig Plätze. Sie sind so weit voneinander getrennt, dass man seinen Nachbarn, wenn überhaupt vorhanden, gar nicht hört, geschweige denn sieht. Von der Rangerin, sie stellt sich mir als Christine vor, die so gegen neun Uhr abends bei mir auftaucht um zehn Dollar für die Übernachtung zu kassieren erfahre ich, dass noch zwei weitere Gäste im Park seien. Seit sechs Jahren mache sie diesen Job und sie liebt diesen Wald wie keinen anderen an dieser Küste. Wir schauen hinauf zum Himmel und riesig groß, orangerot taucht zwischen Ästen und Wolken der Mond auf – und wieder ergreift mich die Ehrfurcht davor, ein Teil dieses Universum zu sein, dahinzutreiben auf unserem kleinen und wunderschönen Planeten und gleichzeitig macht es mich traurig, dass wir mit all unserer Intelligenz nicht in der Lage zu sein scheinen, diesen einzigartigen Planeten und das Leben auf ihm zu bewahren…

Am nächsten Morgen verstehe ich Chistines Begeisterung. Ich wache geradezu in einem Märchenwald auf. Mit dem ersten Sonnenstrahl kommt das Licht in den Wald und während über dem Unterholz zarte Nebelschwaden aufsteigen und dahinfließen, leuchten die Blätter und Nadeln der Bäume in einem satten, kräftigen Grün.

Nur wenige Kilometer bin ich gefahren, als der Hinweis auf die ‚Smuggler Cove‘ mich neugierig macht. Von einem Parkplatz aus führt der Trail durch den Wald und nach eineinhalb Stunden blicke ich auf die Bucht mit ihrem funkelnden Wasser unter mir.

Die rötlichbraunen Stämme der mächtigen Zedern lassen den morgenkühlen Wald wärmer erscheinen als er ist. Ich wärme mir meine Hände an der Tasse mit heißem Kaffee. Es wird ein guter Tag.

Smugglers Cove

Erst glaube ich, einen See vor mir zu haben, doch als ich auf dem Trail weiter und weiter hinauf wandere erkenne ich die schmalen Durchbrüche zum Meer. Ich kann mich nicht sattsehen, setze mich auf einen Fels und schaue dem Wasser zu, wie es aus der Bucht hinausströmt. Es ist so ruhig, beinahe mystisch und es tut gut, einfach alle Gedanken zu vergessen, die Wärme der Sonne zu spüren und an so gar nichts zu denken. Ich glaube das letzte Mal, dass mir dies gelungen ist, war in der Wüste Libyens. Stimmen reißen mich aus dieser wohltuenden Leere und langsam kommen immer neue Wanderer, machen ihre Selfies und verschwinden wieder. Der Ort hat seinen meditativen Zauber verloren. Was bleibt ist seine ungeheure Schönheit. Ich such mir einen neuen Weg durch den Wald und durch Sumpflandschaft mit Schachtelhalm, toten Bäumen, die schwarz und ein wenig unwirklich aus dem Wasser ragen wie in der Fantasiewelt des Herren der Ringe.

Eine letzte Fähre bringt mich hinüber nach Horseshoe Bay. Ein letzter Blick auf die Berge, durch die ich noch vor einer Woche gefahren war. Ich wollte, ich könnte diesen Anblick einfach mitnehmen und für einen Augenblick bahnt sich der Gedanke seinen Weg, dass ich diese Berge wohl nie wieder sehen werde. – Schnell weg mit diesen bösen Geistern. Die Welt ist groß und überall gibt es Neues Interessantes. Gehe einfach weiter.

Am Abend bin ich wieder in Spanish Banks. In der Luft liegt der Geruch von Feuer, die Skyline der Stadt liegt hinter einem Schleier aus Rauch. Wie ich später erfahre wüten heftige Waldbrände etwa hundert Kilometer östlich von Vancouver in den Wäldern von Hope.

Dunkle Rauchwolken machen den Tag zum Abend

Am nächsten Tag ist der Geruch beißender, der Rauch dichter doch ich möchte noch einmal in die Stadt. Ein junger Mann nimmt mich vom Strand mit nach Grenville Island und von dort laufe ich los über die Brücke immer der Grenville Street entlang.

In den acht Jahren sind etliche Hochhäuser neu entstanden, teils mit einer gewagt erscheinenden Architektur, die sich, betrachtet man das Gebäude von allen vier Seiten als eine perfekte optische Täuschung erweist.

Manchmal kommt es eben auf den Standpunkt an

Ja, ich kenne meinen Weg, die Straßen und Avenues, durch die wir gegangen sind und ich spüre die gleiche Aufregung und Faszination, die mich vor acht Jahren ergriff. Bis zur Waterfront möchte ich laufen und dann mit dem Bus zurück nach Spanish Banks. Ich freue mich einfach darüber, genau zu wissen wo welcher Bus fährt, wo ich bin und wie ich wohin gelange ohne zu fragen. Ich möchte die Jugendherbergen aufsuchen, in denen ich und in der ich später mit Gitte wohnte, doch die gibt es nicht mehr. Gut so! Es reicht mit den Erinnerungen.

