mitspuersinnreisen

Mit dem Bulli durch's Land der Bären und Wölfe

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Ein Tag, zwei Pannen

Der neue Tag sollte einige Überraschungen bringen. Die erste lässt auch gar nicht lange auf sich warten. FidiBus ist gepackt und ich starte meinen routinemäßigen Rundgang. Öl, Wasser und Bremsflüssigkeit checken, und anschließend die Reifen. Und da sehe ich es. Hinten links ist der Reifen beinahe platt. Es bleiben mir zwei Möglichkeiten. Entweder das Reparaturspray oder fachgerecht flicken. In jedem Fall muss der Reifen demontiert werden um das Loch zu finden und zu beurteilen, welches die richtige Methode sei. Darin habe ich nun genug Übung. Die schadhafte Stelle zu finden bedarf es kein detektivisches Talent. Im Profil klafft eine tiefe Wunde und darin steckt etwas. Das gilt es zuerst zu entfernen. Es stellt sich heraus, dass es ein Steinchen ist, das sich seinen Weg durch den Reifen gescheuert hat. Raus damit und dann mit einer Rundfeile das Loch reinigen und aufrauhen, einen Stopfen in das Wekzeug einfädeln Gummikleber drauf und hinein damit in das Loch. Einmal kräftig ziehen und drehen und schon war das Loch dicht. Zehn Minuten später war das Rad wieder montiert und ich starte Richtung Squamish.

Kaum bin ich auf dem Highway sehe ich am nahen Berghang vier Feuer und zwei Hubschrauber, die den Kampf gegen die Flammen aufgenommen haben. Mit jedem Flug ergießen sich sechstausend Liter Wasser über den Brandherd. Bald ist das erste Feuer gelöscht und dann macht man sich an die anderen drei Brandherde. Zuerst wird der eigentliche Herd gelöscht gelöscht, bevor die Umgebung komplett nass gemacht wird. Alle vier Herde zu löschen dauerte etwa eine Stunde. Wie mir ein Mitarbeiter von BC Hydro, der das Geschehen ebenfalls von meinem Parkplatz aus beobachtet, erklärt, wurde das Feuer bewußt am Vorabend gelegt um zu trainieren. Ein Feuer in dieser Lage, ohne Gefährdung von Menschen oder Siedlungen hätte man ansonsten einfach brennen lassen. Ich fahre weiter und die Landschaft wird wieder richtig alpin. Ich bin begeistert von dem Anblick der Schluchten, der Berge und der Straße, die sich eng an die Felsen angelehnt ins Tal windet. Direkt hinter einer Kurve steht ein Auto. Ein weißer VW-Bus T3. Im Vorbeifahren sehe ich eine riesige Wasserlache und einen Fahrer, der vor seinem geöffneten Kühler steht. Hier ist Hilfe angesagt. Also setze ich zurück und lasse mir das Problem erklären. Ein Wasserscchlauch sei geplatzt. Um Ich taste alle Schläuche ab und finde den Fehler nicht. Also hole ich mein Wasser und so wie ich es hineinschütte läuft es wieder heraus. Doch weder aus einem geplatzten Schlauch noch an einer Schlauchverbindung. Meine Vermutung ist, dass der Motor einen Riss hat, was auch aus der Schilderung hervorgung, dass es einen riesigen Knall gegeben hat und schlagartig das Wasser weg war. Eine Vermutung, die sich später als richtig herausstellten sollte. Schleppen auf dieserc gebirgsstreckeist mir zu riskant, zumal ohne Motor auch die Servopumpe für die Lenkung nicht funktioniert. Es gibt kein Mobilnetz, somit kann auch keine Hilfe geholt werden. Es bleibt somit nichts anderes, als den Bus stehen zu lassen und seinen Fahrer in die nächste Stadt zu fahren, wo er einen Abschleppdienst beauftragen kann. mein Navi sagt mir, dass mit vierundachtzig Kilometern Pemberton am nähesten liegt. Das sind eineinhalb Stunden Fahrt, zum Glück in meine Richtung. In Pemberton angekommen, ist der einzige Servicebetrieb so ausgelastet, dass er hheut kein Schleppfahrzeug mehr frei hat. Ein anderes Unternehmen in Squamisch kann helfen, doch bis er in Pemberton sein kann braucht er gut eineinhalb Stunden. Den armen Teufel Clayton jetzt allein zu lassen scheint mir keine gute Idee. Ich warte, bis der Service da ist und wirklich helfen kann. Immer wieder versichert mir Clayton, wie froh er ist, dass ich mich so bemühe. Er lädt mich zu einem Drink ein um die Wartezeit zu verkürzen nd dann nach einer Stunde kommt das Auto von Payless Towing zu dem vereinbarten Treffpunkt. Clayton verspricht, mich auf dem Laufenden zu halten und ich mache mich davon. In einem kleinen Badesee spüle ich mir den Schweiß von meinem Körper, schwimme ein paar Runden und mache mich wieder auf die Socken. Heute Abend möchte ich in Squamish sein.

Von den Bergen in die Wüste – in die Berge

Meine Reise geht nun auf dem Highway #1, dem Trans Canada Highway recht Ereignislos weiter. Schon früh am Morgen werde ich wach und denke noch einmal darüber nach ob ich bleiben oder doch lieber meinen Weg nach Lilooet fortsetzen soll. Lina und Philipp haben mir den Lake Seton als so schön beschrieben, dass ich es vorziehe dort lieber noch etwas länger zu bleiben. Die Strecke bietet immer wieder schöne Ausblicke auf Seen und Berge, doch die Berge treten zunehmend in den Hintergrund und machen einer großflächigen Landschaft Platz die von hohen Sedimentplateaus und dem tief eingeschnittenen Flusslauf des Thomson River durchzogen wird. Kamloops erscheint mir heute viel größer als bei meinem letzten Besuch. Ich möchte hier keine Zeit verbringen, verzichte auf eine Bahnfahrt mit der historischen Dampflokomitive, der einzigen, die noch auf Normalspur fährt. Warum auch immer, ich fühle mich hier nicht wohl. Und durchfahre die Stadt ohne Halt. Der Highway verläuft nun recht immer durch diese unwirklichen Sedimenthügel. Kurz nach Kamloops bemerke ich einen schwefelig fauligen Geruch und dann sehe ich Tümpel mit einer weißen Salzschicht. Einige Minen befinden sich in der Umgebung, in denen der Amphibolith abgebaut wird. Es gibt kaum Vegetation. Dort, wo etwas wächst, sind es kleine Kakteen und ein stark duftendes Kraut, das bei den Indigenen bei rituellen Anlässen verbrannt wird. Ich pflücke mir ein Sträusschen und bald duftet der ganze FidiBus danach. Aus den Dünenartigen Hügeln zeugen hohe und schroffe Felswände aus Lava- und Amphibolitgestein von einst mächtigen Vulkanen. Ich fühle mich, nicht nur der Hitze wegen wie in einer Wüste. Nichts als weite, trockene Steppe.

Die Landschaft wandelt sich erneut und macht Viehweiden Platz. Immer mehr wird das Bild von der Landwirtschaft geprägt. Bei Cache Creek verlasse ich den Highway #1 und biege auf den Highway #99 ab. Der Wandel, der sich bereits auf den ersten Kilometer landschaftlich vollzieht ist grandios. Es geht wieder in Berge, durch Schluchten aus grauem Kalk- und gelbem Dolomitgestein. Ab und zu sehe ich Marmorsteinbrüche, durchzogen mit schwarzen Adern, doch komme ich nirgendwo nahe genug an die Brüche heran um herauszufinden worum es sich bei diesen schwarzen Adern handelt. Ich vermute, das es Basalt ist, der durch das Sediment hindurchgetrieben ist. Bei Pavilion erreiche ich die Hochebene und habe nun einen umwerfenden Blick hinab in die Schlucht, die der Fraser River durch Lava und Sediment geschnitten hat. Die Strecke ist tatsächlich so unbeschreiblich schön, wie sie mir von Lina beschrieben wurde.