Vancouver Downtown

Vom letzten Bus bis zu meinem roten FidiBus habe ich einen Weg von einer Stunde vor mir. Immer am Strand entlang, vorbei an prächtigen Villen. Vor einer Villa bleibe ich begeister stehen, bringe meinen Fotoapparat in Stellung und mache ein paar Bilder. Vor dem schweren Stahltor steht ein Herr und spricht mich an. Ich erkläre ihm, dass mich diese Haus begeistert. Ja, er wohne hier und ich könne gern von dort aus wo ich stehe Fotos machen. Als ich weiter gehen möchte spricht mich ein anderer Herr an und fragt mich, ob ich wüsste mit wem ich soeben gesprochen hätte. Nein sagte ich, keine Ahnung. Mit bedeutungsvollem Blick sagte er „ This was Lolo Lemmon“, der reichtse Mann Kanadas, er hat unter Anderem eine Mode- und Bekleidungskette gleichen Namens. Die Villa hätte er damals zu einem Preis von achtzig Millionen Dollar erstanden. Donnerwetter! Und er hat mir tatsächlich einige Sekunden seiner wertvollen Zeit geschenkt…

Ich betrachte mir die Namen und Aufschriften der Villen, doch ich kann sie nicht lesen, denn mein Chinesisch weist doch große Lücken auf. Ich sehe, wovon ich bereits las und was die Menschen Vancouvers unzufrieden macht. Der größte Immobilienreichtum befindet sich in den Händen der Chinesen, die hier die größte Community der Welt außerhalb Chinas haben. Dies ist eine Situation, die sich für die die Stadt mehr und mehr zu einem sozialen Problem entwickelt. Spricht man mit den Menschen hier, aber auch außerhalb der Stadt darüber, so erfährt man schnell, dass man einen schlafenden Hund geweckt hat, wenngleich dieser sich nur unter einer dünnen Decke lediglich noch im Leichtschlaf befindet. Dass sich nun auch noch ein Chinese als Bürgermeister von Vancouver zur Wahl stellt ist für einige Menschen mit denen ich sprach, der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Eine letzte Nacht verbringe ich am Strand von Spanish Banks, fahre am nächsten Morgen noch einmal hinein nach Grenville Island, gehe in die Markthalle kaufe mir etwas zu essen und plötzlich spüre ich nur noch, dass es genug ist. Ich muss weiter, ich muss fort von hier.

Squamish, zurück in der Stadt

Vom Bad erfrischt bin ich bester Laune. Es ist kaum Verkehr und so kann ich wieder mit fünfundsiebzig km/h dahin cruisen. Da bietet sich mir doch eine der Gelegenheiten bei der Fahrt ein wenig Gesellschaft zu haben. Zwei Mädels stehen da am Straßenrand mit ihrem Hund und trampen. beide haben mehrere Gesichts- und Zungenpiercings nur der Hund ist ungepierced. Nach meiner letzten Erfahrung mit Frauen im Auto (siehe: Beinahe verhaftet) zögere ich einen Augenblick, doch die Aussicht auf ein nettes Gespräch lässt mich die Bedenken beiseite schieben. Kurz darauf sitzen Agatha und Celine samt Hund hinter mir auf dem Boden, dem einzigen Platz, den ich ihnen anbieten kann, doch sie sind’s zufrieden. Kaum haben sie es sich bequem gemacht, da fangen sie auch schon an zu erzählen. Sie stellen sich als Agatha und Celine vor und sind aus Frankreich, nahe zum Elsass. celine arbeitete als Krankenschwester und Agatha in einem Studio für Graphic Design. Seit ihrer Schulzeit sind sie Freundinnen, haben im April ihre Jobs gekündigt und beabsichtigen gemeinsam für zwei Jahre durch Nord- und Südamerika zu trampen. Wenn das Geld knapp wird arbeiten auf einer Farm, führen Hunde aus oder putzen auch einmal. Hauptsache es reicht wieder für ein paar Wochen. Nachdem ich ihnen von meinen Reisen nach Kambodscha und Libyen erzählte wollen sie von mir wissen, wie es dort ist allein als Frau zu reisen. Tja, früher hätte ich ihnen da bedenkenlos Libyen empfohlen, heute aber ist das Land unbereisbar. Kambodscha kann ich nicht beurteilen. Hierfür fehlen mir die Erfahrungen allein reisender Frauen

Bei all dem Erzählen merke ich gar nicht, dass wir bereits am Ziel sind. Die Beiden haben das gleiche Ziel vor Augen wie ich, den Campground von Stawamus Chief Provincial Park. Für meinen Bus bekomme ich keinen Platz mehr auf dem Camp, aber iOverlander empfihlt in diesem Falle direkt vor dem Campground zu stehen. Vorteil: Dort steht man kostenlos. Ich frage die Ranger, die den Platz betreuen und sie bestätigen die Beschreibung meiner App. Zur Belohnung für den angenehmen Reisetag gönne ich mir ein Glas Wein auf meinem „Balkon“, von wo aus ich einen schönen Blick auf die How Bay habe. Sicher, ich hatte schon weitaus schönere Stellplätze, doch um einen Tag Pause zu machen eignet er sich gut. Ich habe Lust darauf der Stadt einen Besuch abzustatten und da es von hier aus einen kostenlosen Shuttlebus nach Downtown gibt ist der Gedanken schnell in die Tat umgesetzt. Es geht hier wirklich städtisch zu. an der Straße gibt es eine Reihe Restaurants und Bars mit einer Terasse. Noch scheint die Sonne und es ist warm, was spricht also dagegen, mir noch ein Bier zu gönnen? Eigentlich nix. Dann geht auch schon die Sonne unter und es wird sofort empfindlich kalt. Noch fährt der Shuttlebus und so liege ich eine halbe Stunde später im Bett.

Der nächste Morgen sieht nach Regen aus und schon in der Nacht fielen ein paar Tropfen. Die Sicht ist schlecht, somit herrscht nicht gerade das Wetter für eine Fortsetzung meiner Reise. ich muss ja auch mal wieder meinen Blog auf Vordermann bringen. Ich bleibe noch einen Tag hier. Als am Nachmittag die Wolken aufreissen drängt sich immer mehr der Gedanken auf, eine Wanderung zu machen. Es gibt ein paar Alternativen. Ich entschcließe mich für die anstrengenste. Hinauf auf die Gipfel des Stawamus Chief, dem zweitgrößten Granitmonolithen der Welt. So beginne ich am nächsten Tag eigentlich schon viel zu spät meinen Aufstieg und der hat es, wie beschrieben, in sich. Sehr steil geht es anfangs über Holztreppen steil bergauf. Genauso steil ging es weiter über einen Felsigen weg und kurz vor dem Ziel an Leitern und Ketten, an denen man sich auf dem glatten Granit emporziehen konnte und später auch wieder „abseilen“.

Auf dem Gipfel des Sakamus Chief

Am Abend treffefich fix und fertig, dafür aber zufreiden und stolz auf mich wieder bei meinem FidiBus ein. Wenn jetzt keine Belohnung fällig wird, wann denn dann?

Der Shuttlebus brachte mich wieder einmal in die Stadt und ich gönnte mir ein hervorragendes Pulled Pork.

Morgen fahre ich dann endgültig nach Vancouver

Der nächste Morgen sieht nach Regen aus und schon in der Nacht fielen ein paar Tropfen. Die Sicht ist schlecht, somit herrscht nicht gerade das Wetter für eine Fortsetzung meiner Reise. ich muss ja auch mal wieder meinen Blog auf Vordermann bringen. Ich bleibe noch einen Tag hier. Als am Nachmittag die Wolken aufreissen drängt sich immer mehr der Gedanken auf, eine Wanderung zu machen. Es gibt ein paar Alternativen. Ich entschließe mich für die anstrengenste. Hinauf auf die Gipfel des Stawamus Chief, dem zweitgrößten Granitmonolithen der Welt. So beginne ich am nächsten Tag eigentlich schon viel zu spät meinen Aufstieg und der hat es, wie beschrieben, in sich. Sehr steil geht es anfangs über Holztreppen steil bergauf. Genauso steil ging es weiter über einen Felsigen weg und kurz vor dem Ziel an Leitern und Ketten, an denen man sich auf dem glatten Granit emporziehen konnte und später auch wieder „abseilen“. Am Abend traf ich fix und fertig, dafür aber zufreiden und stolz auf mich wieder bei meinem FidiBus ein. Wenn jetzt keine Belohnung fällig wird, wann denn dann?

Der Shuttlebus brachte mich wieder einmal in die Stadt und ich gönnte mir ein hervorragendes Pulled Pork.

Morgen fahre ich dann endgültig nach Vancouver

Ein Tag, zwei Pannen

Der neue Tag sollte einige Überraschungen bringen. Die erste lässt auch gar nicht lange auf sich warten. FidiBus ist gepackt und ich starte meinen routinemäßigen Rundgang. Öl, Wasser und Bremsflüssigkeit checken, und anschließend die Reifen. Und da sehe ich es. Hinten links ist der Reifen beinahe platt. Es bleiben mir zwei Möglichkeiten. Entweder das Reparaturspray oder fachgerecht flicken. In jedem Fall muss der Reifen demontiert werden um das Loch zu finden und zu beurteilen, welches die richtige Methode sei. Darin habe ich nun genug Übung. Die schadhafte Stelle zu finden bedarf es kein detektivisches Talent. Im Profil klafft eine tiefe Wunde und darin steckt etwas. Das gilt es zuerst zu entfernen. Es stellt sich heraus, dass es ein Steinchen ist, das sich seinen Weg durch den Reifen gescheuert hat. Raus damit und dann mit einer Rundfeile das Loch reinigen und aufrauhen, einen Stopfen in das Wekzeug einfädeln Gummikleber drauf und hinein damit in das Loch. Einmal kräftig ziehen und drehen und schon war das Loch dicht. Zehn Minuten später war das Rad wieder montiert und ich starte Richtung Squamish.

Kaum bin ich auf dem Highway sehe ich am nahen Berghang vier Feuer und zwei Hubschrauber, die den Kampf gegen die Flammen aufgenommen haben. Mit jedem Flug ergießen sich sechstausend Liter Wasser über den Brandherd. Bald ist das erste Feuer gelöscht und dann macht man sich an die anderen drei Brandherde. Zuerst wird der eigentliche Herd gelöscht gelöscht, bevor die Umgebung komplett nass gemacht wird. Alle vier Herde zu löschen dauerte etwa eine Stunde. Wie mir ein Mitarbeiter von BC Hydro, der das Geschehen ebenfalls von meinem Parkplatz aus beobachtet, erklärt, wurde das Feuer bewußt am Vorabend gelegt um zu trainieren. Ein Feuer in dieser Lage, ohne Gefährdung von Menschen oder Siedlungen hätte man ansonsten einfach brennen lassen. Ich fahre weiter und die Landschaft wird wieder richtig alpin. Ich bin begeistert von dem Anblick der Schluchten, der Berge und der Straße, die sich eng an die Felsen angelehnt ins Tal windet. Direkt hinter einer Kurve steht ein Auto. Ein weißer VW-Bus T3. Im Vorbeifahren sehe ich eine riesige Wasserlache und einen Fahrer, der vor seinem geöffneten Kühler steht. Hier ist Hilfe angesagt. Also setze ich zurück und lasse mir das Problem erklären. Ein Wasserscchlauch sei geplatzt. Um Ich taste alle Schläuche ab und finde den Fehler nicht. Also hole ich mein Wasser und so wie ich es hineinschütte läuft es wieder heraus. Doch weder aus einem geplatzten Schlauch noch an einer Schlauchverbindung. Meine Vermutung ist, dass der Motor einen Riss hat, was auch aus der Schilderung hervorgung, dass es einen riesigen Knall gegeben hat und schlagartig das Wasser weg war. Eine Vermutung, die sich später als richtig herausstellten sollte. Schleppen auf dieserc gebirgsstreckeist mir zu riskant, zumal ohne Motor auch die Servopumpe für die Lenkung nicht funktioniert. Es gibt kein Mobilnetz, somit kann auch keine Hilfe geholt werden. Es bleibt somit nichts anderes, als den Bus stehen zu lassen und seinen Fahrer in die nächste Stadt zu fahren, wo er einen Abschleppdienst beauftragen kann. mein Navi sagt mir, dass mit vierundachtzig Kilometern Pemberton am nähesten liegt. Das sind eineinhalb Stunden Fahrt, zum Glück in meine Richtung. In Pemberton angekommen, ist der einzige Servicebetrieb so ausgelastet, dass er hheut kein Schleppfahrzeug mehr frei hat. Ein anderes Unternehmen in Squamisch kann helfen, doch bis er in Pemberton sein kann braucht er gut eineinhalb Stunden. Den armen Teufel Clayton jetzt allein zu lassen scheint mir keine gute Idee. Ich warte, bis der Service da ist und wirklich helfen kann. Immer wieder versichert mir Clayton, wie froh er ist, dass ich mich so bemühe. Er lädt mich zu einem Drink ein um die Wartezeit zu verkürzen nd dann nach einer Stunde kommt das Auto von Payless Towing zu dem vereinbarten Treffpunkt. Clayton verspricht, mich auf dem Laufenden zu halten und ich mache mich davon. In einem kleinen Badesee spüle ich mir den Schweiß von meinem Körper, schwimme ein paar Runden und mache mich wieder auf die Socken. Heute Abend möchte ich in Squamish sein.