In Lilooet liegt Brandgeruch in der Luft und an einigen Stellen sehe ich in den Bergen Rauchsäulen aufsteigen. Ih habe Lust auf eine Bar mit Terasse, doch das ist eine Fehlanzeige. Nur ein Hotel bietet eine Terasse an, deren Charme nicht so recht bei mir ankommen will. Also fahre ich die wenigen Kilometer bis zu Lake Seton weiter und suche den beschriebenen Campingplatz. Der Platz liegt im Wald, wird von Energiebetrieb BC Energy verwaltet. Zwar liegt er nicht am See, dafür aber an einem kleinen Fluss. Kaum nähere ich mich diesem Creek, bemerke ich einen deutlichen Gderuch nach totem Fisch. Ich schaue nach woher dieser unangenehme Geruch kommt und da sehe ich es auch bald. Die Sockey Lachse haben hier ihren Laichgrund erreicht und ihre Eier abgelegt. Damit ist ihr Leben am Ende angekommen. Ausgezehrt und erschöpft finden sie hier ihren Tod. Die Kadaver liegen überall im Wasser oder leuchten in einem tiefen Rot auf den Felsen, wo sie Futter für Wölfe Bären und Raben sind. Hier und da sehe ich noch einen Lachs schwimmen und erlebe auch den heftigen Kampf zweier Lachsmännchen, die um den Laichplatz kämpfen.

Für die Nacht ist der Platz gut, aber einen weiteren Tag möchte ich nicht bleiben, der Hauch des Todes wird sicher in den nächsten Tagen eher noch zunehmen. Ach wäre ich doch am Adams Lake geblieben.

Conversation Café, ein Name ein Programm

Mein nächstes Ziel ist zunächst Revelstoke, schon seit Alters her ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt.Weshalb sich auch hier ein großes Eisenbahnmuseum befindet. Hier w erde ich endlich meine Nachricht an Philipp und Lina los und prompt bekomme ich eine Antwort. Wir wünschen uns eine gegenseitige sichere und glückliche Weiterreise und wissen, dass wir uns in Deutschland wiedersehen. Revelstoke ist ein sehr belebtes Städtchen und endlich gibt es wieder richtige Cafés in denen man an der Straße sitzen kann und wie daheim die Menschen beobacchtet, wie sie auf die unterschiedlichste Weise mit der ungewohnten Hitze fertig werden. Ich suche mir das Conversation Café aus, der Name ist viel verssprechend. So dauert es auch nicht lange, bis ich mit einem Tisch älterer Herren ins Gespräch komme, die Pläne für den Umbau des Hauses einer dieser Herren diskutieren. Sie staunen darüber, wie man in Deutschland baut und was ein Haus kostet. Sie staunen über die vielen Vorschriften, die einzuhaltenden Standards, die Heizungen und die Preise für Strom und Gas. Ein haus kann man hier für achtzig bis einhunderttausend Dollar bauen, inklusive Grundstück und das sind wahrlich andere Grundstücke als unsere kleinen Parzellen, die man gar nicht erst in Quadratmetern sondern gleich in acres misst. Ja und geheizt wird mit billigem oder gar kostenlosen Holz und wenn das im kalten Winter nicht reicht, hat man einen Ölofen.

Es es noch früher Nachmittag und ich würde gern hinauf zum Mount Revelstoke fahren und dort ein wenig wandern gehen und das tue ich dann auch Eineinhalb Stunden wandere ich, mit Bärenspray und Fotoausrüstung bepackt hinauf bis zu einem Feuerbeobachtungsturm nahe des Gipfels. Die Blumenwiesen, die dem Highway den Beinahmen Medows in the Sky gegeben haben, sind leider zum größten Teil schon abgeblüht und dies Wiesen bereiten sich bereits auf den Herbst vor. Die Aussicht von hier oben in die Monschee Mountains im Westen und in das Selkirk Gebirge im Osten ist berauschend. Ich nutze einen der zwei roten Holzstühle, die man hier in Kanada so Häufig als Einladung zum Verweilen findet und genieße das Panorama.

Heute, so überlege ich mir, wäre es schön einmal wieder eine Dusche zu haben und so steuere ich den Martha Campground am Lake Revelstoke an, der durch das Aufstauen des Columbia River entstanden ist. Doch vor dem Vergnügen der heißen Dusche steht noch ein Stück Arbeit an.

Die Reifen meines FidiBus sind vvorn schon recht weit abgefahren und haben die vier Millimeter-Marke erreicht. Außerdem möchte ich mir anschauen, inwieweit die Reparatur der Bremse gelungen ist, oder ob ich noch einmal eingreifen muss und den zusätzlichen Satz der Bremsbeläge brauche.

Das heißt Räder von vorn nach hinten tauschen, viceversa. Schnelle Arbeit, doch wie so immer steckt der Teufel im Detail. Um jeweils beide Räder zu demontieren brauche ich einen zweiten Wagenheberund der war auf dem Platz nicht aufzutreiben. Die der Trucks waren zu hoch, die der Pkws zu klein oder zu schwach. Doch der dür den Platz zuständige Ranger hatte die Lössung in Form vieler dicker Unterlegbretter, die die Wohnmobilfahrer vergessen haben. Also hebe ich den FidBus mit meineem Wagen hinten an, lege sieben Bretter aufeinander und lasse ihn darauf ab. Dann kannich den Wagenheber vvovrn zum Einsatz bringen und alles geht wie geschmiert. Die Bremsbelege der reparierten Brems erweisen sich zwar als schräg abgefahren, aber in einem Bereich, der vovrerst noch tolerabel ist.

So aber jetzt ab unter die Dusche! Nach einer dreiviertel Stunde sitzt ein geduschter, manikürter und gestilter Matthias am Tisch bei einem selbstgemachten Nudelsalat und einem wohlverddienten eiskalten Bier.

Für mein Frühstück lasse ich mir viel Zeit. Wieder scheint dide Sonne, die Temperatur soll heute erneut die siebenunddreißig Grad Marke erreichen. In Revelstoke frische ich meine Lebensmittel auf und freue mich auf einen Kaffee imConversation Café.

Dieses Mal warte ich nicht darauf angesprochen zu werden. Ein Ehepar möchte sich an den Nachbartische setzen doch es fehlen Stühle. Dafür habe ich an meinem Tisch vier Stück, also stelle ich zwei davon an den Nachbartische. Stelle mich vor, worauf auch die Beiden mir ihre Namen verrieten und schon war das Eis gebrochen. Sie machen hier Urlaub, seien aber aus Texas. Er bewundert deutsche Autos und hat einen Mercedes in Stuttgart bestellt, der in sechs Wochen geliefert wird. Sie fährt einen BMW. Nein gute Autos gibt es nur in Deutschland. Amerika kann weder gute Autos noch gute Motoren bauen bestätigen mir beide im Brustton der Überzeugung. Und dann wollen sie über Deutschland sprechen. Was der Krieg Russlands gegen die Ukraine für Deutschland bewirkt, ob ich glaube, dass die Ukraine eine Chance hat, wie sich unser Leben nach Covid und nun durch die Gasknappheit verändert hat. Ob die Regierung in Deutschland von der Bevölkerung unterstützt wird und ob man sich über Deutschland hinaus in Europa einig ist, wie man mit einem Diktator wie Putin umgehen sollte. Entgegen aller Vorurteile habe ich den Eindruck, dieses Mal auf gut informierte US-Amerikaner gestoßen zu sein. Am Ende wünschten sie mir aber auch Deutschland, bald wieder friedlicheren und leichteren Zeiten entgegenzusehen. Es war ein sehr schöner Morgen und voller Kraft und Tatendrang starte ich meinen FidBus. Erreiche ich wohl heute noch Kemloops?

Ein Umweg

Es ist Sonntag, der achtundzwanzigste August. Morgen möchte ich in Vancouver sein, die letzte Möglichkeit Lina und Philipp zu treffen, bevor sie am Dienstag in die USA weiterreisen. Ich sollte also heute bis Kamloops fahren. Es läuft alle prima, der Highway ist gut ausgebaut und ich komme flott voran, bis etwa fünfundzwanzig Kilometer vor Golden. Ein Hinweis auf eine Vollsperrung macht die Weiterfahrt erst einmal unmöglich. Ich frage einen Truckdriver, der ja mit seinen Kollegen stets über Funk Verbindung hat, wie lange die Sperrung dauert. Seine Antwort bedeutet das Aus für ein Wiedersehen mit meinen Freunden. Ich müsse mit achtundvierzig Stunden Sperrung rechnen. Es sei ein schwerer Unfall passiert, in den zwei Trucks verwickelt sind und da der Unfall drei Menschen das Leben kostete, müsse erst die zuständige Staatsanwaltschaft am Unfallort die Ursache klären. Ein Blick auf die Karte macht mir schnell deutlich, dass ich hier in einem Land bin, dessen Straßennetz bei Weitem nicht so dicht ausgebaut ist wie zuhause. Der Umweg bedeutet zusätzliche dreihundertachtzig Kilometer. Ich schreibe Philipp eine Nachricht, dass ich es nicht schaffen werde, doch es gibt kein Netz. Meine Nachricht wird also noch eine Weile unversendet bleiben.