Von den Bergen in die Wüste – in die Berge

Meine Reise geht nun auf dem Highway #1, dem Trans Canada Highway recht Ereignislos weiter. Schon früh am Morgen werde ich wach und denke noch einmal darüber nach ob ich bleiben oder doch lieber meinen Weg nach Lilooet fortsetzen soll. Lina und Philipp haben mir den Lake Seton als so schön beschrieben, dass ich es vorziehe dort lieber noch etwas länger zu bleiben. Die Strecke bietet immer wieder schöne Ausblicke auf Seen und Berge, doch die Berge treten zunehmend in den Hintergrund und machen einer großflächigen Landschaft Platz die von hohen Sedimentplateaus und dem tief eingeschnittenen Flusslauf des Thomson River durchzogen wird. Kamloops erscheint mir heute viel größer als bei meinem letzten Besuch. Ich möchte hier keine Zeit verbringen, verzichte auf eine Bahnfahrt mit der historischen Dampflokomitive, der einzigen, die noch auf Normalspur fährt. Warum auch immer, ich fühle mich hier nicht wohl. Und durchfahre die Stadt ohne Halt. Der Highway verläuft nun recht immer durch diese unwirklichen Sedimenthügel. Kurz nach Kamloops bemerke ich einen schwefelig fauligen Geruch und dann sehe ich Tümpel mit einer weißen Salzschicht. Einige Minen befinden sich in der Umgebung, in denen der Amphibolith abgebaut wird. Es gibt kaum Vegetation. Dort, wo etwas wächst, sind es kleine Kakteen und ein stark duftendes Kraut, das bei den Indigenen bei rituellen Anlässen verbrannt wird. Ich pflücke mir ein Sträusschen und bald duftet der ganze FidiBus danach. Aus den Dünenartigen Hügeln zeugen hohe und schroffe Felswände aus Lava- und Amphibolitgestein von einst mächtigen Vulkanen. Ich fühle mich, nicht nur der Hitze wegen wie in einer Wüste. Nichts als weite, trockene Steppe.

Die Landschaft wandelt sich erneut und macht Viehweiden Platz. Immer mehr wird das Bild von der Landwirtschaft geprägt. Bei Cache Creek verlasse ich den Highway #1 und biege auf den Highway #99 ab. Der Wandel, der sich bereits auf den ersten Kilometer landschaftlich vollzieht ist grandios. Es geht wieder in Berge, durch Schluchten aus grauem Kalk- und gelbem Dolomitgestein. Ab und zu sehe ich Marmorsteinbrüche, durchzogen mit schwarzen Adern, doch komme ich nirgendwo nahe genug an die Brüche heran um herauszufinden worum es sich bei diesen schwarzen Adern handelt. Ich vermute, das es Basalt ist, der durch das Sediment hindurchgetrieben ist. Bei Pavilion erreiche ich die Hochebene und habe nun einen umwerfenden Blick hinab in die Schlucht, die der Fraser River durch Lava und Sediment geschnitten hat. Die Strecke ist tatsächlich so unbeschreiblich schön, wie sie mir von Lina beschrieben wurde.

In Lilooet liegt Brandgeruch in der Luft und an einigen Stellen sehe ich in den Bergen Rauchsäulen aufsteigen. Ih habe Lust auf eine Bar mit Terasse, doch das ist eine Fehlanzeige. Nur ein Hotel bietet eine Terasse an, deren Charme nicht so recht bei mir ankommen will. Also fahre ich die wenigen Kilometer bis zu Lake Seton weiter und suche den beschriebenen Campingplatz. Der Platz liegt im Wald, wird von Energiebetrieb BC Energy verwaltet. Zwar liegt er nicht am See, dafür aber an einem kleinen Fluss. Kaum nähere ich mich diesem Creek, bemerke ich einen deutlichen Gderuch nach totem Fisch. Ich schaue nach woher dieser unangenehme Geruch kommt und da sehe ich es auch bald. Die Sockey Lachse haben hier ihren Laichgrund erreicht und ihre Eier abgelegt. Damit ist ihr Leben am Ende angekommen. Ausgezehrt und erschöpft finden sie hier ihren Tod. Die Kadaver liegen überall im Wasser oder leuchten in einem tiefen Rot auf den Felsen, wo sie Futter für Wölfe Bären und Raben sind. Hier und da sehe ich noch einen Lachs schwimmen und erlebe auch den heftigen Kampf zweier Lachsmännchen, die um den Laichplatz kämpfen.