Vielleicht fahre ich heute bis Lake Luise und mache dort eine Tageswanderung. Wieder mache ich die Rechnung ohne den Wirt, Lake Louise hat in weitem Umkreis keine freien Parkplätze und ist daher für den Autoverkehr gesperrt und so entschließe ich mich auf dem Highway #93 und #95 in Richtung Kamloops zu fahren, weiß aber, dass ich es so weit in keinem Fall schaffen werde. Ich habe nun Zeit gewonnen und die nutze ich zum Sightseeing. Auf dem Weg liegen die Marble Falls. Sie bieten auf meiiner Wanderung einen Einblick in vierzehn Millionen Jahre Erdgeschichte. Tief eingeschnitten in den Fels hat sich der Fluss seinen Lauf gegraben. Bis zu fünfundsiebzig Meter hat er sich in den Stein geschliffen und dabei natürliche Brücken, Kolke und bizarre Felsgebilde herausgefräst. Wie es bereits der Name andeutet, durchneidet das Wasser auf seinem Weg mächtige Bänke von Marmor. Tief unter mir trifft die Sonne für einen Moment den Grund. Grün leuchtet das Wasser, eingerahmt von gelben Sedimenten früherer vulkanischer aktivitäten, gelbem Dolomit und dem weißen Marmor. Und rotem einsenhaltigen Gestein. Bei Radium Hot Springs durchfahre ich enge Schluchten. So genannter Grünstein der Felsen sind Zeuge einer frühren Zeit der Gebirgsbildung, als durch das Aufeinanderschieben der Platten nicht nur die Gebirge entstanden, sondern damit einhergehend auch Erdbeben und ein ausgedehnter Vulkanismus, Quelle vieler der Hot Springs, dort, wo das Wasser von der Oberflächein das Poröse Kalk und Lavagestein eindringen kann und sich im Erdmantel erwärm um dann als heißes Wasser wieder aufzusteigen.

Am späten Nachmittag habe ich den Trans Kanada Higway #1 erreicht. Genug für heute. Nach kurzer Strecke verlasse ich den Highway, steuere den Waitabit Creek Provincial Park an und suche mir einen Platz direkt am Fluss. Campfire sind nun nicht mehr erlaubt, es ist die zweithöchste Gefahrenstufe für Waldbrände erreicht und Regen ist nicht in Aussicht, wohl aber Temperaturen bis nahe vierzig Grad Celsius.

Auf dem Icefields Parkway nach Südosten

Der Highway bis Tête Jaune Cache zieht sich dahin. Es gibt keinen Anlass für ein Stop, aber der Verkehr nimmt zu und damit ist es auch vorbei mit dem Cruisen. Die Maximalgeschwindigkeit ist gleichzeitig die Richtgeschwindigkeit, besser man überschreitet diese noch ein wenig, als dass man darunter bleibt. Kanadier fahren gerne schnell, zumal es kaum Kontrollen gibt. Heute ist es trüb. Tiefe Wolken liegen auf den Bergen und nur selten wird der Blick frei auf die vom Eis bedeckten Gipfel. Ganz allmählich geht es bergauf und rechtzeit am Fuße des mt. Robson reißt die Wolkendecke für wenige Minuten auf und gibt den Blick frei auf diesen höchsten Berg der kanadischen Rockies. 3954 Meter ragt der Gipfel in den Himmel. Diese Gebirge ist so ganz anders als die Alpen. Keine tief eingeschnittenen Täler begrenzen den gedanklichen Horizont und prägen das Leben ihrerer Bewohner. Es ist so, als hätte man die Alpen auf einer Gummimatte errichtet und zöge sie gleichzeitig an allen vier Seiten auseinander. Die Atabaska-Eisfelder rücken immer näher und dann erreiche ich den Icefield Pass auf eintausendeinhundert Metern. Und wieder erinnere ich mich, genau an diesem Punkt mit Gitte gestanden zu haben und das tiefe Blau des Eises bewundert zu haben. Es war eiskalt damals, ganz anders als heute, wo trotz des bedeckten Himmels die Temperatur angenehm warm ist. Und noch etwas ist anders: Der Betrieb. Die Parkplätze rund um den Aussichtspunkt sind gestopft voll. Lange Reihen von Bussen bringen die Touristen auf den Columbia Gletscher. Ich begnüge mich damit, bis auf zwei Kilometer an die Gletscherzunge heranzufahren, denn nur aus dieser Distanz ist das Blau des Eises so prachtvoll zu sehen. Die Fahrt über den Pass, bis auf dessen anderer Seite ist großartig. Die beinahe alpine Straße gibt immer wieder den Blick frei auf die hohen Berge, die Gletscher und die schroffen Kalk- und Dolomitfelsen. Der Bow-Lake Glacier reicht beinahe bis in den See, doch bin ich nicht der einzige Bewunderer. Busladungen von chinesischen Touristen schieben sich zum Ufer des Sees. Mit ihren Handysticks schießen sie Selfies aus jedem nur denkbaren Winkel. Ich suche mir ein weniger überlaufenes Eckchen und finde ein großartiges Motiv. Doch immer wenn ich meine Kamera bereit hatte, waren auch, wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel, die Chinesen schon da. Entschlossen trete ich der Gruppe entgegen und bitte sie, sich für eine Weile nicht vom Fleck zu rühren, bis ich mein Foto habe. Und da zeigt sich die Höflichkeit dieser Menschen. Nicht nur, dass sie stehenblieben, nein ein Herr sperrt auch die andere Seite des Weges ab und ich komme in aller Ruhe zu meinem Bild.
In Jasper lege ich einen Stopp ein. Ich erstehe im Touristenbüro eine Karte für die Fahrt mit der Sky Tram auf den Gipfel des Mt. Wistlers. Der Blick von hier oben ist atemberaubend. Ich möchte die zwei Kilometer bis zum Gipfel hinaufsteigen, doch auf halbem Wege sehe ich das Gewitter dessen Regenfahnen schon bedenklich nahe sind. Der Wind frischt auf und nach wenigen Minuten hat er sich zu einem Starkwind entwickelt. Alle Fahrten mit der Seilbahn wurden bis auf Weiteres abgesagt. Das saßen wir also, geschätzt achtzig Menschen auf der Bergstation und niemand konnte uns sagen, wann es weiter geht. Dann brachte man uns Wasser und Cookies, Es könne länger dauern und möglicherweise könne der Betrieb erst in der Nacht wieder aufgenommen werden. Na gut, eine neue Erfahrung reiht sich in mein Repertoir ein. In meinem Rucksack habe ich meinen eReader, also wird es mir nicht langweilig. Um mich herum quängelde Kinder, bellende Hunde, aber ansonsten war die Stimmung unaufgeregt und geradezu gelassen. Sollten wir die Nacht hier verbringen müssen, so versichert man uns, würden wir aus den Beständen des Kiosk verpflegt werden. Na gut, aber den völlig überzuckerten Süßkram brauche ich nicht unbedingt. Doch dann, zweieinhalb Stunden später, es ist halb acht, kommt die erlösendende Nachricht. Der Betrieb wird wieder aufgenommen. Es ist Zeit mir einen Schlafplatz zu suchen und da es auf der gesamten Strecke keinen Stellplatz gibt, folge ich der Beschilderung zu einem Provincial Parks Camping in Field. Von hier aus sehe ich hoch in den Felsen die Stollenausgänge der alten Blei/Zink-Minen. Während diese einfach nur still da oben ihren schwarzen Schclund präsentieren, zeigt sich die nahe Bahnlinie als weniger ruhig. Mit lautem Dieselgeröhre und dem Poltern und Quitschen der Waggons sowie dem durchdringenden Tuten des Signalhorns kriechen die oft über einen Kilometer langen Güterzüge den Berg hinauf, von zwei bis vier Lokomotiven unterstützt. Mit zwei Kehrtunneln schafft sie es, eine Steigung von zweikommasieben Prozent zu überwinden. Die technische Leistung versöhnt mich mit dem Lärm und so schlafe ich dann doch recht schnell.

Den Sternen so nah

Es ist der fünfundzwanzigste August und damit der achtundneunzigste Tag meiner Reise, davon 88 Tage im FidiBus. Mein Plan ist es. Am Dienstag dem 30. August in Vancouver zu sein. Es wäre schön, wenn ich dort noch einmal Lina und Philipp träfe. Doch der Weg dahin ist noch weit. Es sind auf meiner geplanten Strecke etwas mehr als eintausend Kilometer, doch dafür sollten mir die fünf Tage reichen. Zweihundert Kilometer am Tag sind nicht viel, zumal die Strecke bis bis Prince George und von dort aus weiter in Richtung Jasper ohne große Attraktionen ist. Bis Jasper sind es gut fünfhundert Kilometer, also werde ich dazwischen irgendwo übernachten. Vielleicht in Tête Jaune Cache.

Das erste Stück der Strecke, bis nach Quesnel ist wieder sehr schön. Doch zunächst schaue ich noch einmal in das kleine Städtchen Wells, das mir wegen seiner bunten Hausfassaden von der Straße her aufgefallen ist.

Bevor ich Wells erreiche fällt mir ein Holzhaus an der Straße auf,dass über und über mit Schrott geschmückt ist. Ich stehe vor dem Haus und stelle mir vor, dass Jack London jeden Augenblich aus der Haustür tritt. Die Hütte ist bewohnt, das ist deutlich zu erkennen. Anders als man es sonst hier so häufig sieht, wo die Grundstücke ausschauen, als befände man sich auf einer Mülldeponie, ist hier der Schrott liebevoll um die Hütte herum drapiert und man kommt gar nicht auf den Gedanken, er wäre einfach nur achtlos entsorgt worden. Jedes Stück liegt genau dort, wo er seinen Charme am besten zur Geltung bringt. Später frage ich in einem Café, was es mit dieser Hütte auf sich hat und ich erfahre, dass es sich um das ehemalige Bordell handelt, dass man aus verständlichen Gründen nicht in Barkerville haben wollte, wo sich die Herren zu sehr unter der Beobachtung der Familien fühlten. Also verlagerte man es ein paar Kilometer aus Barkerville heraus und verzichtete auf jedwede Werbung und Hinweise, wodurch es dem unerfahrenen Reisenden wie ein normales Haus erschien. Heute gehört das Haus einem Fremden, den man im Ort aber kaum zu Gesicht bekäme. Wells entstand etwa zur gleichen Zeit wie Barkerville, aber im Gegensatz zu diesem machte man aus Wells kein Museumsdorf sondern es ist ein kleiner belebter Ort mit ein paar Bars, einem Theater und einigen Galerien. Aus der Nähe betrachtet ist Wells dann weniger attraktiv. Die bunten Fassaden sind nur zum Highway ausgerichtet und nur wenige Gebäude sind aus den alten Zeiten übrig geblieben. Sanfte Hügel bilden das Vorland zu den Steilen Hängen der Cariboo Mountains, die nun hinter mir liegen. Immer mehr öffnet sich das Land und große Weideflächen wechseln mit sich mit Feldern ab. Es ist heiß und die Luft ist feucht. Die richtige Mischung für das abendliche Gewitter.

In Prince George möchte ich noch einmal schnell bei Tim Hortens vorbeischauen, einen Kaffee trinken, aber der eigentliche Grund ist das kostenlose Internet. Doch irgendwie habe ich mich mit der Abfahrt vertan und rausche an Prince George vorbei. Von nun an cruise ich stundenlang auf dem Highway #16, dem Yellowhead Highway Richtung Tête Jaune Cache. Gegen fünf Uhr reicht es mir. Vor mir liegt der Ort McBride. Einer jener Orte, die so typisch für die Nordamerikanischen Vorstädte ist. Rechtwinklig verlaufen die Straßen zwischen Bahn und Highway. Zwei Hotels, die schmucklos nur mit der Aufschrift „Hotel“ um Gäste werben. Zumeist sind es Mitarbeiter der Bahn, des Straßenbaus oder der Forstbetriebe, die hier untergekommen sind.

Gleich am Ortseingang springt mir ein großes Schild in Auge, welches ein Kühles Bier und eine Sonnenterasse im Giggling Grizzly verspricht. Dieser Verlockung im kichernden Grizzly kann ich nicht widerstehen. Nach einem Bier und einem Wein befrage ich meine App nach einem Schlafplatz und tatsächlich gibt es hier einen Platz mit einer spektakulären Aussicht, etwa sechs Kilometer außerhalb der Stadt, auf einem Berg gelegen. Die Straße dort hinauf ist ein schmaler Schotterweg, sehr steil und, so verkündet es ein Schild, bei Regen nicht befahrbar. Es regnet ja noch nicht, also weiter! Im ersten Gang arbeite ich mich Meter um Meter nach oben. An den steilsten Stellen drehen die Vorderräder ein paar mal durch und immer wenn ich denke, das war’s dann wohl, finden sie neuen Halt und es geht wieder weiter. Nach vierzig Minuten befinde ich mich eintausendzweihundert Meter oberhalb von McBride. Eine Hahltebucht, ein Klohäuschen und eine traumhafte Aussicht belohnen mich für den aufregenden Anstieg. Ich schaue hinüber zu den Osthängen der Cariboo Mountains, an deren westlicher Flanke ich heute morgen gestartet bin. Es sind nur rund sechzig Kilometer Luftlinie, die mich vom Start zu meinem Tagesziel trennen. Von noch weiter oben höre ich den Motor eines Motorrades und zwei Minuten später steht es neben mir. Eine Frau und ein Mann, beide nicht viel älter als Mitte zwanzig, steigen ab. Wir wechseln ein paar Worte. Rob arbeitet im Wald, drüben, am gegenüberliegenden Hang und Rochelle ist zu Besuch bei ihm. Sie wohnt in Edmonten Sie gibt mir ihre Telefonnummer und bietet mir an, sie anzurufen, falls ich wieder nach Edmonten komme und Lust auf eine Dusche hätte. Und dann geben wir uns dem Schauspiel des Sonnenuntergangs hin. Wieviele Sonnenuntergänge mag ich wohl schon erlebt haben und doch ist es immer wieder ein Schauspiel, dessen Dramaturgie von der Kulisse geschrieben wird, in der es sich abspielt. In den letzten Momenten, bevor die Sonne hinter den Bergen den Tag beendet, wird sie noch einmal für einen Augenblick als runde wabernde Scheibe sichtbar und dann kündet nur noch ihr immer roter werdendes Licht von ihrer Existenz. Wieder entsteht vor meinen Augen das Bild unserer Erde, wie sie im scheinbaren Chaos des Weltalls dahintreibt, sich mehr und mehr von der Sonne entfernt und eines Tages, in vielen Milliarden Jahren die schützende Distanz, die uns einerseits vor dem Verbrennen, andererseits vor dem Erfrieren schützt verlässt. Was wird bis dahin sein? Wir diese Frage für uns Menschen bis dahin überhaupt noch von Relevanz sein? Die Nacht bricht herein, die Milchstraße zeigt sich am Himmel, der große Wagen, das Himmels „W“ und es umgibt mich die absolute Stille. Zeit zu Bett zu gehen.

Reise in die Erinnerung

In Fort St. John angekommen sehe ich bereits den Hinweis zu ‚Historic Site‘. Wie Schuppenfällt es mir von den Augen, als ich das Eingangsgebäude zum Fort sehe. Hier war ich mit Gitte auf unserer Reise nach Vancouver. Mit einem gemieteten Van fuhren wir durch die Rockies. Prince George war unser nördlichster Punkt. Im Fort sind dann alle Erinnerungen wieder da und ich höhre Gittes markante Schritte auf dem Boardwalk, ihre Anfeuerungsrufe als wir im Fort beim Hühnerwettrennen auf ein besonders fettes Huhn setzten, das aber wohl zu fett gefressen war, als dass es wegen der paar Körner am Ziel besondere Anstrengungen unternehmen sollte.

Tatsächlich fühlte ich mich plötzlich nicht mehr allein.