Für die Nacht ist der Platz gut, aber einen weiteren Tag möchte ich nicht bleiben, der Hauch des Todes wird sicher in den nächsten Tagen eher noch zunehmen. Ach wäre ich doch am Adams Lake geblieben.

Conversation Café, ein Name ein Programm

Mein nächstes Ziel ist zunächst Revelstoke, schon seit Alters her ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt.Weshalb sich auch hier ein großes Eisenbahnmuseum befindet. Hier w erde ich endlich meine Nachricht an Philipp und Lina los und prompt bekomme ich eine Antwort. Wir wünschen uns eine gegenseitige sichere und glückliche Weiterreise und wissen, dass wir uns in Deutschland wiedersehen. Revelstoke ist ein sehr belebtes Städtchen und endlich gibt es wieder richtige Cafés in denen man an der Straße sitzen kann und wie daheim die Menschen beobacchtet, wie sie auf die unterschiedlichste Weise mit der ungewohnten Hitze fertig werden. Ich suche mir das Conversation Café aus, der Name ist viel verssprechend. So dauert es auch nicht lange, bis ich mit einem Tisch älterer Herren ins Gespräch komme, die Pläne für den Umbau des Hauses einer dieser Herren diskutieren. Sie staunen darüber, wie man in Deutschland baut und was ein Haus kostet. Sie staunen über die vielen Vorschriften, die einzuhaltenden Standards, die Heizungen und die Preise für Strom und Gas. Ein haus kann man hier für achtzig bis einhunderttausend Dollar bauen, inklusive Grundstück und das sind wahrlich andere Grundstücke als unsere kleinen Parzellen, die man gar nicht erst in Quadratmetern sondern gleich in acres misst. Ja und geheizt wird mit billigem oder gar kostenlosen Holz und wenn das im kalten Winter nicht reicht, hat man einen Ölofen.

Es es noch früher Nachmittag und ich würde gern hinauf zum Mount Revelstoke fahren und dort ein wenig wandern gehen und das tue ich dann auch Eineinhalb Stunden wandere ich, mit Bärenspray und Fotoausrüstung bepackt hinauf bis zu einem Feuerbeobachtungsturm nahe des Gipfels. Die Blumenwiesen, die dem Highway den Beinahmen Medows in the Sky gegeben haben, sind leider zum größten Teil schon abgeblüht und dies Wiesen bereiten sich bereits auf den Herbst vor. Die Aussicht von hier oben in die Monschee Mountains im Westen und in das Selkirk Gebirge im Osten ist berauschend. Ich nutze einen der zwei roten Holzstühle, die man hier in Kanada so Häufig als Einladung zum Verweilen findet und genieße das Panorama.

Heute, so überlege ich mir, wäre es schön einmal wieder eine Dusche zu haben und so steuere ich den Martha Campground am Lake Revelstoke an, der durch das Aufstauen des Columbia River entstanden ist. Doch vor dem Vergnügen der heißen Dusche steht noch ein Stück Arbeit an.

Die Reifen meines FidiBus sind vvorn schon recht weit abgefahren und haben die vier Millimeter-Marke erreicht. Außerdem möchte ich mir anschauen, inwieweit die Reparatur der Bremse gelungen ist, oder ob ich noch einmal eingreifen muss und den zusätzlichen Satz der Bremsbeläge brauche.

Das heißt Räder von vorn nach hinten tauschen, viceversa. Schnelle Arbeit, doch wie so immer steckt der Teufel im Detail. Um jeweils beide Räder zu demontieren brauche ich einen zweiten Wagenheberund der war auf dem Platz nicht aufzutreiben. Die der Trucks waren zu hoch, die der Pkws zu klein oder zu schwach. Doch der dür den Platz zuständige Ranger hatte die Lössung in Form vieler dicker Unterlegbretter, die die Wohnmobilfahrer vergessen haben. Also hebe ich den FidBus mit meineem Wagen hinten an, lege sieben Bretter aufeinander und lasse ihn darauf ab. Dann kannich den Wagenheber vvovrn zum Einsatz bringen und alles geht wie geschmiert. Die Bremsbelege der reparierten Brems erweisen sich zwar als schräg abgefahren, aber in einem Bereich, der vovrerst noch tolerabel ist.

So aber jetzt ab unter die Dusche! Nach einer dreiviertel Stunde sitzt ein geduschter, manikürter und gestilter Matthias am Tisch bei einem selbstgemachten Nudelsalat und einem wohlverddienten eiskalten Bier.

Für mein Frühstück lasse ich mir viel Zeit. Wieder scheint dide Sonne, die Temperatur soll heute erneut die siebenunddreißig Grad Marke erreichen. In Revelstoke frische ich meine Lebensmittel auf und freue mich auf einen Kaffee imConversation Café.

Dieses Mal warte ich nicht darauf angesprochen zu werden. Ein Ehepar möchte sich an den Nachbartische setzen doch es fehlen Stühle. Dafür habe ich an meinem Tisch vier Stück, also stelle ich zwei davon an den Nachbartische. Stelle mich vor, worauf auch die Beiden mir ihre Namen verrieten und schon war das Eis gebrochen. Sie machen hier Urlaub, seien aber aus Texas. Er bewundert deutsche Autos und hat einen Mercedes in Stuttgart bestellt, der in sechs Wochen geliefert wird. Sie fährt einen BMW. Nein gute Autos gibt es nur in Deutschland. Amerika kann weder gute Autos noch gute Motoren bauen bestätigen mir beide im Brustton der Überzeugung. Und dann wollen sie über Deutschland sprechen. Was der Krieg Russlands gegen die Ukraine für Deutschland bewirkt, ob ich glaube, dass die Ukraine eine Chance hat, wie sich unser Leben nach Covid und nun durch die Gasknappheit verändert hat. Ob die Regierung in Deutschland von der Bevölkerung unterstützt wird und ob man sich über Deutschland hinaus in Europa einig ist, wie man mit einem Diktator wie Putin umgehen sollte. Entgegen aller Vorurteile habe ich den Eindruck, dieses Mal auf gut informierte US-Amerikaner gestoßen zu sein. Am Ende wünschten sie mir aber auch Deutschland, bald wieder friedlicheren und leichteren Zeiten entgegenzusehen. Es war ein sehr schöner Morgen und voller Kraft und Tatendrang starte ich meinen FidBus. Erreiche ich wohl heute noch Kemloops?