Gegenüber des Forts befand sich in einem Provincial Park ein Campground wo wir übernachteten. Ich bin neugierig und fasse den Entschluss auch heute dort die Nacht zu verbringen, falls es den Platz überhaupt noch gibt. Es gibt ihn noch, doch alle Plätze sind belegt oder reserviert. Enttäuschung macht sich breit und so fahre ich zu Eingang zurück. Doch da, tatsächlich ist ein einziger Platz frei. Platz Nummer einunddreißig. Es ist der alte Platz. Um sicher zu gehen vergleiche ich ein Foto von damals, dass ich für WhatsApp als mein Profilbild verwendet mit dem Blick vom Platz. Es stimmt. Ich mache zum Beleg ein Foto aus der gleichen Position über den See, sonst glaubt man mir diese Geschichte womöglich nicht. Es wird dunkel und es ist der gleiche Sonnenuntergang wieder versinkt die Sonne in einem glutorangenen Schleier hinter dem Horizont. Auch die belege ich mit einem Vergleichsfoto. Ich erinnere mich, wie wir am Ufer des Sees standen und fasziniert zusahen, wie sich der Tag verabschiedete und dann schwammen wir noch ein wenig in dem klaren Wasser und legten uns in unsere Halfpipe, wie wir unser Lager bezeichneten, denn die Matratze, die wir für den VAN bei Canadian Tire erstanden hatten war zu breit um ganz in den Wagen zu passen und so wölbten wir sie links und rechts nach oben. Auf diese Art und Weise erlebten wir das ‚Zwangskuscheln‘. Mit dem Gefühl, heute nicht allein gewesen zu sein schlafe ich ein. Doch verspreche ich Gitte vorher noch, dass wir morgen noch so einen Ort der Erinnerung besuchen werden. Wir fahren nach Barkerville. Auf dem Highway ist die Fahrt langweilig. Erst die letzten siebzig Kilometer sind landschaftlich wieder reizvoll. Von Westen fahre ich in das Cariboo Gebirge,

das wegen seine Goldreichtums noch heute zahlreiche Minen birgt. Wir kommen am späten Nachmittag in Barkerville an. Die Siedlung entstand während des Goldrauschen im Jahr 1897 und sie entwickelte sich schnell zu einem Mittelpunkt des Handels und des Gesellschaftlichen Aufstieges, bis sie im Jahr 1928 durch einen Blitzschlag vollständig abbrannte. Noch im gleichen Jahr begann der Wiederaufbau und noch in den siebziger Jahren waren ein paar Häuser dauerhaft bewohnt. Erst als die Siedlung in einen Historischen Park umgewandelt wurde verließ auch der letzte Bewohner Barkerville. Nirgendwo kann man das Leben zur Zeit des Goldrausche so eindrucksvoll nachvollziehen wie hier. Ich gehe in den Candyshop und kaufe zwei Tüten von den Candies, die wir auch damals kauften. Eine mit Caramell und Pfefferminzbonbons für Gitte und für mich eine Tüte Lakritz und Schokobonbons. Später habe ich auch die Pfeffermins und Schokobonbons gegessen und war danach erst einmal erledigt. Es war ein schöner Tag mit Gitte. So gar nicht traurig sondern sogar auf eine seltsame Weise sehr aufregend. Ich bin froh, die vierhundert Kilometer Umweg gefahren zu sein. Ich verabschiede mich aus Barkerville und sage Adée zu meinen Erinnerungen.

Ich werde meine Reise nun wieder allein fortsetzen.

Nathan und die alten Zeiten

Die Straße ist breit, gut geschottert und sehr fest, aber auch sehr staubig. Es ist eine Logging Road, das heißt, dass hier die Holztransporter das geschlagene Hol mit einhundert Kilometer pro Stunde in die Sägewerke oder Papierfabriken von Smithers oder Prince George bringen. Alle Kilomezter steht ein Kilometermarke und alle zehn Kilometer ein Hinweis mit dem Funkkanal, auf dem die LKWs mithören. An diesen Marken hat man sich über Funk zu melden. Was tun, ich habe keinen Funk? Ich fahre ganz rechts und schön langsam um diesen Ungetümen nicht in die Quere zu kommen. Dann überholt mich ein normaler Doge Truck und ich bedeute ihm anzuhalten. Das tut er auch direkt. „You have a radio?“ frage ich ihn direkt und als er das bestätigt, bitte ich ihn für mich anzumelden, dass ich bis Kilometer siebenundzwanzig in Richtung Süden unterwegs bin. Er macht das gerne, gibt mir noch einen Zustandsbericht der Strecke und weiter geht’s.

Nach einer dreiviertel Stunde entdecke ich das Schild, biege rechts ab fahre einen Hügel hinauf und auf der anderen Seite wieder ins Tal und da öffnet sich der Blick auf einen See, an dessen Ufer einige Häuser stehen „Little Bear Farm“ steht an einer alten Scheune. Links steht ein wunderschönes, recht neu wirkendes Blockhaus zwei Stockwerke hoch, einen Wintergarten zu See hin und einer riesigen Terrasse. Rechts befindet sich eine große Halle. Eine Hütte und mehrere Ställe vervollständigen das Arrangement. Ich sehe ein Schild, das mich traurig stimmt: „Brewery on Mondays closed“. Etwas ratlos stehe ich auf dem Gästparkplatz und überlege. „Hi, I’m Nathan, how can I help You?“ Also erzähle ich ihm, dass ich extra gekommen bin um in seiner Brauerei ein Bier zu trinken. Ja , das tut ihm leid, aber Montags ist der einzige Tag an dem er sich um andere Dinge auf der Farm kümmern kann. Aber morgen, und solange könne ich doch bei ihm campen. Er hat ein paar schöne Plätze am See und als ich die sah, stand meine Entscheidung fest. Hier bin zuhause, hier bleibe ich. Noch während ich mich einrichte kommt Nathan zu mir und fordert mich auf mitzukommen. Ein weiterer Gast ist auf seinem Motorrad gekommen und bei dem Betrieb macht er halt doch die Brauerei für eine halbe Stunde auf. Ralph, wie der Motorradfahrer sich zu erkennen gab ist achtundsiebzig und war als Prospector und Surveyor hier in die Gegend gekommen. Und dann berichtet er aus seinen Tagen als junger Surveyor, als er noch zu Fuß die Gegend erkundetet um Zufahrtswege für die Minen zu erkunden. Mit dem Flugzeug ließen sie sich im Busch absetzen und mit einer Gruppe Geologen schlugen sie sich ihre Weg zu den Bergen und Seen, in denen sie vor allem Kupfer vermuteten. Er kartierte die Strecken mit Kompass und Sextanten. Ich merke, wie er sich in dieser Zeit verliert. „Wir waren Pioniere, hatten unser ganzes Gepäck auf dem Rücken, fuhren die Flüsse und Seen mit dem Kanu und ich musste immer wieder herausfinden wie es weiter geht. Oft endete der Weg im Sumpf.“ Er erzählte von Wölfen, die neugierig ihr Lager besuchten, von Bären und dabei zeigt er mir eine Bärenklaue, die er an einem Lederband um den Hals trägt. Das war sein erster selbst erlegter Bär. Ein Braunbär, der sein Lager störte.

In die Erzählung platzt dann Nathans Mutter hinein. Eine echte Dame! Sie und Ralph entdeckte in ihren Geschichten gemeinsame Bekannte und sofort wurden die, jeweils bei Ihr und bei Ralph vorhandenen Lücken mit ergänzenden Berichten geschlossen.

Ob sie schon immer hier wohnten frage ich Nathans Mutter, sie hat sich mir zwar vorgestellt, aber ich habe jetzt tatsächlich ihren Namen vergessen. So nenne ich sie einfach Theresa. Der Name passt zu ihrer Erscheinung.

Oh nein, sie wohnten weiter im Norden und als der Damm gebaut wurde, mussten sie dem Wasser weichen. Es war schrecklich, mit anzusehen, wie ihre Farm langsam und allmählich vom Wasser verschluckt wurde, erst die Weiden, dann die Ställe und am Schluss das Haus. Sie sind nach Florida gezogen. Doch eines Tages kehrte sie mit ihrem Mann zurück und da entdeckten sie diesen wunderschönen Fleck, an einem See gelegen, überall Graslandschaft, Wald und Stille. Da beschlossen sie ihre Farm in Florida zu verkaufen und wieder einen Neuanfang zu wagen. Ihr Mann baute einen Hanger, schob sich eine Piste und freute sich über die neu gewonnene Freiheit, bis er eines Tages von einem Flug nicht mehr nachhause kam.

‚Aber mein Sohn Nathan, der ist fleißig, er hat die Rinder verkauft, die Pferde behalten und nun arbeitet er für Parks Canada‘ (ein Regierungsjob). Die Flugzeuge hat er auch verkauft, er wollte damit nichts mehr zu tun haben. In dem ehemaligen Hanger befindet sich heute die Brauerei.

Ralph muss wieder weiter, er muss heute wieder nach Witset zurück, aber er besteht darauf mein Bier zu bezahlen.

Zurück an meinem FidiBus mache ich mir mein Feuer und dann beginnt es zu grummeln. Erst recht weit entfernt, doch der Himmel färbte sich schwarz und dann zuckten auch schon die Blitze über den Himmel. Außer ein paar Tropfen fiel kein Regen. Das sind die Gewitter, aus denen die Waldbrände entstehen, Nathan erklärte mir am nächsten Morgen, dass sie bei den Feuerfightern als „Dry Lightnings“ bezeichnet werden. Später, bei Sonnenuntergang zeigte sich tatsächlich im Süden und im Osten der deutlich graue und rötliche Schein der Feuer. Vernichtend schön!

Ich möchte weiter. Nathan kommt noch einmal zu mir und erklärt mir den Weg, der auf meiner Karte nicht verzeichnet ist. Er ruft wieder über den Meldekanal seines Funkgerätes an und meldet meine Absicht. Zwei Forstfahrzeuge begegnen mir und ich bitte sie jeweils meine Position und Fahrtrichtung zu melden. Es wird ausgemacht, dass jeder Holztruck nun Meldung macht wenn er mich sieht. Am Winken der Fahrer erkenne ich, dass sie die Meldungen verfolgen. Es ist schon sehr beeindruckend, wenn diese Ungetüme vollbeladen und mit Anhänger auf einen zurasen. Zum Glück erkenne ich es bereits von Weitem an der kilometerlangen Staubwolke, die sich hoch über die Bäume erhebt, wenn wieder ein solcher Zug auf mich zurast. Und dann sieht man nichts mehr. Einghüllt in eine Wolke aus feinstem Staub warte ich ab, bis ich die Piste wieder erkennen kann.

Nach fünfeinhalb Stunden und einhundertsiebenundachtzig Kilometern verlasse ich diese Forstpiste und befinde mich wieder auf dem Highway 16, dem Yellowhead Highway oder, wie er seit einigen Jahren auch genannt wird „The Highway of Tears“.

Allerdings geht diese lange Zeit nicht auf das Konto der Piste. Zwei Stunden nutzte ich für eine Wanderung durch den Wald auf einem alten Trail zu den Stromschnellen des Netchako Rivers. Welch ein Tosen. Da half auch mein ständiges Reden nichts um die Bären auf mich aufmerksam zu machen. In solch einer Lage verlässt man sich besser auf sein Bärenspray und die Bear-bangers, Knallpatronen, die ich bei Bedarf mit einem Stift abschießen kann und die zwei Mal fürchterlich knallen und blitzen. Ich habe mir sagen lassen, dass es unerfahrene Wanderer gibt, die damit in Richtung Bär schießen. Ein fataler Fehler, denn der zweite Knall erfolgt dann hinter dem und der rennt vorwärts und dann…. Grrrrrrr

Um acht Uhr abends bin ich dann in Fort St. John und plötzlich holt die Erinnerung mich ein.

Ootsa Lake, ein Paradies von Menschenhand

Der weitere Weg von Morricetown oder heute Witset spendierte mir noch einen letzten Blick auf diese Berge. Der Highway erscheint mir uninteressant und so beschließe ich nördlich des Highways auf einer geschotterten Piste zunächst nach Smithers zu fahren. Eine gute Entscheidung wie sich herausstellen sollte. Die Straße verlief auf der Höhe eines Bergrückens durch Wald und dazwischen immer wieder gepflegte Farmen. Auf den Weiden grasten Kühe und hier und da mischten sich Ziegen unter das Weidevieh. Ein heimatliches Gefühl kommt da auf. Da es keine Wegebezeichnung gibt und dieser Weg weder auf der Karte noch auf meinem Navi zu finden ist muss ich immer wieder nach dem Weg fragen oder einfach mein Glück versuchen. Einmal treffe ich den Farmer den ich nach dem Weg frage. Wir wechseln einige Worte über die schöne Landschaft. Er wohne im Paradis erklärt er mir. Doch bevor er mir die richtige Richtung weist, muss er erst noch die technischen Details meines FidiBus‘ wissen. Ob ich ihn verkaufe, will er gleich wissen, er könne ihn auch in Halifax abholen. Auch von der Ersatzteilsituation für ein europäisches Modell lässt er sich nicht schrecken. Bevor er einen Preis nennen kann klopfte ich meinem FidiBus auf den Kotflügel und versprach ihm, dass ich ihn nicht verkaufe. Wir sind doch Partner!

Und weiter geht’ts. Schaue ich zurück, erblicke ich noch ein letztes Mal die hohen Berge mit ihren schneebedeckten Gipfel, noch einmal das blaue Eis der zu Tal fließenden Gletscher.

An einer Kreuzung treffe ich vier Frauen, die mit ihrem Rad unterwegs sind. Gerade recht, denn wieder gibt es keinen Richtungshinweis. Wieder wird meine Frage freundlich beantwortet und dann wollen sie aber doch wissen woher ich komme. „Oh, mein Mann ist auch aus Deutschland. Er kommt aus Bad Homburg. Und schon bekomme ich die ganze Familiengeschichte zu hören. Als Zimmermann ist er hergekommen, in seiner Kluft auf Reisen. Er hat bei ihren Eltern gewohnt und ist geblieben. Sie hätten sich vom ersten Tag an ineinander verliebt. Nun haben sie zwei Kinder und fünf Enkel und betreiben ein Bed & Breakfest in Smithers. Am Ende fragt mich eine der Frauen, ob sie sich meinen FidiBus mal von innen ansehen dürfe. Ich öffne meine Pforte und sie staunt. So klein und alles vorhanden! Als nun auch diese Neugier gestillt war, bestiegen die Frauen ihre Räder und auch ich startete nun auf bekanntem Weg Richtung Smithers. Meine Kühltruhe muss dringend wieder gefüllt werden.

Es ist verdammt heiß und als ich eine kleine Brauerei sehe ist das die Gelegenheit, mich mit einem Bier zu erfrischen. Gegen die Hitze vernebelt die Gastwirtschaft Wasser über der Terasse es kühlt zwar, aber nach einer Weile wird es ganz schön feucht.

Noch einmal befrage ich die Karte und beschließe einer Empfehlung zu folgen und zum Ootsa Lake zu fahren noch einhundertfünfzig Kilometer und eine Fähre. Es ist halb vier und für die einhundertfünfzig Kilometer schätze ich zwei Stunden. Es könnte als klappen, die letzte Fähre um 6 Uhr noch zu bekommen. Fünfzehn Kilometer vor der Fähre überholt mich ein Motorradfahrer, dann bleibt er stehen und fährt wieder hinter mir her. RCMP! Ist mein erster Gedanke. An der Fähre, die mir gerade vor der Nase wegfuhr hält er neben mir an und bedeutet mir die Scheibe runter zu kurbeln. Kein RCMP! Ich atme auf. „Hey, bist du ein echter Deutscher?“ tönt es mir mit deutlich westfälischem Akzent entgegen. Und wieder muss ich die Geschichte erzählen, wie es FidiBus über den großen Teich geschafft hat. Und dann kommt seine Geschichte. Nach der Grundschule in Bielefeld Papa besucht, weil’s so schön war da geblieben, Schule besucht, Job bei einer Pipelinefirma gefunden, Frau gefunden, Zwei Kinder und hin und wieder vom Heimweh nachhause getrieben. An dauerhafte Rückkehr nicht zu denken. Dann erklärt er mir die Vorzüge seines Jobs, wenn er einer Gewerkschaft angehört. Über die Gewerkschaft bekommt er, wenn ein Job beendet ist automatisch einen neuen Job angeboten, oder sie zahlen das Überbrückungsgeld für den Winter, wenn ab Minus fünfunddreißig Grad die Maschinen nicht mehr arbeiten. Für die Unternehmen zahlt es sich aus, mit der Gewerkschaft zusammenzuarbeiten, da es auf diese Weise immer zu neuen Arbeitskräften kommt. Doch es fehlen Arbeitskräfte. Ich höre das Immer wieder. In Geschäften fehlt Verkaufspersonal es fehlen Lehrer, es fehlen Fachkräfte, nur Regierungsmitarbeiter gibt es in Hülle und Fülle. „Ach ja die Fähre kommt gleich, sie fährt bis elf Uhr Nacht jede Stunde“. Na bitte, wieder mal Glück gehabt. Rolf steigt auf sein Motorrad und fährt zurück in sein Camp.