Ein Umweg

Es ist Sonntag, der achtundzwanzigste August. Morgen möchte ich in Vancouver sein, die letzte Möglichkeit Lina und Philipp zu treffen, bevor sie am Dienstag in die USA weiterreisen. Ich sollte also heute bis Kamloops fahren. Es läuft alle prima, der Highway ist gut ausgebaut und ich komme flott voran, bis etwa fünfundzwanzig Kilometer vor Golden. Ein Hinweis auf eine Vollsperrung macht die Weiterfahrt erst einmal unmöglich. Ich frage einen Truckdriver, der ja mit seinen Kollegen stets über Funk Verbindung hat, wie lange die Sperrung dauert. Seine Antwort bedeutet das Aus für ein Wiedersehen mit meinen Freunden. Ich müsse mit achtundvierzig Stunden Sperrung rechnen. Es sei ein schwerer Unfall passiert, in den zwei Trucks verwickelt sind und da der Unfall drei Menschen das Leben kostete, müsse erst die zuständige Staatsanwaltschaft am Unfallort die Ursache klären. Ein Blick auf die Karte macht mir schnell deutlich, dass ich hier in einem Land bin, dessen Straßennetz bei Weitem nicht so dicht ausgebaut ist wie zuhause. Der Umweg bedeutet zusätzliche dreihundertachtzig Kilometer. Ich schreibe Philipp eine Nachricht, dass ich es nicht schaffen werde, doch es gibt kein Netz. Meine Nachricht wird also noch eine Weile unversendet bleiben.

Vielleicht fahre ich heute bis Lake Luise und mache dort eine Tageswanderung. Wieder mache ich die Rechnung ohne den Wirt, Lake Louise hat in weitem Umkreis keine freien Parkplätze und ist daher für den Autoverkehr gesperrt und so entschließe ich mich auf dem Highway #93 und #95 in Richtung Kamloops zu fahren, weiß aber, dass ich es so weit in keinem Fall schaffen werde. Ich habe nun Zeit gewonnen und die nutze ich zum Sightseeing. Auf dem Weg liegen die Marble Falls. Sie bieten auf meiiner Wanderung einen Einblick in vierzehn Millionen Jahre Erdgeschichte. Tief eingeschnitten in den Fels hat sich der Fluss seinen Lauf gegraben. Bis zu fünfundsiebzig Meter hat er sich in den Stein geschliffen und dabei natürliche Brücken, Kolke und bizarre Felsgebilde herausgefräst. Wie es bereits der Name andeutet, durchneidet das Wasser auf seinem Weg mächtige Bänke von Marmor. Tief unter mir trifft die Sonne für einen Moment den Grund. Grün leuchtet das Wasser, eingerahmt von gelben Sedimenten früherer vulkanischer aktivitäten, gelbem Dolomit und dem weißen Marmor. Und rotem einsenhaltigen Gestein. Bei Radium Hot Springs durchfahre ich enge Schluchten. So genannter Grünstein der Felsen sind Zeuge einer frühren Zeit der Gebirgsbildung, als durch das Aufeinanderschieben der Platten nicht nur die Gebirge entstanden, sondern damit einhergehend auch Erdbeben und ein ausgedehnter Vulkanismus, Quelle vieler der Hot Springs, dort, wo das Wasser von der Oberflächein das Poröse Kalk und Lavagestein eindringen kann und sich im Erdmantel erwärm um dann als heißes Wasser wieder aufzusteigen.

Am späten Nachmittag habe ich den Trans Kanada Higway #1 erreicht. Genug für heute. Nach kurzer Strecke verlasse ich den Highway, steuere den Waitabit Creek Provincial Park an und suche mir einen Platz direkt am Fluss. Campfire sind nun nicht mehr erlaubt, es ist die zweithöchste Gefahrenstufe für Waldbrände erreicht und Regen ist nicht in Aussicht, wohl aber Temperaturen bis nahe vierzig Grad Celsius.