Die Fährfahrt dauert zwanzig Minuten und ist kostenlos. Sie ist Teil des Highway Systems und ist staatlich. Nach einer weiteren Stunde erreiche ich mein Ziel, den Ootsa Lake Spillway Campground. Direkt am See gelegen bietet er etwa zehn Campsites. Jeder Campsite so groß, wie ein halbes Fußballfeld, durch Hecken geschützt oder in der Sonne. Ich such mir den sonnigen Platz etwas über dem See gelegen, sodass ich den einzigen Camper, der heute hier steht nicht sehe. Ich bin allein. Der See läd zum Baden ein und der Platz bietet alles was ich brauche. Ein Outhouse (Plumpsklo) und Feuerholz und… er ist kostenlos. Grund genug, zwei Tage zu bleiben. Kurz überlege ich, noch einen weiteren Tag an diesem Platz zu bleiben und eine Wanderung am Ufer entlang zu machen, doch die Entscheidung wird mir abgenommen. Ein Truck kommt zu meinem Platz und der Fahrer erklärt mir, dass auf dem Campground ein Fest der Parkmitarbeiter stattfindet und er deshalb für die Allgemeinheit gesperrt wird. Ich bedanke mich bei ihm für den gut gepflegt Platz, das Feuerholz und die Sauberkeit des Plumpsklos, denn schließlich haben diese Annehmlichkeiten eine gute Zeit beschert. Er freut sich darüber und schon ist der Damm gebrochen. „I’m Rob“: „Matt“ und dann berichtet er mir von dem Damm, der diesen See aufgestaut hat und dass der Strom ausschließlich für das beinahe tausend Kilometer entfernte Aluminiumwerk in Kitimat, nahe Terrace produziert wird. Viele Familien verloren damals ihr Zuhause und in der betroffenen Bevölkerung machten sich heftige Proteste gegen die Aluminiumwerke breit. Am Ende zahlte das Werk und der Staat so hohe Entschädigungen, dass viel die neue Chance nutzten und Sich mit dem Geld eine neue Farm in höher gelegenen Regionen neu aufbauten. Aber er hat noch einen Tipp für mich. „Wenn du auf der Forststraße vierundzwanzig Kilometer nach Süden fährst, dann triffst auf ein Schild BREWERY. Biege rechts ab und nach vier Kilometern kommst du zur Ursa Minor Brewery. Dort kannst du auch campen.“

Das hört sich doch gut an und so mache ich mich auf den Weg.

Beinahe verhaftet

Heute also verlasse ich Prince Rupert. Am Ortsausgang steht ein junger Mann mit Hund und Rucksack. „Wohin möchtest du?“ „nach Terrace“. Ich schaffe Platz und beide steigen vorn ein. Der Mann ist schlank, hat ein fein geschnittenes Gesicht, fröhliche Augen und einen Dreitagebart. Auf dem Kopf trägt er eine Kappe, wie sie oft bei den Landwirten getragen wird. Der Hund ist ein Mischling namens Goofy, so groß, dass er sich ganz schön zusammenrollen muss, wenn er bei seinem Herrchen sitzen will. Er will.

Er sei Landwirt, hielt Geflügel und nachdem er sich im Sommer von seiner Freundin getrennt hatte, die immer nur neue Arbeit für ihn hatte, tagein tagaus, da hätte er sich auf und davon gemacht um ein paar Monate einfach durch das Land zu tippeln. Er erzählt mir die Geschichte, wie eines Tages die Raben sein ganzes Essen gestohlen haben und ein alter Mann ihn daraufhin mit einer großen Tüte Lebensmittel aus dem Garten und aus der Laden geholfen hat. „Mann ich sage dir, das war gut gemeint, aber ich musste alle tragen!“. Eineinhalb Stunden erzählt er ohne Pause. Nur hier und da frage ich, wenn ich etwas nicht verstanden hatte und natürlich interessiert mich, wie er ohne Arbeit durch das Leben kommt. „Oh, no problem“. „Das Geld liegt in BC auf der Straße, du musst es nur einsammeln“, so lautete seine Antwort und dann erzählt er mir von seinem Hund. Mit ihm führe er in der Ortschaften Tricks vor. Er spring auf seine Schulter, stellt sich tot, gibt ihm Küsschen auf die Wange und noch vieles mehr. Manchmal machen sie damit mehr als einhundert Dollar die Woche.

Kurz vor Terrace eröffnet er mir, dass er hofft, seine Freundin hätte die Farm gut verkauft. Er liebe sie noch immer. Sie sei eine tolle Frau, aber sie habe eben immer nur Arbeit im Kopf. „Das ist doch nicht richtig“. Er wird sich eine Cabin bauen und sein Geld damit verdienen, für die alten Leute Feuerholz zu machen, es zu spalten und zu verkaufen. Das Geld liegt auf der Straße und im Wald.

In Terrace, gibt er mir als Bezahlung noch eine Vorstellung. Ich lache mich über die Kapriolen seines Hunde kaputt. Er singt oder besser jault mit ihm ein Lied und läuft dabei zweibeing herum. Er springt Danny auf die Schulter und lässt sich wie einKind auf den Schultern seiner Eltern herumtragen und küsst Danny dabei auf die Wangen immer links und rechts. Zum Abschied hockt sich Goofy vor mich, sitz auf seinem Hintern, bei de Pfoten streckt er in die Luft und beginnt mich mit kreisrund geformter Schnauze anzujaulen und dann winkt er. Ich winke zurück, steige in meinen FidiBus, lasse Danny noch eine Dose Bier zurück und mache mich davon.

Mein Ziel ist das einhundertfünfzig Kilometer entfernt Gingolx oder auch Kincolith.am Portlandfjord, nur wenige Kilometer südlich der Grenze zu Alaska. Der Weg dorthin auf dem Highway einhundertdreizehn führt durch große Lavafelder eines Vulkans, der 1700 mit seinem Lavasstrom mehrere Dörfer der dort leben den Nisga’a First Nations unter sich begrub.

Luftaufnahme des großen Lavastromes

Auf dem Weg liegen ebenfalls heiße Quellen, auf die ich mich wirklich freue. Ein Bad täte mir mal wieder gut. Kurz vor Gingolx steht der Bau des Niga’a Museums. Es ist ein sehr moderner Bau, wie er in jeder großstadt hätte stehen können. Keinesfalls hätte ich so etwas hier

Die Hohlraum in der Lava ist der Abdruck eines umflossenen und verbrannten Baumes

erwartet. Das Museum ist geschlossen. Auch die heißen Quellen sind mit einem Tor verschlossen und es sieht so aus, als würde dieses Tor in diesem Sommer auch nicht mehr geöffnet. Am Ende des Tals, Am Fjord gelegen fahre ich von den Hügeln hinunter in Dorf. Hier, wie auch in den vorherigen Dörfern leben fast ausschließlich First Nations, die einst von ihren Feinden als Skalpjäger sehr gefürchtet waren.

Der Campground befindet s

olithBlick auf Ginglox (Kincolith)

ich außerhalb des Dorfes, neben einem Parkplatz zwischen alten Zedern an einem kleinen Fluß, der hier in den Fjord mündet. Später kommen noch zwei Männer aus Montreal, die im Fluss Lachse fischen waren und hier die Nacht verbringen wollen. Da ich das letzte Feuerholz in dem Holzschuppen für mich bereitgelegt habe, aber mein Essen bereits fertig war, biete ich ihnen mein Feuerholz an um ihren Lachs zu grillen. Doch stellt sich heraus, dass sie noch genügend Holz im Auto hatten. Das hinderte sie jedoch nicht daran, mir ein Stück ihres Lachfilet anzubieten. Auf dem Rückweg beschließe ich, es noch einmal im Museum zu versuchen, es sollte geöffnet sein.

Eine junge Nisga’a First Nation begrüßte mich und bot mir eine Führung an. Das Angebot nahm ich gern an.