Auf dem Icefields Parkway nach Südosten

Der Highway bis Tête Jaune Cache zieht sich dahin. Es gibt keinen Anlass für ein Stop, aber der Verkehr nimmt zu und damit ist es auch vorbei mit dem Cruisen. Die Maximalgeschwindigkeit ist gleichzeitig die Richtgeschwindigkeit, besser man überschreitet diese noch ein wenig, als dass man darunter bleibt. Kanadier fahren gerne schnell, zumal es kaum Kontrollen gibt. Heute ist es trüb. Tiefe Wolken liegen auf den Bergen und nur selten wird der Blick frei auf die vom Eis bedeckten Gipfel. Ganz allmählich geht es bergauf und rechtzeit am Fuße des mt. Robson reißt die Wolkendecke für wenige Minuten auf und gibt den Blick frei auf diesen höchsten Berg der kanadischen Rockies. 3954 Meter ragt der Gipfel in den Himmel. Diese Gebirge ist so ganz anders als die Alpen. Keine tief eingeschnittenen Täler begrenzen den gedanklichen Horizont und prägen das Leben ihrerer Bewohner. Es ist so, als hätte man die Alpen auf einer Gummimatte errichtet und zöge sie gleichzeitig an allen vier Seiten auseinander. Die Atabaska-Eisfelder rücken immer näher und dann erreiche ich den Icefield Pass auf eintausendeinhundert Metern. Und wieder erinnere ich mich, genau an diesem Punkt mit Gitte gestanden zu haben und das tiefe Blau des Eises bewundert zu haben. Es war eiskalt damals, ganz anders als heute, wo trotz des bedeckten Himmels die Temperatur angenehm warm ist. Und noch etwas ist anders: Der Betrieb. Die Parkplätze rund um den Aussichtspunkt sind gestopft voll. Lange Reihen von Bussen bringen die Touristen auf den Columbia Gletscher. Ich begnüge mich damit, bis auf zwei Kilometer an die Gletscherzunge heranzufahren, denn nur aus dieser Distanz ist das Blau des Eises so prachtvoll zu sehen. Die Fahrt über den Pass, bis auf dessen anderer Seite ist großartig. Die beinahe alpine Straße gibt immer wieder den Blick frei auf die hohen Berge, die Gletscher und die schroffen Kalk- und Dolomitfelsen. Der Bow-Lake Glacier reicht beinahe bis in den See, doch bin ich nicht der einzige Bewunderer. Busladungen von chinesischen Touristen schieben sich zum Ufer des Sees. Mit ihren Handysticks schießen sie Selfies aus jedem nur denkbaren Winkel. Ich suche mir ein weniger überlaufenes Eckchen und finde ein großartiges Motiv. Doch immer wenn ich meine Kamera bereit hatte, waren auch, wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel, die Chinesen schon da. Entschlossen trete ich der Gruppe entgegen und bitte sie, sich für eine Weile nicht vom Fleck zu rühren, bis ich mein Foto habe. Und da zeigt sich die Höflichkeit dieser Menschen. Nicht nur, dass sie stehenblieben, nein ein Herr sperrt auch die andere Seite des Weges ab und ich komme in aller Ruhe zu meinem Bild.
In Jasper lege ich einen Stopp ein. Ich erstehe im Touristenbüro eine Karte für die Fahrt mit der Sky Tram auf den Gipfel des Mt. Wistlers. Der Blick von hier oben ist atemberaubend. Ich möchte die zwei Kilometer bis zum Gipfel hinaufsteigen, doch auf halbem Wege sehe ich das Gewitter dessen Regenfahnen schon bedenklich nahe sind. Der Wind frischt auf und nach wenigen Minuten hat er sich zu einem Starkwind entwickelt. Alle Fahrten mit der Seilbahn wurden bis auf Weiteres abgesagt. Das saßen wir also, geschätzt achtzig Menschen auf der Bergstation und niemand konnte uns sagen, wann es weiter geht. Dann brachte man uns Wasser und Cookies, Es könne länger dauern und möglicherweise könne der Betrieb erst in der Nacht wieder aufgenommen werden. Na gut, eine neue Erfahrung reiht sich in mein Repertoir ein. In meinem Rucksack habe ich meinen eReader, also wird es mir nicht langweilig. Um mich herum quängelde Kinder, bellende Hunde, aber ansonsten war die Stimmung unaufgeregt und geradezu gelassen. Sollten wir die Nacht hier verbringen müssen, so versichert man uns, würden wir aus den Beständen des Kiosk verpflegt werden. Na gut, aber den völlig überzuckerten Süßkram brauche ich nicht unbedingt. Doch dann, zweieinhalb Stunden später, es ist halb acht, kommt die erlösendende Nachricht. Der Betrieb wird wieder aufgenommen. Es ist Zeit mir einen Schlafplatz zu suchen und da es auf der gesamten Strecke keinen Stellplatz gibt, folge ich der Beschilderung zu einem Provincial Parks Camping in Field. Von hier aus sehe ich hoch in den Felsen die Stollenausgänge der alten Blei/Zink-Minen. Während diese einfach nur still da oben ihren schwarzen Schclund präsentieren, zeigt sich die nahe Bahnlinie als weniger ruhig. Mit lautem Dieselgeröhre und dem Poltern und Quitschen der Waggons sowie dem durchdringenden Tuten des Signalhorns kriechen die oft über einen Kilometer langen Güterzüge den Berg hinauf, von zwei bis vier Lokomotiven unterstützt. Mit zwei Kehrtunneln schafft sie es, eine Steigung von zweikommasieben Prozent zu überwinden. Die technische Leistung versöhnt mich mit dem Lärm und so schlafe ich dann doch recht schnell.

Den Sternen so nah

Es ist der fünfundzwanzigste August und damit der achtundneunzigste Tag meiner Reise, davon 88 Tage im FidiBus. Mein Plan ist es. Am Dienstag dem 30. August in Vancouver zu sein. Es wäre schön, wenn ich dort noch einmal Lina und Philipp träfe. Doch der Weg dahin ist noch weit. Es sind auf meiner geplanten Strecke etwas mehr als eintausend Kilometer, doch dafür sollten mir die fünf Tage reichen. Zweihundert Kilometer am Tag sind nicht viel, zumal die Strecke bis bis Prince George und von dort aus weiter in Richtung Jasper ohne große Attraktionen ist. Bis Jasper sind es gut fünfhundert Kilometer, also werde ich dazwischen irgendwo übernachten. Vielleicht in Tête Jaune Cache.

Das erste Stück der Strecke, bis nach Quesnel ist wieder sehr schön. Doch zunächst schaue ich noch einmal in das kleine Städtchen Wells, das mir wegen seiner bunten Hausfassaden von der Straße her aufgefallen ist.

Bevor ich Wells erreiche fällt mir ein Holzhaus an der Straße auf,dass über und über mit Schrott geschmückt ist. Ich stehe vor dem Haus und stelle mir vor, dass Jack London jeden Augenblich aus der Haustür tritt. Die Hütte ist bewohnt, das ist deutlich zu erkennen. Anders als man es sonst hier so häufig sieht, wo die Grundstücke ausschauen, als befände man sich auf einer Mülldeponie, ist hier der Schrott liebevoll um die Hütte herum drapiert und man kommt gar nicht auf den Gedanken, er wäre einfach nur achtlos entsorgt worden. Jedes Stück liegt genau dort, wo er seinen Charme am besten zur Geltung bringt. Später frage ich in einem Café, was es mit dieser Hütte auf sich hat und ich erfahre, dass es sich um das ehemalige Bordell handelt, dass man aus verständlichen Gründen nicht in Barkerville haben wollte, wo sich die Herren zu sehr unter der Beobachtung der Familien fühlten. Also verlagerte man es ein paar Kilometer aus Barkerville heraus und verzichtete auf jedwede Werbung und Hinweise, wodurch es dem unerfahrenen Reisenden wie ein normales Haus erschien. Heute gehört das Haus einem Fremden, den man im Ort aber kaum zu Gesicht bekäme. Wells entstand etwa zur gleichen Zeit wie Barkerville, aber im Gegensatz zu diesem machte man aus Wells kein Museumsdorf sondern es ist ein kleiner belebter Ort mit ein paar Bars, einem Theater und einigen Galerien. Aus der Nähe betrachtet ist Wells dann weniger attraktiv. Die bunten Fassaden sind nur zum Highway ausgerichtet und nur wenige Gebäude sind aus den alten Zeiten übrig geblieben. Sanfte Hügel bilden das Vorland zu den Steilen Hängen der Cariboo Mountains, die nun hinter mir liegen. Immer mehr öffnet sich das Land und große Weideflächen wechseln mit sich mit Feldern ab. Es ist heiß und die Luft ist feucht. Die richtige Mischung für das abendliche Gewitter.

In Prince George möchte ich noch einmal schnell bei Tim Hortens vorbeischauen, einen Kaffee trinken, aber der eigentliche Grund ist das kostenlose Internet. Doch irgendwie habe ich mich mit der Abfahrt vertan und rausche an Prince George vorbei. Von nun an cruise ich stundenlang auf dem Highway #16, dem Yellowhead Highway Richtung Tête Jaune Cache. Gegen fünf Uhr reicht es mir. Vor mir liegt der Ort McBride. Einer jener Orte, die so typisch für die Nordamerikanischen Vorstädte ist. Rechtwinklig verlaufen die Straßen zwischen Bahn und Highway. Zwei Hotels, die schmucklos nur mit der Aufschrift „Hotel“ um Gäste werben. Zumeist sind es Mitarbeiter der Bahn, des Straßenbaus oder der Forstbetriebe, die hier untergekommen sind.

Gleich am Ortseingang springt mir ein großes Schild in Auge, welches ein Kühles Bier und eine Sonnenterasse im Giggling Grizzly verspricht. Dieser Verlockung im kichernden Grizzly kann ich nicht widerstehen. Nach einem Bier und einem Wein befrage ich meine App nach einem Schlafplatz und tatsächlich gibt es hier einen Platz mit einer spektakulären Aussicht, etwa sechs Kilometer außerhalb der Stadt, auf einem Berg gelegen. Die Straße dort hinauf ist ein schmaler Schotterweg, sehr steil und, so verkündet es ein Schild, bei Regen nicht befahrbar. Es regnet ja noch nicht, also weiter! Im ersten Gang arbeite ich mich Meter um Meter nach oben. An den steilsten Stellen drehen die Vorderräder ein paar mal durch und immer wenn ich denke, das war’s dann wohl, finden sie neuen Halt und es geht wieder weiter. Nach vierzig Minuten befinde ich mich eintausendzweihundert Meter oberhalb von McBride. Eine Hahltebucht, ein Klohäuschen und eine traumhafte Aussicht belohnen mich für den aufregenden Anstieg. Ich schaue hinüber zu den Osthängen der Cariboo Mountains, an deren westlicher Flanke ich heute morgen gestartet bin. Es sind nur rund sechzig Kilometer Luftlinie, die mich vom Start zu meinem Tagesziel trennen. Von noch weiter oben höre ich den Motor eines Motorrades und zwei Minuten später steht es neben mir. Eine Frau und ein Mann, beide nicht viel älter als Mitte zwanzig, steigen ab. Wir wechseln ein paar Worte. Rob arbeitet im Wald, drüben, am gegenüberliegenden Hang und Rochelle ist zu Besuch bei ihm. Sie wohnt in Edmonten Sie gibt mir ihre Telefonnummer und bietet mir an, sie anzurufen, falls ich wieder nach Edmonten komme und Lust auf eine Dusche hätte. Und dann geben wir uns dem Schauspiel des Sonnenuntergangs hin. Wieviele Sonnenuntergänge mag ich wohl schon erlebt haben und doch ist es immer wieder ein Schauspiel, dessen Dramaturgie von der Kulisse geschrieben wird, in der es sich abspielt. In den letzten Momenten, bevor die Sonne hinter den Bergen den Tag beendet, wird sie noch einmal für einen Augenblick als runde wabernde Scheibe sichtbar und dann kündet nur noch ihr immer roter werdendes Licht von ihrer Existenz. Wieder entsteht vor meinen Augen das Bild unserer Erde, wie sie im scheinbaren Chaos des Weltalls dahintreibt, sich mehr und mehr von der Sonne entfernt und eines Tages, in vielen Milliarden Jahren die schützende Distanz, die uns einerseits vor dem Verbrennen, andererseits vor dem Erfrieren schützt verlässt. Was wird bis dahin sein? Wir diese Frage für uns Menschen bis dahin überhaupt noch von Relevanz sein? Die Nacht bricht herein, die Milchstraße zeigt sich am Himmel, der große Wagen, das Himmels „W“ und es umgibt mich die absolute Stille. Zeit zu Bett zu gehen.

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