Das Niga’a Museum

Sie erzählte von den Bräuchen ihres Volkes und den verschiedenen Riten, den Schamanen und den „supernatural spirits“. Anfangs las sie Zeile für Zeile von einer Karteikarte ab. Erklärte mir bei Fragen zu bestimmten Bedeutungen der Masken, dass es ich um Artefakte eines anderen Stammes handele und sie darüber nicht erzählen dürfe. Die Nisga’a kennen leben nach den Regen iherer Spirituellen Leittiere Wolf, Frosch, Rabe und Grizzly daneben auch Schwertwal, Adler und Biber. Sie sei Wolf und somit sei es ihr nicht erlaubt die Geschichte der anderen Clans zu erzählen. Ich merke, wie sie von ihren Karten löst. Ihre Stimme füllt sich ,mit Leben und sie zieht mich hinein in ein Welt der Mythen. Sie berichtet von ihrer Familie, die Rolle der Frauen und dass jedem Stamm, jedem Clan neben einem männlichen Häuptling auch ein weiblicher Häuptling vorsteht . Die Gesellschaft ist matrilinear geordnet. Es ist nicht erlaubt innerhalb desselben Clans zu heiraten, doch gehören die Kinder jeweils dem Clan der Mutter an. Immer lebhafter wird ihre Geschichcte und dann erklärt sie mir, dass auch sie auserwählt wurde, eine Sigidimhanak, ein weiblicher Häuptling zu sein. Dreimal wurde sie im Wasser des Flusses geweiht. Ihr Großvater musste für zwei Wochen allein in den Wald, und durfte solange nicht sprechen. Nach dem dritten Mal legte man ihr einen flachen Stein unter die Zunge, der sie daran erinnern sollte, welche Last sie zukünftig als Häuptling zu tragen habe. Weder am Tag noch in der Nacht durfte der Stein herausgenommen werden. Als ihr Großvater zurückkehrte, brachte er eine hölzerne Nadel mit, durchstach ihr das Ohrläppchen und überreichte ihr ein paar silberner Ohrringe. Jedes Jahr werden die Ohrringe schwerer, jedes Jahr wird die Last ihrer Verantwortung größer.

Als ich sie nach den Ort frage an dem ihr Volk das berühmte Fischfett herstellte und wo man den hierfür benötigte Fisch Oolith fing, bietet sie mir an, mir in ihrer Mittagspause diesen Ort zu zeigen. Eine fatale Entscheidung, wie sich zeigen sollte.

Fishery Cove, Ort der Oolith-Verarbeitung

Wir gehen als in ihrer Pause zu meinem FidiBus, sie steigt ein und wir fahren hinaus zu einem Platz, wo wir FidiBus abstellen. Der Weg durch den Wald ist stark vom Unterholz überwuchert.

Ich frage sie, danach welche Geschichte erzählt wird davon, wie die Menschen auf die Welt kamen und sie erzählt von ihrem Gott, dass die Welt einst ohne Licht war und nur durch einen schwachen Schein, dem Mondlicht gleich, das Dunkel durchbrach. Es gab noch kein Land und Gott entschied sich einige seiner Helfer in Tiergestalt auf die Welt zu schicken um die Welt bewohnbar zu machen. Die göttlichen Tiergestalten wurden schwanger und gebaren Menschenkinder und als letztes brachte der Gott über allen Göttern das Licht. Es gibt weitere Erzählungen, wie sie bei anderen Clans erzähl t werden, doch darüber könne sie nicht sprechen. Doch dann denkt sie nach und entschließt sich nicht die Geschichte der anderen Clans zu erzählen sondern nur zu erzählen wo sich deren Geschichten von ihrer unterscheidet Wir kommen auf eine Lichtung und vor uns tauchen halb verfallene Hütten auf. In der größten Hütte stehen zwei hözerne Tröge, etwa zwei mal drei Meter lang und cirka achtzig Zentimeter hoch. Hier wird der Oolik langsam gekocht und dabei stetig gerührt, bis das Fett an die Oberfläche kommt. Das kann Tage dauern. Am Schluss lässt ma den Brei abkühlen und schabt das Fett ab. Drei Mal wird der Prozess wiederholt, wobei sich das Fett immer dunkler verfärbt. Das fertige Fett dient als Nahrungsmittel zu Fisch, man verwendet es zum Backen und Kochen aber auch als Medizin. Mit einem Sack neuen Wissen steigen wir in den FidiBus und fahren zurück ins Museum. Vor dem Museum steht ein Polizeifahrzeug und ich frotzele „die warten schon auf mich“. Und so war es! Die Leiteren befiehlt meiner Begleiterin unverzüglich in ihr Büro zu kommen, während der Polizist sehr bestimmt meine Papiere verlangt. Aus dem Büro der Custodin höre lautes Gebrüll und verstehe die Worte „Vergewaltigung“, „Entführung“ und „ You are out“ Verlasse auf der Stelle das Büro und das Museum. Ach herrje, was wird daraus werden. Ich sehe mich bereits in Handschellen in irgendeinem Lokalgefängnis bei dünner Suppe und pappigem Brot. Die Custodin kommt aus dem Büro auf mich zugestürmt, hinter ihr bitterlich weinend meine Gästeführerin. Ich werde angebrüllt, wie ich dazu käme, eine Angestellte, noch dazu eine junge hübsche Indigene aufzufordern mit ihr in den Busch zu gehen um angeblich ein Fischdorf zu besichtigen. Irgendwie gelingt es mir, dass das Gebrüll zu durchdringen und bitte sie in ruhigem Ton weder mit mir noch mit ihrer Angestellten in diesem Ton zu reden. Die Junge Frau schafft es daraufhin ihr zu erklären, dass sie es war die den Vorschlag machte und dass es doch in ihrer Freizeit geschah.

Der Polizist mischt sich nun ein. Ich habe nichts zu befürchte, ich habe nichts falsch gemacht und dann klärt er mich auf: Diese Gegend und die Highways #113 und #16 tragen den Beinamen „Highway of tears“. Mehr als vierzig überwiegend indigene junge Frauen verschwanden auf dem Highway #16 und in angrenzenden Regionen. Einige wurden ermordet, ander gelten noch heute als vermisst. Ich erinnere mich an die Plakate, die ich entlang des Highways immer wieder sah und auf denen junge Frauen als vermisst gemeldet wurden, zwei davon stammten aus diesem Jahr und dann erinnere ich mich an die Geschichte des jungen Mannes, der in Watson Lake in mein Auto stieg und die er von seinem vermissten Bruder erzählte. Beinahe alle Fälle blieben unaufgeklärt.

Deshalb habe die Direktorin und Kustodin des Museums den Fall als Entführung an die RCMP gemeldet. Da ich die junge Frau ja offensichtlich gesund und wohlbehalten zurückgebracht habe, sei der Fall für ihn abgeschlossen.

Ich fuhr das weinende Bündel Mensch anschließend die kurze Strecke nachhause. Unter bitterem Schluchzen erklärte sie mir, sie habe keine Wut auf Mrs. Schober aber die Scham und die Enttäuschung wäre so schmerzhaft. Wut sei ein sekundäres Gefühl, dass nie über das wahre Gefühl herrschen dürfe, Scham komme aus der Seele

Ich habe mir die Email-Adresse der Direktorin geben lassen und schrieb ihr gleich am nächsten Morgen von einem Campground bei Hazelton eine Mail in der ich mich für den Vorfall entschuldigte. Ich Verständnis für ihre Reaktion und ihren Auftritt als Sorge um das Leben der Frau interpretiert. Gleichzeitig bat sie um die Wiederbeschäftigung der Gästeführung und appellierte daran, dass die Sorge um ihre Angestellten auch die Sorge um ihre sozialen Verhältnisse umfassen sollt. Die sehr freundliche Antwort kam prompt. Für ihren Ton entschuldigte sie sich. Sie habe die Angelegenheit an die Personalabteilung weitergereicht und deren Entscheidung bleibt abzuwarten.

In mir bleibt ein düsteres Bild von einer indigen Frau, stolze Vorsteherin eine Clans, die von der großen weißen Frau in Grund und Boden gebrüllt wurde.

Ja, das war nun das Update für das ich mich zwei Tage auf einem wunderschönen Gemeinde-Campground der Widzin First Nation zurückgezogen habe.

Morgen werde ich gemächlich weiterziehen und ich wünsche mir, dass auf dieser Reise nie wieder ein Mensch direkt oder indirekt durch mich zu Schaden kommt.

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